Zum Hauptinhalt springen

Scheinbilanz der Agenda 2010

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Auswertung der Kleinen Anfrage „Arbeitsmarkt- und Beschäftigungspolitische Bilanz der Agenda 2010-Politik“

Anders als von der aktuellen und den vorherigen Bundesregierungen behauptet, haben die „Arbeitsmarktreformen“ der Agenda 2010 der SPD-geführten Bundesregierung unter Altbundeskanzler Schröder zur keiner positiven Beschäftigungsbilanz geführt. Auf Anfrage der Fraktion DIE LINKE räumt die Merkel-Regierung in ihrer Antwort ein, dass in dem vergangen Jahrzehnt unter dem Strich nicht mehr Beschäftigung entstanden ist.

Nach Angaben der Bundesregierung ist das volkswirtschaftliche Arbeitsvolumen in dem gesamten Zeitraum 2000-2012 von rund 57,9 Milliarden Stunden nur um 0,3 Prozent auf 58,1 Milliarden Stunden gestiegen. Gleichzeitig stieg aber die Zahl der Erwerbstätigen bis 2011 um etwa 3,3 Millionen auf 39,9 Millionen (neuere endgültige Zahlen liegen nicht vor). Wie ist das zu erklären?

Zu weiten Teilen beruht das deutsche Jobwunder auf einer Aufsplittung von unbefristeten Vollzeitjobs in kleinere, unsichere Billigjobs. Deutlich wird dies, rechnet man das Beschäftigungsvolumen in Vollzeitarbeitsplätze, sogenannte „Vollzeitäquivalente“, um. Danach wuchs die absolute Zahl der beschäftigten Arbeitnehmer zwischen 2000-2012 insgesamt um 1,68 Millionen auf 37,07 Millionen. In Vollzeitäquivalenten umgerechnet nahm dagegen ihre Zahl leicht ab, von 29,29 Millionen im Jahr 2000 auf 29,28 Millionen im Jahr 2012. Eine weitgehend gleichbleibende Arbeitsmenge wurde also auf mehr Köpfe aufgeteilt. Ähnlich gestaltet sich die Entwicklung für alle Erwerbstätigen, zu denen auch die Selbständigen gehören. Die Bundesregierung selbst räumt ein, dass die wachsende Zahl von Teilzeitbeschäftigten für diese Bilanz verantwortlich ist.

Das wahre Ausmaß dieser Entwicklung wird jedoch erst deutlich, betrachtet man rückblickend das Wachstum der verschiedenen Beschäftigungsformen. Danach nahm von 2000-2011 die Zahl der sogenannten Normalarbeitsverhältnisse, also unbefristeten Vollzeitarbeitsplätze, um 92.000 oder -0,4 Prozent auf 23,67 Millionen ab. Dramatisch gestiegen ist dagegen die atypische Beschäftigung, die sich aus befristeter Beschäftigung, Teilzeitarbeit, Minijobs und Leiharbeit zusammensetzt. Ihre Zahl nahm um 2,04 Millionen oder 35 Prozent auf 7,92 Millionen zu. Besonders stark nahmen die Minijobs um 53 Prozent auf 2,67 Millionen und die Leiharbeit (erst ab 2006 gezählt) um 38 Prozent auf 775.000 zu. Inzwischen wird jede fünfte Arbeitsstunde in Deutschland durch atypische Beschäftigung erbracht.

Das angebliche Jobwunder der Agenda-Politik ist eine Scheinbilanz. Es beruht auf einer massiven Umverteilung sicherer Vollzeitjobs in viele kleine, prekäre Billigjobs. Damit wurde eine Lohnspirale nach unten in Gang gesetzt und eine massive Umverteilung zu Gunsten der Unternehmen und Kapitalbesitzer organisiert. Wir brauchen eine Agenda Sozial, einen grundlegenden Richtungswechsel weg von prekären Jobs und Lohndumping hin zu guter Arbeit und guten Löhnen. Ein gesetzlicher Mindestlohn von zehn Euro ist genauso überfällig wie das Zurückdrängen von prekärer Beschäftigung wie Leiharbeit und Minijobs.

Anders die Bundesregierung, die den Kurs des Lohndumpings fortsetzen will und den Erfolg der deutschen Politik lobt, der in „der moderaten Lohnpolitik der vergangen Jahre sowie den Reformen des Vergangen Jahrzehnts begründet“ ist. Wie aus der Antwort der Bundesregierung hervorgeht, haben die realen Arbeitnehmerentgelte erst 2011 wieder das Niveau aus dem Jahr 2000 erreicht. Damit einher ging eine drastische Umverteilung. Der Anteil der Löhne am Volkseinkommen fiel zwischen 2000 und 2012 von 72 Prozent auf 68 Prozent, der Anteil der Unternehmens- und Vermögenseinkommen stieg von 28 Prozent im Jahr 2000 auf 32 Prozent im Jahr 2012 und lag 2007 vor Beginn der Krise sogar zwischenzeitlich bei knapp 37 Prozent.

Tabelle: Entwicklung der verschiedenen Beschäftigungsformen 2000-2011

 

Jahr

Gesamt

Selbst-
ständige

 

Abhängig Beschäftigte

 

zusammen

Normal- arbeitnehmer/- innen

 

atypisch Beschäftigte

 

 

darunter

zusammen


befristet
Beschäf-
tigte


Teilzeit-
beschäf-
tigte

geringfügig Beschäftigte


Zeitarbeit-
nehmer/-
Innen (erst ab 2006)

2000

33.311

3.418

29.643

23.766

5.878

2.130

3.944

1.749

562

2011

35.762

4.018

31.592

23.674

7.918

2.805

5.025

2.673

775

absolut

2.451

600

1.949

-92

2.040

675

1.081

924

213

relativ

7,4%

17,6%

6,6%

-0,4%

34,7%

31,7%

27,4%

52,8%

37,9%

 

linksfraktion.de, 14. März 2013