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Rente mit 70 bedeutet Schuften bis zum Umfallen

Nachricht von Sabine Zimmermann,

Sabine Zimmermann: "Erhöhungen des Renteneintrittsalters sind versteckte Rentenkürzungen."

 

 

Jede Erhöhung des Renteneintrittsalters bedeutet, dass mehr Menschen ihr Rentenalter gar nicht mehr erleben. Im Jahre 2014 waren 15,8 Prozent aller Gestorbenen 65 Jahre oder jünger; 21,8 Prozent waren 70 Jahre oder jünger.

In den ersten Jahren ihres Rentenalters erliegen gerade Geringverdiener den häufigsten Todesursachen Herzinfarkt und Krebs.

Trotz steigender Lebenserwartung geht nur gut die Hälfte der 60- bis 65-Jährigen einer Erwerbstätigkeit nach.

Eine Erhöhung des Rentenalters auf 67 oder gar 70 Jahre würde daher eine doppelte Rentenkürzung bedeuten. Die Rentenhöhe würde sich für viele weiter vermindern, weil sie in den letzten Jahren vor Renteneintritt gar nicht oder nicht mehr Vollzeit arbeiten; und immerhin jede/r Fünfte würde ein Renteneintrittsalter von 70 Jahren gar nicht erreichen oder kurz danach sterben.


Fakten

1) Lebenserwartung

Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Frage von Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, hervorgeht, verstarben in den Jahren 2005 bis 2014 1.392.271 Menschen (16,3 Prozent aller Gestorbenen) vor Erreichen des 65. Lebensjahres; 963.774 Menschen (11,3 Prozent aller Gestorbenen) sogar vor Erreichen des 60. Lebensjahres.
Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren von allen im Jahre 2014 Gestorbenen 21,8 Prozent 70 Jahre oder jünger. Im Alter zwischen 65 und 70 waren 6 Prozent aller in diesem Jahr Gestorbenen. (Statistisches Bundesamt, „Todesursachen 2014, 15.12.2015, S. 9-11).
Die häufigsten Todesursachen von Personen zwischen dem 50. und 75. Lebensjahr sind mit dem Herzinfarkt, Magen- und Lungenkrebs Krankheiten (s.o. „Todesursachen“, S. 9-10), unter denen Menschen mit niedrigem sozioökonomischem Status signifikant häufiger leiden als sozial Bessergestellte (Gesundheitsberichterstattung des Bundes „Gesundheit in Deutschland“, Robert Koch Institut, 2015, S. 150).
Das Statistische Bundesamt rechnet mit einer durchschnittlichen (arm, reich, Ost, West) Steigerung der Lebenserwartung bis 2060 von 7 Jahren für Männer bzw. 6 Jahren für Frauen (https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/ Bevoelkerung/Bevoelkerungsvorausberechnung/ Sterblichkeit.html); außerdem mit einer durchschnittlichen Lebensarbeitszeit rund 40 Jahren für Männer und rund 35 Jahren für Frauen („Frauen und Männer auf dem Arbeitsmarkt – Deutschland und Europa“, Statistisches Bundesamt, Oktober 2012, S. 54).


2) Erwerbsbeteiligung

In der Altersgruppe der 60- bis 65-Jährigen lag 2014 die Erwerbstätigenquote (Erwerbspersonen minus Erwerbslose, also Personen, die tatsächlich einer Erwerbstätigkeit nachgehen) bei 52,9 Prozent. Dieser Wert fällt gegenüber dem Vergleichswert für die Altersgruppe der 55- bis 60-Jährigen (76,9 Prozent) schroff ab. („Ältere am Arbeitsmarkt“, BA, Oktober 2015, S.9)
Ähnlich deutlich ist der Abfall in der Beschäftigungsquote (sozialversicherungspflichtig Beschäftigte) von 58,0 Prozent für die 55- bis 60-Jährigen auf 35,6 Prozent in der Gruppe der 60- bis 65-Jährigen. („Der Arbeitsmarkt für Ältere“, BA, Februar 2016, S. 7).
In der Gruppe der 60- bis 65-Jährigen steigt ebenfalls deutlich die Bedeutung der Minijobs: in dieser Altersgruppe kommen 34 Minijobs auf 100 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte; in der Gruppe der 55- bis 60-Jährigen liegt dieses Verhältnis nur bei 1:5. (Bei den über 65-Jährigen dann kommen 4,7 Minijobber auf einen sozialversicherungspflichtig Beschäftigten („Ältere am Arbeitsmarkt“, BA, Oktober 2015, S.9 und 14).)


Kommentar

Dazu erklärt Sabine Zimmermann, stellvertretende Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag:

„Viele Menschen sterben heute schon, bevor sie das Rentenalter erreichen. Viele andere können den Ruhestand nicht lange genießen. Das betrifft gerade Menschen mit niedrigen Einkommen. Jede Erhöhung des Renteneintrittsalters bringt insbesondere Geringverdienende um die Früchte ihrer Arbeit.

Die aktuellen Zahlen zeigen auch, dass schon heute ein Arbeiten in Vollzeit bis zum Renteneintrittsalter für die meisten nicht möglich ist. Was wir brauchen ist Arbeit für über 60-Jährige und keine Erhöhung des Renteneintrittsalters.

Diese Erhöhungen sind versteckte Rentenkürzungen. Das hat man deutlich bei der Einführung der Rente mit 67 gesehen. Dort hat man den Menschen schon zwei Jahre Rente gestohlen. Nötig ist stattdessen eine Erhöhung des Rentenniveaus auf 53 Prozent und eine armutssichere Mindestrente, die es allen erlaubt, ihren Lebensabend in Würde zu verbringen. Die Rente mit 67 gehört abgeschafft, ebenso die Kürzungsfaktoren in der Rentenformel.“


Ergänzende Daten

Auswertung von Daten aus „Todesursachen in Deutschland 2014“,
destatis Fachserie 12 Reihe 4


Gesamtzahl der Gestorbenen 2014 = 868.356 = 100%

Davon:
unter 60 Jahre:    90 701 = 10,5%
unter 65 Jahre:   136 560 = 15,7%
unter 70 Jahre:   188 443 = 21,8%
unter 75 Jahre:    279 246 = 32,2%

zwischen 50 und 65:   103 147 = 11,9%
zwischen 50 und 70:   155 030 = 17,9%
zwischen 60 und 70:    97 742 = 11,2%
zwischen 65 und 70:    51 883 = 5,9%

85 und älter:    313 421 = 36,1%
80 und älter:    458 106 = 52,8%
75 und älter:    589 110 = 67,9%

Durchschnittliche Lebenserwartung der untersten Einkommensgruppe laut Sozio-ökonomischem Panel SOEP (bis 60% des Nettomedianeinkommens): 70,1 Jahre (Männer) und 76,9 Jahre (Frauen) (Vgl. „Gesundheit in Deutschland“, S. 24).

Nach Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 67 Jahre bleiben diesen Menschen also statistisch gesehen ein Rentenbezug von 3 Jahren (Männer) bzw. 10 Jahren (Frauen). Bei Erhöhung des Renteneintrittsalters auf 70 Jahre blieben den betreffenden Männern nach jetzigem Stand 0,1 Jahre Rentenbezug.

linksfraktion.de, 27. April 2016