Von Diana Golze, kinder- und jugendpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE
„Na da hätten Sie aber schon früher kommen müssen. Versuchen Sie es im nächsten Jahr nochmal.“ Diese Aussage hörte ich von der Leiterin einer Kita, als ich meinen damals einjährigen Sohn für einen Betreuungsplatz anmelden wollte - mitten in Brandenburg, dem Land mit den meisten Kitaplätzen im Vergleich der Bundesländer. Man müsse sich schließlich anmelden, wenn man noch schwanger sei, rief sie mir noch hinterher, als ich fluchtartig die Einrichtung verließ. Das war im September 2009.
Nun versuche ich mir mal das Jahr 2013 vorzustellen. 2013 soll jedes Kind ab dem 1. Geburtstag einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz haben. Überall. Selbst eine freundlicher gestimmte Kita-Leiterin wird dann einem großen Teil der Eltern eine ähnliche Auskunft geben müssen: Denn wenn keine Plätze frei sind, ist eben nichts zu machen. Genau das ist aber vielerorts noch traurige Realität.
Auch im Jahr 2010 kommt ein Kitaplatz in vielen Städten in Nordrheinwestphalen oder in Niedersachsen, in Bayern oder in Baden Württemberg einem Lottogewinn gleich. Denn die bereits von Rot-Grün beschlossene Schaffung zusätzlicher Betreuungsplätze lief vor allem in den westlichen Bundesländern schleppend. Zielsetzung war damals, dass bereits ab 2010 jedes Kind ab dem 2. Geburtstag einen Rechtsanspruch haben sollte.
Das waren sehr optimistische Ziele - zu optimistische, wie sich herausstellen sollte. Denn vor allem in den alten Bundesländern gab es nach wie vor große Blockaden, deren Ausmaß in Wortschöpfungen wie „Rabenmütter“ deutlich wird. Doch dann kam ja die große Stunde von Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen und der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD. Unumwunden muss man zugeben, dass sie es geschafft hat, die öffentliche Kindertagesbetreuung aus der Schmuddelecke zu holen. Im Jahr 2008 wurde das sogenannte Kinderförderungsgesetz mit hoher gesellschaftlicher Akzeptanz beschlossen - ein Gesetz voller Tücken und Pferdefüße. Zwar soll es den Rechtsanspruch ab dem 1. Lebensjahr sichern, dieser wurde aber auf das Jahr 2013 nach hinten verschoben. Dies mag politisch nicht klug gewesen sein - aber den Realitäten angemessen. Die finanziellen Mittel, die der Bund dafür in die Hände nehmen wollte, waren von Beginn an unzureichend - sie hatten aber vor allem nichts mit den Realitäten in den Ländern und in den Kommunen zu tun. Daher rechnete man sich die Zahlen schön. Das Bundesfamilienministerium ging davon aus, dass ca. ein Drittel der Eltern ihr Kind auch tatsächlich in die Kita bringen wollen. Demzufolge wurde angestrebt, 750.000 neue Plätze zu schaffen. Wie sich jetzt zeigt, hat das nichts mit den Realitäten der Menschen zu tun. Denn jetzt wird deutlich, dass weit mehr Eltern planen, ihre Kinder stundenweise in einer öffentlichen Einrichtung betreuen zu lassen. Umfragen sprechen von bis zu 66 Prozent. Das würde einen Bedarf von 1,3 Millionen zusätzlichen Kitaplätzen bedeuten. Zusätzliche Finanzierung durch den Bund? Fehlanzeige.
Für die Kommunen kommt es so richtig dicke: Nicht nur, dass im Jahr 2013 die Eltern bei ihnen an die Tür klopfen werden, um den Rechtsanspruch ihrer Kinder durchzusetzen. Sie werden auch noch durch zusätzliche Kosten für mehr Betreuungspersonal belastet. Der Sprecher der frisch gebackenen Bundesfamilienministerin Christina Köhler meinte, die Kommunen würden das schon schaffen. Der Mann ist entweder Berufsoptimist oder hat seinen Silvesterrausch noch nicht recht überstanden.
Da ich inzwischen für meinen Sohn einen tollen Kitaplatz gefunden habe, könnte ich mich entspannt zurücklehnen und 2013 resümieren: „Ich hab es euch doch gleich gesagt.“. Aber das nützt weder den überforderten Kita-Leiterinnen, noch den Eltern und erst recht nicht den Kindern, um deren Recht auf Betreuung, Erziehung und Bildung es hier schlichtweg geht. Deshalb hoffe ich auf Ausnüchterung im Ministerium und Einsichtsfähigkeit der Tigerentenkoalition.

Rechtsanspruch ohne Gewähr
Kolumne
von
Diana Golze,