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»Privatbanken aus dem Geschäft nehmen«

Im Wortlaut von Michael Schlecht,

Zur Lösung der Euro-Krise müßte eine öffentliche europäische Bank gegründet werden. Ein Gespräch mit Michael Schlecht in junge Welt.

Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy haben sich darauf geeinigt, den Privatbanken nur eine freiwillige Beteiligung an der Griechenland-Rettung abzuverlangen. Sie haben das scharf kritisiert. Warum?

Michael Schlecht: Die Banken spielen nur mit den Regierungen. Wir brauchen keinen freiwilligen Beitrag, weil sich ohnehin niemand daran hält. Schon zu Jahresbeginn haben die deutschen Banken der Kanzlerin versprochen, sie hielten ihre Gelder in Griechenland. Tatsächlich zogen sie kurz darauf viele Milliarden Euro ab und verkauften diese Anleihen bis Ende März an die Europäische Zentralbank (EZB). Sie haben sich von den damaligen Risiken verabschiedet.

Merkel behauptet aber, mit ihrem Lösungsvorschlag ernst machen zu wollen.

Das kann nur eines bedeuten: für die Umschuldung akzeptieren die Banken einen Abschlag. Dafür bekommen sie im Gegenzug vom Europäischen Rettungsfonds zusätzliche Sicherheiten, die von allen Euro-Ländern garantiert werden. So stattet die EU riskante Krisenpapiere mit Bürgschaften der gesamten Euro-Zone aus. Vereinfacht könnte man gleich Eurobonds ausgeben, also Anleihen, die auf alle Mitgliedsstaaten der Währungsunion ausgestellt sind. Das will die Bundesregierung aus ideologischen Gründen aber nicht, deshalb nimmt sie den Umweg über den Rettungsfonds.

Über einen entsprechenden Plan aus dem Bundesfinanzministerium hat aber der Spiegel berichtet ...

Eine tragfähige Lösung ist das nicht. Eine kapitalistische Bank verzichtet nur dann auf Risikozuschläge, also höhere Zinsen, wenn sie dafür größere Sicherheiten bekommt. Das wäre das eben skizzierte Verfahren. Solange aber die Privatbanken im Spiel sind, verlangen sie für jeden Folgekredit an Griechenland erneut einen Risikoaufschlag. Das Problem setzt sich also jedes Mal fort, wenn Athen seine Schulden verlängert. Griechenland braucht eine echte Umschuldung, zu der alle Gläubiger verpflichtet werden. Denn die Zinszahlungen sind für das Land viel zu hoch. Niedrigere Zinsen bekommt man aber nicht, wenn sich die privaten Banken Geld für einen Zinssatz von einem Prozent bei der EZB leihen und für ein Vielfaches davon weiterverleihen.

Was ist die Alternative?

Wir müssen die Privatbanken aus dem Geschäft nehmen. Im ersten Schritt würden wir eine öffentliche europäische Bank gründen, die sich ebenfalls für ein Prozent Geld bei der EZB leiht, es aber ohne Aufschläge für ein Prozent an die Krisenländer weitergibt. Im zweiten Schritt müssen wir den Griechen einen erheblichen Teil ihrer Schulden erlassen, das gälte dann auch für die privaten Gläubiger. Eine direkte Finanzierung bei der EZB würde die Krisenstaaten vor der Despotie der Finanzmärkte schützen.

Die Proteste der Griechen wenden sich mittlerweile direkt gegen Deutschland. Ist die BRD der richtige Adressat?

Diese Proteste sind absolut berechtigt. Der Täter in der Schuldenkrise ist eindeutig die deutsche Wirtschaftspolitik. Das liegt am massiven Lohndumping der letzten zehn Jahre. Hierzulande sind die Lohnstückkosten (Lohnkosten pro produzierter Einheit) um sechs Prozent gestiegen, im Rest des Kontinents aber um 20 bis 30 Prozent. Das hat den deutschen Unternehmern enorme Konkurrenzvorteile verschafft, um günstig in die Nachbarländer zu exportieren. Das Lohndumping hat außerdem die Binnennachfrage in Deutschland selbst stranguliert. Dadurch sind die Importe kaum gestiegen, was die Exporte aus der Euro-Zone in die BRD verringert hat. Aus dieser Schere sind die gewaltigen deutschen Exportüberschüsse von 1,2 Billionen Euro in den letzten zehn Jahren hervorgegangen, die für die anderen Euro-Länder spiegelbildlich Importüberschüsse und zunehmende Außenverschuldung bedeuten. Diese Länder stecken im Euro-Gefängnis, weil sie sich nicht mit der Abwertung ihrer eigenen Währung wehren können. Die schlimmen Auswirkungen der Agenda 2010 treffen also nicht nur uns, sondern auch unsere europäischen Nachbarn.

Wäre es da für die Krisenstaaten nicht besser, aus dem Euro auszusteigen?

Das würde ihre Wettbewerbsposition verbessern, aber ihre Auslandsschulden vervielfachen. Klar ist aber: Der Widerstand in Südeuropa kann das deutsche Kapital zur Umkehr zwingen. Denn ohne Euro ist dessen Wettbewerbsvorteil dahin.

 

Interview: Mirko Knoche