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»Reduzierung der Mittel für friedliche Außenpolitik ist ein schlechtes Zeichen«

Im Wortlaut von Michael Leutert,

Michael Leutert, für DIE LINKE Mitglied im Haushaltsausschuss des Bundestages, über die Haushaltsberatungen für das Jahr 2015 und die Entwicklung der deutschen Außen- und Verteidigungspolitik vor dem Hintergrund neuer Krisen und Konflikte

 

Sie sind für die Fraktion DIE LINKE im Haushaltsausschuss für alle Ministerien zuständig, die mit internationaler Politik zu tun haben: Das Auswärtige Amt, das Verteidigungsministerium und das Entwicklungsministerium. Angesichts der Situation im Irak und in der Ukraine stehen diese Bereiche mehr denn je im Brennpunkt. Verteidigungsministerin von der Leyen (CDU) sieht ihr Ressort vor vielen neuen Aufgaben. Erleben wir eine weitere Militarisierung der deutschen Politik?

Michael Leutert: Natürlich nehmen wir als LINKE diese Debatten kritisch wahr. Da aber im Entwurf des Bundeshaushalts 2015 für das Verteidigungsministerium keine zusätzlichen Gelder bereit gestellt werden, kann ich rein anhand der Zahlen den Eindruck nicht bestätigen. Davon unabhängig ist es unsere Aufgabe als LINKE, als Gegenentwurf zur angestrebten Regierungspolitik das Völkerrecht wieder in den Mittelpunkt zu rücken. Die UNO muss in die Lage versetzt werden ihre Aufgaben laut UN-Charta, insbesondere Konfliktregulierung, zu erfüllen. Das muss sich auch im Haushalt niederschlagen.

Welche Rückschlüsse ergeben sich aus dem Entwurf des Bundeshaushalts 2015 auf die Entwicklung der deutschen Außenpolitik?

Die eine große Gesamtstrategie, die in den drei Bereichen planmäßig umgesetzt wurde, gibt es sicher nicht. Dazu spielen auch zu viele Faktoren wie feste Ausgaben, der Sparkurs der Bundesregierung, mit dem Ziel 2015 ohne Nettoneuverschuldung auszukommen, oder auch Rivalitäten zwischen Ministerien eine Rolle. Allgemeine Tendenzen und Entwicklungen werden eher im Vergleich und durch die Summe einzelner Haushaltstitel in den drei Etats deutlich. 

Was lässt sich dort erkennen?

Nehmen wir den Etat des Auswärtigen Amts. Der soll im Vergleich zum laufenden Jahr um 219 Millionen Euro auf 3,4 Milliarden Euro sinken. Das ist gerade angesichts der aktuellen Krisen und Konflikte ein völlig falsches Signal. Der Instrumentenkoffer ziviler Außenpolitik braucht nicht weniger, sondern mehr Mittel. Zumal der Anteil des Auswärtigen Amts am Gesamthaushalt gerade mal bei 1,1 Prozent liegt. Darauf hinzuweisen ist wichtig, allerdings reicht es nicht aus. Darüber hinaus machen wir unsere Kritik am Kurs der Bundesregierung an konkreten Punkten fest.

Welche sind das?

Zum Beispiel gehen die Kürzungen mit 118 Millionen Euro hauptsächlich zulasten der humanitären Hilfe und Krisenprävention. Das ist eine Reduzierung der Mittel um 38 Prozent. Angesichts der Flüchtlingskatastrophen in Syrien, im Irak oder im Südsudan steht das im Widerspruch zu den Bekundungen der Bundesregierung, mehr humanitäre Hilfe leisten zu wollen. Dafür ist im Haushalt nicht nur einmal vom "selbstbewussten Eintreten für die unveräußerlichen und universellen Menschenrechte" die Rede. Diese auffällige Formulierung lässt sich durchaus als Hinweis auf die von Steinmeier und von der Leyen auf der Münchener Sicherheitskonferenz 2014 angekündigte "aktive Außenpolitik" Deutschlands verstehen.

Humanitäre Hilfe ist auch eine Aufgabe der Entwicklungspolitik. Setzt sich die Tendenz, das Engagement dafür zurückzufahren, dort fort?

Ja, tut sie. Die Sonderinitiative "Fluchtursachen bekämpfen, Flüchtlinge reintegrieren" wird um zehn Millionen Euro reduziert. Zusammen mit dem Auswärtigen Amt sind das also sogar 128 Millionen weniger. Insgesamt stagniert der Entwicklungsetat bei 6,4 Milliarden Euro. Die Bundesregierung verkauft das als Erfolg. Doch es war und ist viel zu wenig, um das selbstgesteckte Ziel – ein Anteil von 0,7 Prozent der öffentlichen Ausgaben für Entwicklungs­zusammen­arbeit am Bruttonationaleinkommen – bis nächstes Jahr zu erreichen. Vieles von dem, was Entwicklungsminister Gerd Müller über sozial-ökologische Verantwortung sagt, klingt gut. Der Haushalt zeigt nur leider erneut, dass sein Wort in der Regierung kein Gewicht hat.

Verteidigungsministerin von der Leyen hat mehr als einmal außen- und sicherheitspolitische Ambitionen gezeigt und einem stärkeren militärischem Engagement Deutschlands das Wort geredet. Profitiert ihr Ministerium im Gegensatz zu den beiden anderen im Haushaltsentwurf 2015?

Der sieht für das Verteidigungsministerium sogar leichte Kürzungen um 174 Millionen Euro vor. Und das, nachdem die Koalition schon Ende Juni in letzter Minute von der Leyen 400 Millionen Euro aus dem Haushalt 2014 gestrichen hatte. Dennoch wäre der Eindruck einer friedenspolitischen Wende der Bundesregierung falsch. Die Etatsenkung ist im Kern auf die Beendigung des ISAF-Einsatzes der Bundeswehr in Afghanistan zurückzuführen. Dadurch sinken die Ausgaben für internationale Einsätze um 315 Millionen, das sind 75 Prozent. Weil dies lang geplant war, ermöglicht es keine Rückschlüsse auf die künftige Politik. Dafür gibt es im Verteidigungsetat andere Punkte, die wir als LINKE kritisieren können und müssen.

Welche sind das?

Zum Beispiel die großen Rüstungsvorhaben wie der Eurofighter oder der NH90. Insgesamt sind es 15 Projekte. Weil Entwicklungskosten und -dauer völlig aus dem Ruder gelaufen sind, hat von der Leyen nicht einen Statusbericht ihres Ministeriums zu den Rüstungsvorhaben gebilligt. Sie liegen auf Eis. Trotzdem sind dafür 2015 nicht nur erneut Ausgaben vorgesehen, sie steigen sogar. Das ist Verschwendung. Wir fordern ein Ausgabemoratorium. Ein weiterer Punkt ist die Nachwuchswerbung. Die Mittel dafür steigen erneut. Darunter fallen eindeutig auf Kinder und Jugendliche gerichtete Maßnahmen wie das Bundeswehr-Adventure-Camp oder TV-Werbung in Serien wie South Park und How I met your mother. Das lehnen wir LINKE klar ab.

Wenn Sie die einzelnen Punkte zusammenfassen, wie lautet Ihre Schlussfolgerung?

Die seit Anfang des Jahres zu hörenden Stimmen, Deutschland müsse sich – auch militärisch – stärker international engagieren, schlagen sich noch nicht deutlich im Haushaltsentwurf 2015 nieder. Allerdings ist die Reduzierung der Mittel für friedliche Außenpolitik und humanitäres Engagement in diesem Zusammenhang ein schlechtes Zeichen. Als LINKE werden wir im Haushaltsausschuss Anträge einbringen, die Ausgaben dort nicht zu senken. Die jüngsten Forderungen einiger Koalitionsabgeordneter, den Verteidigungsetat wegen der aktuellen Konflikte aufzustocken, sind angesichts der neuen Zahlen nicht nur politisch falsch, sondern auch haushälterisch nicht stichhaltig.


linksfraktion.de, 8. September 2014