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Pflege ist keine Privatsache

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In der Pflegepolitik legt die Bundesregierung Tempo vor: Das sogenannte Pflegestärkungsgesetz wurde verabschiedet, Anfang 2015 soll das Gesetz zur Vereinbarkeit von Familie, Pflege und Beruf in Kraft treten. Des Weiteren steht die Reform der Pflegeausbildung auf der Agenda und die Neudefinition des Pflegebedürftigkeitsbegriffs. Das klingt nach Bewegung, das Problem dabei: Der dringend notwendige Paradigmenwechsel für eine gute Pflege bleibt aus.

Von Julia Garscha

 

Die Frage, was gute Pflege heißt, ist an sich keine politische. Sie muss fachlich und sie muss von auf Pflege angewiesenen Menschen beantwortet werden. Sie wird dann zu einem politischen Thema, wenn nicht alle die gleichen Möglichkeiten haben, dem individuellen Bedarf entsprechende Pflege und Unterstützung zu erhalten. Solange die Pflegeversicherung aber nur einen Teil der anfallenden Kosten abdeckt, ist keine wirkliche Entscheidungsfreiheit gegeben: nicht für die Pflegebedürftigen und auch nicht für ihre Angehörigen. Gute Pflege darf aber nicht von den eigenen finanziellen Möglichkeiten abhängig sein.

Pflegebedürftig zu werden und zu sein, ist für die Betroffenen mit Unsicherheiten verbunden. Beispielsweise den Alltag nicht alleine meistern zu können, auf Hilfe und Unterstützung von anderen angewiesen zu sein. Für viele ist das unangenehm. Auch für die Angehörigen oder für Freundinnen und Freunde ist das keine einfache Situation. Nicht wenige versuchen, die schlechten Rahmenbedingungen der pflegerischen Versorgung zu kompensieren, oftmals bis an den Rand der eigenen körperlichen aber auch finanziellen Belastungsfähigkeit.

Die Familie als Hauptort der Pflege, darauf zielt die Pflegeversicherung ab, und diesesVerständnis liegt auch der aktuellen Reformpolitik der Bundesregierung zugrunde. Sie geht davon aus, dass auch zukünftig die Pflegearbeit hauptsächlich vom familiären Umfeld geleistet wird: von Töchtern, Schwiegertöchtern, Ehefrauen, Partnerinnen, vor allem also von Frauen. Geschlechterrollen und Familienbilder verändern sich. Die Pflegepolitik muss hier nachziehen und Pflege als Teil der öffentlichen Daseinsvorsorge und damit als gesellschaftliche Aufgabe anerkennen, die solidarisch finanziert werden muss.

Die Herausforderungen in der Pflegepolitik können nicht gemeistert werden, solange nicht über Fragen der Umverteilung von Reichtum diskutiert wird. Das Konzept der Bürgerinnen- und Bürgerversicherung, in die alle, auch die heute privat Versicherten, mit all ihren jeweiligen Einkommen gerecht einzahlen, schafft die Voraussetzung für gute Pflege. Alle könnten nach ihren individuellen Bedürfnissen versorgt werden, Pflegebedürftige und ihre Angehörigen könnten sich unabhängig von finanziellen Erwägungen überlegen, wie sie ihre Pflegebeziehung gestalten wollen.

Der Text erscheint in der aktuellen Ausgabe von LOTTA, dem frauenpolitischen Magazin der Fraktion.

linksfraktion.de, 1. Dezember 2014