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Rentenbesteuerung vereinfachen und Doppelbesteuerung vermeiden!

Im Wortlaut von Matthias W. Birkwald,

Von Mattias W. Birkwald, rentenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Immer mehr Seniorinnen und Senioren müssen einen immer größeren Teil ihrer Rente versteuern und schreiben mir deshalb Protestbriefe. Teils haben sie schon seit Jahren keine Steuererklärung gemacht und verstehen nicht, dass sie wegen der jährlichen Rentenerhöhungen plötzlich in die Steuerpflicht rutschen.

Teils verstehen Rentnerinnen und Rentner auch nicht, warum sie auf die Rente Steuern zahlen sollen und teils haben sie in Fernsehbeiträgen oder Zeitungsartikeln gelesen, dass immer mehr Ältere sogar doppelt besteuert werden.

Ich kann die Kritik und die Sorgen sehr gut verstehen. Aber wie so oft bei der Rente – und noch mehr bei den Steuern – gilt: Die Tücke liegt im Detail und alles ist furchtbar kompliziert!

Zahlen und Fakten

Ich habe also erstmal Zahlen abgefragt: Am 01. Juli werden nur auf Grund der jährlichen Rentenerhöhung 48.000 Ältere erstmals eine Steuererklärung machen müssen und der Bundesfinanzminister wird zusätzlich 410 Millionen Euro mehr einnehmen.Nach Angaben des Finanzministers werden dann insgesamt fünf Millionen Rentnerinnen und Rentner zum Einkommenssteueraufkommen beitragen.

Soweit die Fakten. Vielleicht wird es den Einen oder die Andere überraschen, aber DIE LINKE ist nicht grundsätzlich gegen eine Besteuerung von Alterseinkünften, zu denen Renten ja gehören. Das zu erklären, ist gar nicht so einfach:

Im Jahr 2005 wurde damit begonnen, die Rentenbesteuerung schrittweise auf die sogenannte "nachgelagerte Besteuerung" umzustellen: 

Wer im Jahr 2019 in Rente geht, muss nur 78 Prozent seiner oder ihrer Alterseinkünfte versteuern. Für den Rentenjahrgang 2040 gilt dann aber erstmals, dass die gesamten Renteneinkünfte (100 Prozent) für die Bemessung der Steuerschuld herangezogen werden. Als Faustformel gilt dann wegen des Steuerfreibetrags von 9.168 Euro: Eine alleinstehende Neurentnerin ohne weitere nennenswerte Einkünfte zahlt 2019 bis zu einer Rente in Höhe von 1.170 Euro brutto keinen Cent Steuern. Ihre Nachbarin, die schon 2009 in Rente ging, darf aber 1.381 Euro Rente steuerfrei beziehen.​ So weit, so schlecht.

Rentenbeiträge von der Steuer absetzen

Was aber Viele nicht wissen: Mit der zunehmenden Besteuerung der Renten wird bis 2040 auch die steuerliche Belastung der Rentenbeiträge, die man während des Arbeitslebens zahlt, schrittweise zurückgefahren. Im Steuerchinesisch ausgedrückt heißt das dann, dass man heute nur 88 Prozent seiner Rentenbeiträge von der Steuer absetzen kann und 2040 werden es dann die kompletten Beiträge sein, die man bei der Steuererklärung angeben darf. Wer dann 2070 in Rente geht, kann sich freuen. Er konnte während seines Arbeitslebens ganz viel Rentenbeitrag von der Steuer absetzen und dürfte auf sein gesamtes Leben betrachtet, besser wegegekommen sein, als alle, die heute in Rente gehen.

Warum regen sich dann so viele Rentnerinnen und Rentner auf und was hat es denn mit der Doppelbesteuerung auf sich? 

Erstmal wissen die meisten Menschen gar nicht, dass man immer mehr Rentenbeiträge von der Steuer absetzen kann und zweitens kann es eben in der Übergangsphase bis 2040 und darüber hinaus dazu kommen, dass die Entlastung bei den Steuern auf Rentenbeiträge niedriger ist als die Belastung der späteren Renten mit Steuern. Das nennt man dann Doppelbesteuerung.

Das war der Bundesregierung schon lange bekannt und es gab viele Warnungen. Aber erst in den vergangenen zwei Jahren haben zwei gewiefte Steuerexperten, die Brüder Günter und Werner Siepe, noch einmal genau nachgerechnet und nachgewiesen, dass 2019 bei einer Nettorente von 1308 Euro (Standardrente) Folgendes gilt: 

65.405 Euro der Rente werden nicht besteuert, aber während des Arbeitslebens hat er oder sie auf 84.276 Euro Rentenbeiträge Steuern zahlen müssen. Zu viel besteuert werden also 18.871 Euro der hart erarbeitenden Rente! Wieviel Steuern dann mehr gezahlt werden haben die Siepe-Brüder leider nicht ausgerechnet, aber für uns ist trotzdem klar: 

Die Bundesregierung darf sich vor den Problemen der Rentnerinnen und Rentner nicht mehr wegducken und muss ihre Sorgen endlich ernst nehmen. 

Grundfreibetrag sofort auf 12.600 Euro anheben

Deshalb haben wir für den kommenden Donnerstag einen Antrag ins Plenum des Deutschen Bundestag eingebracht und sind sehr gespannt auf die Argumente der anderen Parteien. 

Der Kern unseres Antrages: Wir fordern die Bundesregierung auf, den steuerlichen Grundfreibetrag von heute 9.168 Euro sofort auf 12.600 Euro anzuheben. Das würde viele kleine Renten komplett von der Steuerpflicht befreien.

Außerdem soll die "nachgelagerte Rentenbesteuerung" nicht schon 2040, sondern erst 2070 abgeschlossen werden. Damit wollen wir die Doppelbesteuerung so weit wie möglich eindämmen. 

Wichtig ist uns auch, dass die Frage, ob Rentnerinnen und Rentner von der Doppelbesteuerung betroffen sind, zukünftig nicht in jahrelangen Gerichtsverhandlungen geklärt werden soll, sondern auf Antrag vom Finanzamt geprüft werden muss! 

Bundesregierung darf Sorgen nicht länger ignorieren

Zu guter Letzt werden wir auch in einer Expertenanhörung darauf dringen, dass Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sich ernsthaft Gedanken macht, wie er die Steuererklärung für Rentnerinnen und Rentner einfacher zu gestalten gedenkt. Dazu gibt es viele gute Ansätze, Modellversuche und Vorschläge von Gewerkschaften, Sozialverbänden und im Bundestag von der LINKSfraktion. Nun gilt es, endlich mit Bürokratieabbau im besten Sinne zu beginnen. 

Ob mich dann weniger Protestbriefe erreichen werden oder nicht: Die Hauptsache ist, die Sorgen und Nöte der Rentnerinnen und Rentner endlich ernst zu nehmen. 

DIE LINKE tut dies seit Langem und ich fordere die anderen Parteien auf, endlich dasselbe zu tun.