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Schäubles Schönwetterhaushalt für Vermögende

Interview der Woche von Gesine Lötzsch,

 

Gesine Lötzsch, Vorsitzende des Haushaltsausschusses des Bundestags, im Interview der Woche über den Bundeshaushalt 2016, Schäubles Versuche, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen, Steuerungerechtigkeit, Schulden und die "Schwarze Null"

 

In dieser Woche soll der Haushalt für 2016 endgültig verabschiedet werden. Trotz der Mittel, die bereitgestellt werden, um Flüchtlinge unterzubringen  und zu integrieren, scheint die "Schwarze Null" laut Finanzminister Schäuble nicht in Gefahr. Wie kommt’s?

Gesine Lötzsch: Wir haben den Haushalt der Regierung im Ausschuss abgelehnt. Er orientiert sich leider nicht an den realen Bedürfnissen und Problemen der Menschen, sondern an ideologischen Vorgaben. Es passt doch einfach nicht zusammen, dass Schäuble in der Öffentlichkeit von einer Lawine spricht, wenn es um Menschen geht, die fliehen müssen, gleichzeitig aber einen entspannten Schönwetterhaushalt vorlegt. Die Mehrausgaben für Flüchtlinge konnten ohne größere Probleme aus den höheren Steuereinnahmen finanziert werden. Der Finanzminister wollte mit seinem Haushalt wieder einmal den Nachweis erbringen, dass nur die CDU mit Geld umgehen kann. Das Symbol dieser Politik ist die sogenannte "Schwarze Null", das heißt keine neuen Schulden. Ich frage mich, ob das wirklich das Problem ist, das die Menschen jetzt besonders umtreibt? Ich glaube nicht.

Welche Mittel werden unmittelbar in Zusammenhang mit den Flüchtlingen ausgegeben und fehlen diese nun an anderer Stelle?

Das ist eine schwierige Frage. Das Geld ist über den gesamten Haushalt verteilt. Die Zahl 7,5 Milliarden Euro wird von der Regierung immer wieder genannt. Mein Eindruck ist, dass die Zahlen künstlich in die Höhe geschraubt werden. Es wird jetzt einiges unter Flüchtlingshilfe abgebucht, was den Flüchtlingen mit Sicherheit nicht helfen wird. Das Geld, das wir für Flüchtlinge ausgeben, fehlt auch nicht an anderer Stelle. Mir sind keine Haushaltskürzungen bekannt. Allerdings hatte Schäuble gegenüber der Bild-Zeitung Haushaltskürzungen wegen der steigenden Flüchtlingszahlen angekündigt. Es ging dabei um zwei Milliarden Euro. In den Haushaltsberatungen spielte diese Ankündigung dann keine große Rolle mehr. Es war offensichtlich ein weiterer Versuch, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.

Die Kommunen sind besonders gefordert, wenn es um Unterbringung und Integration von Flüchtlingen geht. Dabei ist die finanzielle Lage von vielen Kommunen alles andere als rosig. Tut der Bund genug, um das zu ändern?

Die Bundesregierung könnte mehr tun, doch sie will es nicht. Sie setzt auf Abschreckung der Flüchtlinge. Ihnen soll es nicht zu gut gehen. Das ist zynisch. Die Unterbringung von Flüchtlingen ist in vielen Fällen eine gewollte Zumutung. Wir wollen, dass man Flüchtlinge wie Menschen behandelt. Dafür braucht man nicht nur mehr Geld, sondern auch den Willen.   

Die Menschen, die in Deutschland vor Krieg und Terror Schutz suchen, lösen bei manchen sozialpolitische und kulturelle Ängste aus. Was sollte und was kann unter haushaltspolitischen Gesichtspunkten getan werden, um diese Ängste zu mindern?

Nicht die Flüchtlinge lösen Ängste aus, sondern Politiker und Medien, die von Flüchtlingsströmen und Lawinen sprechen. Ich erinnere immer gern daran, dass nach dem Zweiten Weltkrieg über 12 Millionen Flüchtlinge in ein zerstörtes Land kamen. Sie wurden nicht immer freudig begrüßt, wie es heute manchmal behauptet wird. Sie wurden integriert in der BRD und in der DDR. Die Bundesrepublik gehört heute zu einem der reichsten Länder der Erde und soll mit 800.000 Flüchtlingen im Jahr nicht zurechtkommen? Nein, hier wird auf den Rücken der Flüchtlinge eine unchristliche Politik gemacht.

Integration kostet zunächst einmal Geld. Was hätte das Land langfristig davon, sollte die Integration gelingen?

Wir haben ein Integrationskonjunkturprogramm vorgeschlagen. Ein solches Programm würde die Lösung von zwei Aufgaben gleichzeitig möglich machen: Modernisierung unserer Gesellschaft und Integration von Flüchtlingen. In Deutschland gibt es einen beachtlichen Investitionsstau.  Investitionen in Wohnungen, Schulen, Universitäten, Krankenhäuser, Theater und Schwimmhallen sind für alle gut. Sie schaffen neue Arbeitsplätze für Einheimische und für Flüchtlinge. Der Internationale Währungsfonds (IWF) stellt in einer Studie fest, dass es durch die Integration von Migranten keinen Lohnverfall geben muss. Im Gegenteil, gesamtwirtschaftlich bewirke eine gut gestaltete Zuwanderung eine höhere Beschäftigungsquote. Deshalb bleiben wir dabei: Der Mindestlohn muss für alle gelten!

Das Mantra von Schäubles "Schwarze Null" beherrscht immer noch die haushaltspolitische Debatte. Wie klug ist das Festhalten daran in Zeiten von Niedrigzinsen, in denen der Staat relativ günstig Schulden aufnehmen könnte, um in die Zukunft des Landes zu investieren?

Ich bin nicht dafür, neue Schulden aufzunehmen. Damit machen wir es unseren politischen Gegnern zu leicht. Eine Hauptkritik der LINKEN an dieser Regierung ist doch, dass sie eine sozial ungerechte Politik macht. Das liegt unter anderem an einer ungerechten Besteuerung. Wer arbeitet, wird höher besteuert als der, der ohne Arbeit Kapitalerträge einstreicht. Warum werden zum Beispiel die rund 102 Millionen Euro Kapitalerträge die Friede Springer in diesem Jahr bekommen haben soll, nur mit 25 Prozent besteuert? Das ist ungerecht. Wir könnten die Abgeltungssteuer sofort abschaffen. Das bringt Geld in die Steuerkasse und schafft mehr Gerechtigkeit. Doch die Koalition lehnt das ab. Sie verstehen sich offensichtlich als Vermögensverwalter einer kleinen Gruppe von Superreichen.

Welche Investitionen sollten unbedingt getätigt werden? Und gibt es Raum, um konsumtive Ausgaben einzusparen?

Da gibt es viele Baustellen. Nur ein Beispiel: Es gibt über 1.300 Bahnbrücken, die dringend saniert werden müssen. Allein in Bayern sind 175 Eisenbahnbrücken so vernachlässigt, dass sie nur noch abgerissen werden können. Es wäre sinnvoller gewesen, auf Stuttgart 21 zu verzichten. Mit dem Geld hätte man einige marode Eisenbahnbrücken sanieren können.

Einnahmen und Ausgaben in Balance halten – das scheint die Kunst der Haushaltspolitik sein. Die Einnahmesituation ist günstig, das haben Sie zu Beginn schon gesagt. Warum ist es aus Sicht der LINKEN dennoch nötig, dass Reiche und Superreiche stärker besteuert werden?

Die Kunst besteht eigentlich weniger darin, einen ausgeglichenen Haushalt aufzustellen, als vielmehr gute Politik in Zahlen zu gießen. Allerdings versteht Herr Schäuble unter guter Politik etwas anderes als ich. Seine Politik ist gut für Vermögende, unsere Politik ist gut für die Mehrheit der Menschen, die in unserem Land leben.

linksfraktion.de, 23. November 2015