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Regieren im sozialpolitischen Blindflug

Nachricht von Katja Kipping,

Die Gesellschaft driftet weiter auseinander und die herrschende Politik tut zu wenig, um diese Entwicklung zu stoppen. Zu dieser Einschätzung kommt der Paritätische Wohlfahrtsverband in einem aktuellen Gutachten zur sozialen Lage in Deutschland. Der soziale Zusammenhalt sei akut gefährdet. Für die Regierenden sei soziale Gerechtigkeit seit Jahren ein Fremdwort, stellt Katja Kipping fest.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband spricht im Jahresgutachten 2014 von alarmierenden Ergebnissen. "Hinter den volkswirtschaftlichen Erfolgsbilanzen verbirgt sich eine fortschreitende Spaltung der Gesellschaft. Immer größere Bevölkerungsgruppen werden sozial abgehängt, der Trend ist bedrohlich", stellte der Verfasser des Gutachtens fest. Die Armutsquote habe mit 15,2 Prozent einen Höchststand erreicht. Erwerbslose (59,3 Prozent) und Alleinerziehende (41 Prozent) seien besonders armutsgefährdet, so die Studie. Jeder zehnte Erwachsene sei überschuldet.

"Das soziale Bindegewebe, der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält, bröckelt", warnt der der Paritätische. Das gefährde langfristig auch den Wirtschaftsstandort Deutschland.

"Die Worte sind drastisch, sehr deutlich und wahr", stellt Katja Kipping fest. "Damit bekommt die Regierungspolitik der letzten Jahre, ob nun schwarz-gelb oder schwarz-rot, einmal mehr ins Stammbuch geschrieben, dass soziale Gerechtigkeit für sie ein Fremdwort ist. Dass sie so gut wie nichts tut, die soziale Lage der Mehrheit der Bürgerinnen und Bürger zu verbessern, Kinder- und Altersarmut zu verhindern, für gute Arbeit, gerechte Löhne und sichere Rente zu sorgen, Vermögende stärker zu besteuern zum Wohle alle."

DIE LINKE fungiere als soziale Alarmanlage, weil sie Politk daran messe, ob sie geeignet ist, mehr soziale Gerechtigkeit zu schaffen. In Deutschland gebe es keinen Reformstau, sondern einen Gerechtigkeitsstau.

Zur zunehmenden Ungleichheit in Deutschland trägt auch die Lohnentwicklung in Deutschland bei. "Seit den Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 ist in Deutschland ein riesiger Billiglohnsektor entstanden", erklärt Klaus Ernst. "Viele Menschen könnten von ihrem Lohn ohne staatliche Zuschüsse gar nicht mehr leben." Laut  der kürzlich veröffentlichten Luxemburg Income Study Database (LIS) haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Deutschland seit den 1990er-Jahren faktisch keine Lohnzuwächse mehr verzeichnen können.

Der Paritätische Wohlfahrtsverband kritisiert zudem, dass es noch nie so viele Erwerbstätige gegeben habe, aber ebenfalls noch nie so viele prekäre Tätigkeiten und Teilzeitbeschäftigungen. "Prekarität hat unterschiedliche Gesichter", sagte Katja Kipping in dieser Woche im Interview mit linksfraktion.de. "Das betrifft sowohl Menschen, die am Laptop arbeiten, als auch mit dem Wischmopp. Ich spreche auch von einer umsichgreifenden Unkultur der Angst, die disziplinierend wirkt und Fähigkeiten wie Menschlichkeit unterdrückt. Mögliche Schritte in eine angstfreie Gesellschaft wären: Abschaffung der sachgrundlosen Befristungen, kürzere Arbeitszeiten für alle, ein garantierter Schutz vor Armut, zum Beispiel in Form von Mindestrente und sanktionsfreier Mindestsicherung."

linksfraktion.de, 25. April 2014