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Protestbrief: Es darf keine verlorene Studierenden-Generation geben!

Nachricht von Nicole Gohlke, Amira Mohamed Ali, Dietmar Bartsch,

Seit drei Monaten warten die Studierenden vergebens auf Corona-Nothilfen und auch vom Konjunkturpaket der Bundesregierung haben sie nichts zu erwarten. In einem gemeinsamen Protestbrief haben sich daher Nicole Gohlke und die Vorsitzenden der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, Dietmar Bartsch und Amira Mohamed Ali, an Bundesbildungsministerin Karliczek gewandt. Darin kritisieren Sie die bewusste Untätigkeit des BMBF und warnen vor den sozialen und beruflichen Folgen der ausbleibenden Hilfen für die gesamte Studierenden-Generation.

Offener Protestbrief:

Es darf keine verlorene Studierenden-Generation geben!

 

Sehr geehrte Frau Ministerin Karliczek,

wenn heute Studierende bundesweit auf die Straße gehen, protestieren sie gegen eine Bildungskatastrophe, die sich vor aller Augen abzeichnet und gegen die Sie nichts unternommen haben.

Vor mehr als sechs Wochen haben Sie gemeinsam mit Ihren Kolleg*innen in der Koalition „Überbrückungshilfen“ beschlossen, um Studierende in der Corona-Krise zu unterstützen. Diese Maßnahmen waren von Anfang an unzureichend. Studierendenverbände, die Mitglieder der KMK, sogar ihr eigener Koalitionspartner haben eine Öffnung des BAföG für in Not geratene Studierende gefordert. Sie haben diese Maßnahmen abgelehnt. Vor nunmehr neun Wochen haben Sie die KMK darüber informiert, dass sich die Öffnung des BAföG nicht zeitnah realisieren ließe. Stattdessen haben Sie auf die Vergabe von KfW-Krediten gedrungen und dabei billigend in Kauf genommen, Studierende in die Schuldenfalle zu stürzen. Ein zusätzlicher „Nothilfefonds“ von 100 Mio. EUR sollte besonders stark betroffenen Studierenden Linderung verschaffen.

Geschehen ist seitdem nichts. Im Konjunkturpaket der Bundesregierung tauchen Studierende nicht einmal auf. Ihr Umgang mit den Nothilfen ist stattdessen skandalös: Der mehrfach verschobene Auszahlungsbeginn war für heute angesetzt – aber auch hier blicken Studierende in die Röhre. Was sie stattdessen vorgelegt haben ist unsozial und unnötig bürokratisch. Wer die Hilfszahlungen von 500 EUR pro Monat erhalten möchte, darf faktisch überhaupt kein Geld auf dem Konto haben. Noch immer fehlt es an technischen Werkzeugen, die Auszahlungen in die Wege zu leiten. Dies ist das Gegenteil von schneller Hilfe.

Sie handeln ohne Bewusstsein für die Notlage der Studierenden. Mehrere Umfragen haben ergeben, dass bis zu 40 Prozent aller Studierender während der Corona-Pandemie ein Nebenjob zur Studienfinanzierung weggebrochen ist. Über ein Fünftel kann Nebenkosten und Miete nicht mehr wie bisher bezahlen. Bis zu einem Drittel denkt wegen dieser Beeinträchtigungen darüber nach, das Studium abzubrechen. Wo bleiben hier die Investitionen in Forschung und Bildung, mit denen Sie die Krise überwinden wollen?

Statt die Studierenden als Zukunft von Bildung, Forschung und Wirtschaft unbürokratisch und schnell zu unterstützen, schließen Sie diese de facto von der Corona-Hilfen aus und versperren zukünftigen Studierenden den Weg an die Hochschulen. Zuletzt hat das DIW angemahnt, dass der Wegfall von Nebenjobs die Bildungsungleichheit verstärken könnte und kurzfristige Investitionen gefordert. Ihre Maßnahmen aber erhöhen die finanziellen Hürden, ein Studium aufzunehmen, erneut. Damit steigern sie die in jedem PISA-Bericht herausgestellte hohe soziale Selektivität im deutschen Bildungswesen noch weiter in Richtung eines Zweiklassenstudiums.

Schon vor der Pandemie konnte nur sorgenfrei studieren, wessen Eltern es ihr oder ihm finanziell ermöglichen konnten. Die Folgen des Virus lassen die soziale Schere im Bildungsbereich noch stärker auseinander klaffen. Wir befinden uns mitten in der größten Krise und vor der womöglich tiefsten Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg. Es ist Zeit für ein entschlossenes und grundsätzliches Gegensteuern, nicht für Schönheitsreparaturen. Hören Sie auf die Bedürfnisse der Studierenden und handeln Sie endlich, um die Bildungskatastrophe zu verhindern und allen derzeitigen und künftigen Studierende eine Zukunft zu ermöglichen.

Es darf keine verlorene Studierendengeneration geben!

 

Mit freundlichen Grüßen

Nicole Gohlke, hochschul- und wissenschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende

Dietmar Bartsch, Fraktionsvorsitzender


Den Brief als PDF können Sie hier herunterladen.