Zum Hauptinhalt springen

Schluss mit Wahlbetrug

Kolumne von Sahra Wagenknecht,

Von Sahra Wagenknecht, Erste Stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag




Alt-Kanzler Konrad Adenauer (CDU) wird der Satz zugeschrieben: "Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern!" Die SPD hatte 2005 Wahlkampf gegen die Pläne von Angela Merkels CDU gemacht, die Mehrwertsteuer um zwei Prozent zu erhöhen. Kaum schlüpfte die SPD nach der Wahl ins Bett der großen Koalition, kam die Erhöhung – und zwar um drei Prozent. Lapidarer Kommentar des damaligen Vize-Kanzler Franz Müntefering (SPD): "Wir werden als Koalition an dem gemessen, was in Wahlkämpfen gesagt worden ist. Das ist unfair!"

Wer Wahlversprechen bricht, schadet der Demokratie. Immer mehr Menschen gehen aus Frust nicht mehr wählen. Demokratie bedeutet auch, dass sich Interessen der Mehrheit durchsetzen. Seit vielen Jahren regieren jedoch Parteien, die Löhne und Renten kürzen und den Sozialstaat zerstören. SPD und GRÜNE haben nun mit der LINKEN die Chance zu beweisen, dass sie es in Zukunft anders machen. Uns geht es um die Sache, nicht um Ministersessel. Daher fordern wir SPD und GRÜNE auf, noch vor der Regierungsbildung mit uns zentrale Wahlversprechen im Bundestag umzusetzen:

1. Die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns zum 1. Januar 2014. Denn Leistung muss sich wieder lohnen. Etwa 20 Prozent der Beschäftigten in Deutschland schuften zu Niedriglöhnen. Von einem Mindestlohn von 10 Euro würden mindestens acht Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer profitieren. Nur ein solcher Mindestlohn kann nach Berechnungen der Bundesregierung nach 45 Jahren Vollzeitarbeit Altersarmut verhindern. Zudem würde der Mindestlohn alle Beschäftigten vor Lohndumping schützen. Selbst die Führungskräfte von Unternehmen befürworten laut einer Umfrage des Handelsblatts mehrheitlich den Mindestlohn. Im Durchschnitt fordern die Manager immerhin fast 9 Euro.

2. Die Abschaffung des Betreuungsgeldes beziehungsweise Investitionen in den Ausbau hochwertiger Kinderbetreuung. Das Betreuungsgeld ist unsozial. Es schafft Anreize, Kinder nicht in eine Tagestätte zu bringen, viele arme Familien werden ihren Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz deshalb nicht wahrnehmen. Damit werden Kinder um eine Förderung ihrer Talente gebracht.

3. Die vollständige rechtliche Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften mit der Ehe, dies betrifft insbesondere das Steuer und Adoptionsrecht. Der Staat oder die Kirche haben bei Liebe keine Vorschriften zu machen. Menschen, die gemeinsam Verantwortung übernehmen und füreinander einstehen, müssen unterstützt, nicht benachteiligt werden.

4. Das Verbot der sachgrundlosen Befristung von Arbeitsverträgen. Es muss Schluss sein mit Ketten-Befristungen, die nur einem Ziel dienen: die Löhne zu drücken. Unsichere Beschäftigungsverhältnisse machen krank und verhindern eine vernünftige Lebensplanung oder erschweren die Gründung einer Familie.

5. Die Abschaffung der Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente. Wer aus gesundheitlichen Gründen gar  nicht mehr oder nicht mehr Vollzeit arbeiten kann, wird immer häufiger arm. Denn die Zurechnungszeiten, mit denen Erwerbsgeminderte rentenrechtlich so gestellt werden, als hätten sie weiter gearbeitet, enden mit dem 60. Lebensjahr. Wer vor 63 in Rente gehen muss, wird mit Abschlägen von bis zu 10,8 Prozent bestraft. Die durchschnittliche Erwerbsminderungsrente liegt daher nur noch knapp über der Grundsicherung im Alter und wird bis 2030 um etwa 20 Prozent sinken. DIE LINKE will die Abschläge bei der Erwerbsminderungsrente abschaffen.

Für diese Forderungen gibt es eine rechnerische Mehrheit im Bundestag. Und sie rechnen sich für Millionen Menschen. Wahlversprechen sind Ehrensache. SPD und GRÜNE müssen endlich Farbe bekennen.

linksfraktion.de, 15. Oktober 2013