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Rentenpaket verabschiedet – große Baustellen bleiben

Nachricht von Matthias W. Birkwald,

Am 23. Mai wurde im Bundestag das Rentenpaket beschlossen. Es bringt in mehreren Bereichen tatsächlich  bessere Leistungen für Rentnerinnen und Rentner – erstmals nach über 20 Jahren Kür-zungspolitik. Das Rentenpaket enthält viele Schritte in die richtige Richtung. Aber es springt zu kurz. Viele  Ungerechtigkeiten bleiben, so  zum Beispiel die ungleiche Bewertung der Kindererziehungszeiten  in Ost und West. Die wichtigsten Ursachen sinkender Renten und zunehmender Altersarmut werden nicht angegangen. Das Rentenpaket tut nichts gegen die Absenkung des Rentenniveaus. Im Gegenteil: Es trägt dazu bei, dass das Rentenniveau noch schneller sinken wird als bisher. Und es bleibt bei der unsäglichen Rente erst ab 67. Fazit: Manches wird besser, aber nichts wird gut. Deshalb hat sich DIE LINKE bei der Abstimmung enthalten.

Was ist drin im Rentenpaket und was hält DIE LINKE davon?

Verbesserung bei den Kindererziehungszeiten:

Mütter (und Väter), die vor 1992 geborene Kinder erzogen haben, erhalten ab 1. Juli 2014 einen zusätzlichen Rentenpunkt. Für Menschen, die schon in Rente sind wird dieser im Laufe der zweiten Jahreshälfte rückwirkend ab dem 1. Juli und dann monatlich automatisch als Zuschlag in voller Höhe zur Rente ausgezahlt. Es ist nicht nötig, einen Antrag zu stellen. Bei Neurentner/innen wird bei der Berechnung des Rentenanspruchs ein zusätzliches Jahr zum Durchschnittsverdienst angerechnet. Das bedeutet pro Kind im Westen 28,61 Euro mehr Bruttorente im Monat, im Osten 26,39 Euro.

DIE LINKE begrüßt diese Verbesserung bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten. Allerdings wird damit nicht – wie von Union und SPD behauptet – eine Gerechtigkeitslücke geschlossen, sondern allenfalls gemindert: Denn für vor 1992 geborene Kinder gibt es auch dann noch einen Entgeltpunkt weniger auf dem Rentenkonto als für nach 1991 geborene Kinder. Auch haben die Koalitionäre die Chance verpasst, 24 Jahre nach der Deutschen Einheit endlich dafür zu sorgen, dass ein Kind, das in Dresden geboren ist, auf dem Rentenkonto gleich viel wert ist, wie ein Kind, das in Köln geboren ist. DIE LINKE hat deshalb die Forderung nach gleichen Kindererziehungszeiten vor und nach 1992, in Ost und West zur Abstimmung gestellt. Sie wurde jedoch von mit den Stimmen der Großen Koalition abgelehnt.

Hoch problematisch ist die Finanzierung der sogenannten ‚Mütterrente‘ aus Beiträgen. Als familienpolitische Leistung und aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit muss diese aus Steuern finanziert werden. Sonst zahlt die Arzthelferin mit ihren Rentenbeiträgen die »Mütterrente« ihrer Chefin, die selbst nie in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat, aber über ein Versorgungswerk abgesichert ist. Schlimmer noch: Wenn die Mütterrente aus Beiträgen bezahlt wird, bleibt kein Geld für andere dringend notwendige Verbesserungen übrig wie die Stabilisierung des Rentenniveaus, die Aussetzung der Rente erst ab 67 und die Abschaffung der Abschläge auf Erwerbsminderungsrenten. Trotz vehementer Kritik von fast allen Fachleuten hat die Bundesregierung stur an dieser Art der Finanzierung fest gehalten. Einen Antrag der LINKEN auf Finanzierung der ‚Mütterente‘ aus Steuermitteln wurde ebenfalls abgelehnt.

Rente ab 63/65:

Das Rentenpaket enthält einen zweiten Baustein, den zeitlich begrenzten abschlagsfreien Rentenzugang ab  63 Jahren für Versicherte mit 45 Jahren Wartezeit. Versicherte, die zwischen dem 1.7.1951 und dem 31.12.1952 geboren sind und die Bedingungen erfüllen, dürfen im Alter von 63 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen. Danach steigt das Zugangsalter der Rente für ‚besonders langjährig Versicherte‘ in Zweimonatsschritten wieder auf 65 Jahre an. Die Jüngeren haben also nichts von dem erleichterten abschlagsfreien Rentenzugang! Deshalb müsste es Rente ab 63/65 heißen und nicht Rente ab 63. Dieser Name ist eine Mogelpackung!

Zur Wartezeit zählen neben versicherter Beschäftigung auch Kinderberücksichtigungszeiten und Arbeitslosengeld I, Krankengeld etc. Auch freiwillige Beitragszeiten werden nach der Einigung zwischen Union und SPD auf den letzten Metern vor der Verabschiedung berücksichtigt, wenn darüber hinaus 18 Jahre lang Pflichtbeiträge gezahlt wurden. Zeiten der Arbeitslosenhilfe und des Hartz IV-Bezugs werden hingegen nicht angerechnet! Auch zwei Jahre Arbeitslosigkeit vor der Rente ab 63/65 zählen nach der Einigung der Koalitionäre nicht dazu, es sei denn, die Arbeitslosigkeit ist durch Insolvenz oder Aufgabe des Betriebes entstanden. Alle die, die wegen betriebs- oder krankheitsbedingter Kündigung erwerbslos werden, schauen in die Röhre. Dies ist ungerecht und unter Gleichbehandlungsgesichtspunkten abzulehnen. Mit der Würdigung der Lebensleistung hat das nichts zu tun. Es ist eindeutig eine Niederlage der SPD. Sie hat sich von der Frühverrentungskampagne der Arbeitgeber und der Union kleinkriegen lassen.

Wir lehnen diese massive Verschlechterung der Rente ab 63/65 ab. Denn wir LINKEN sagen: Es ist richtig, dass diejenigen, die lange und hart gearbeitet haben, nicht mehr durch Rentenabschläge enteignet werden. Sie alle haben Anerkennung für ihre erbrachte Beitragsleistung – und damit auch für ihre Lebensleistung - verdient.

Allerdings hätten wir uns mehr gewünscht: Zunächst handelt es sich bei der Rente ab 63/65 um eine Mogelpackung: Nur eineinhalb Jahrgänge werden von der Regelung voll profitieren! Außerdem sind Langzeiterwerbslose von der Rente ab 63/65 ausgeschlossen. Das halten wir weder für plausibel noch für akzeptabel. Aus unserer Sicht besteht kein Unterschied darin, ob eine Person unterbrochen in kurzen Abständen vier Jahre lang erwerbslos war, oder vier Jahre durchgehend von Erwerbslosigkeit betroffen war.

Genauso wenig ist einsehbar, warum die letzten zwei Jahre Erwerbslosigkeit vor der Rente ab 63/65 nicht mitzählen sollen. Wer hier eine neue „Frühverrentungswelle“ herauf beschwört, verkennt völlig, dass es für die Betroffenen wegen der drohenden Sperre beim Arbeitslosengeld, den niedrigeren Bezügen und den entgangenen Rentenansprüchen ein denkbar schlechtes Geschäft wäre, über diesen Weg früher auszusteigen. Er verkennt zudem, dass es die Aufgabe und die Verantwortung des Arbeitgebers ist, die Beschäftigten solange wie möglich im Betrieb zu halten.

Schließlich halten wir es für grundfalsch, an der Rente erst ab 67 für alle anderen fest zu halten. Denn nur etwa ein Drittel erfüllt die Bedingungen für die Rente für besonders langjährig Versicherte, bei den Frauen nur knapp 14 Prozent. Von denen, die weiter arbeiten müssen, sind aber im Alter von 64 Jahren gerade noch 16,2 Prozent in sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung. Für alle anderen gilt weiterhin die Rente erst ab 67 und vor allem weiter steigende Abschläge und eine größere Gefahr, in Altersarmut zu geraten. Es bleibt deshalb dabei: Die Rente erst ab 67 muss weg – ohne wenn und aber. Außerdem brauchen wir flexible, sozial abgesicherte Übergänge vor Vollendung des 65. Lebensjahres für die, die lange Beiträge gezahlt haben und die, die nicht mehr können.

Verbesserung des Erwerbsminderungsschutzes:

Bei den Erwerbsminderungsrenten, die sich seit Jahren im Sinkflug befinden, gehen die Verbesserungen ebenfalls in die richtige Richtung, aber nicht weit genug: Hier wird die Zurechnungszeit, mit der Betroffene so gestellt werden, als hätten sie bis zu diesem Alter noch gearbeitet, in einem Schritt um zwei Jahre erhöht. Außerdem wird für die letzten vier Jahre vor der Erwerbsminderung nun geprüft, ob das Einkommen sich in dieser Zeit schon verschlechtert hat und diese dann ggf. bei der Berechnung ausgenommen werden. Durch diese Maßnahmen erhöht sich die Erwerbsminderungsrente im Schnitt um 40 Euro brutto im Monat. Das sind ca. 36 Euro netto.

Verbesserungen bei der Erwerbsminderungsrente sind dringend notwendig. Bereits heute liegt der durchschnittliche Zahlbetrag deutlich unter dem Grundsicherungsniveau. Die Regelungen, die die Koalition getroffen hat, gehen aber nicht weit genug. Die Zurechnungszeiten müssen in einem Schritt um drei Jahre auf 63 Jahre verlängert werden. Es müsste also so getan werden, als hätte der oder die Kranke bis 63 durchgehalten, unabhängig davon, wie alt er oder sie beim Eintritt in die Erwerbsminderungsrente ist. Denn erst hier ist für die allermeisten der Eintritt in eine Altersrente frühestens möglich. Und vor allem müssen die ungerechten und systemwidrigen Abschläge weg! Keiner wird freiwillig krank und darf mit Abschlägen bestraft werden. Das würde den Betroffenen im Durchschnitt nicht nur 40 Euro, sondern gemeinsam mit drei Jahren Zurechnungszeit ca. 130 Euro mehr bringen. Das wäre eine deutlich stärkere Verbesserung ihrer Situation und das würde vielen aus der Sozialhilfefalle heraushelfen.

Erhöhung des Reha-Budgets:

Das Budget der Rentenversicherung für Leistungen der beruflichen Teilhabe ist bisher nach oben gedeckelt gewesen. Es wird nun leicht angehoben, langfristig sogar wieder gesenkt. Der Reha-Deckel wird aber nur leicht gelüftet, nicht abgeschafft. Das reicht nicht. DIE LINKE will das Reha-Budget konsequent am Bedarf ausrichten. Das ist dringend nötig, damit die Beschäftigten volle Unterstützung erhalten, gesund und in Arbeit altern zu können – auch bei einem Rentenalter von 65 Jahren.
 

Was nicht drin ist, aber so dringend nötig wäre

Es bleibt bei der massiven Absenkung des Rentenniveaus. Diese Absenkung wird durch das Rentenpaket sogar noch verschärft. Denn durch die Kürzungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel führen Leistungsverbesserungen zur Minderung der Rentenanpassung und damit zur weiteren Absenkung des Rentenniveaus. Eine Rentnerin, die 1.000 Euro Rente im Jahr 2001 bekommen hat, würde 2030 nur noch 810 Euro bekommen. Das Rentenpaket kürzt jetzt ihre Rente noch einmal um zusätzliche 20-25 Euro. Die Gesamtheit der heutigen und zukünftigen Rentnerinnen und Rentner finanziert also die Leistungsverbesserungen des Rentenpakets mit.

Daraus gibt es aus unserer Sicht nur eine notwendige Konsequenz: Die Kürzungsfaktoren in der Rentenanpassungsformel müssen gestrichen werden. Erst dann können Leistungsverbesserungen voll und ganz greifen und kann die gesetzliche Rente wieder lebensstandardsichernd und armutsvermeidend gemacht werden.

Auch die Rente erst ab 67 wird nicht angetastet, obwohl sie für die meisten Beschäftigten nichts als höhere Abschläge und niedrigere Renten bedeuten wird. Es bleibt deshalb dabei: Die Rente erst ab 67 muss weg – ohne wenn und aber!

DIE LINKE wird sich weiterhin vehement dafür einsetzen, dass die Regierung diese zentralen Baustellen endlich angeht und nicht nur hier und da einen Erker am Gebäude der gesetzlichen Rentenversicherung erneuert, während im Fundament ein großes Loch klafft.