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Oxi!

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

 

Von Klaus Ernst, stellvertretender Vorsitzender der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

In Griechenland siegt die Würde über die Erpressung, Mut über die Angst, Selbstbewusstsein über Demütigung! Ein gutes Signal, denn das Nein der Griechen zu Merkel und Co. ist ein Ja für Europa!

Danke an die Griechen! Ihr Nein zur europäischen Austeritätspolitik ist ein Befreiungsschlag für Europa. Die Bürger selber haben eine politische Entscheidung gefällt, die der zerstörerischen Auflagenpolitik der neoliberalen Technokraten der EU und des IWF ein Stoppschild zeigt und Merkel mit ihrer irrsinnigen Sparpolitik in ihre Schranken weist.

Die Griechen haben gesagt, wir akzeptieren nicht, dass nicht legitimierte so genannte Institutionen und einzelne Machthaber in Europa aller Welt ihren Stempel aufdrücken und sich anmaßen, die Regeln des europäischen Zusammenlebens zu diktieren. Die Griechen akzeptieren nicht mehr, dass einige Wenige ihre falschen Dogmen durchpeitschen, die den Griechen und anderen das Blut aus den Adern saugen, sie verarmen lässt und für Jahrzehnte handlungsunfähig macht. Die Griechen akzeptieren nicht, dass sie und Regierung ihrer Souveränität beraubt werden. Oxi!

Eine Chance für Europa

Das griechische Nein ist eine Chance, demokratische und zivile Gepflogenheiten in der europäischen Politik einzuführen. Es ist eine Chance auf einen Paradigmenwechsel, der seit langem überfällig ist.

Merkel, Schäuble und Co. peitschen eine ewig gestrige falsche Politik durch, die Europa spaltet. Austerität ist das falsche Dogma: Sparen, Kürzen, Lohndumping. Eine schwächelnde oder gar kranke Wirtschaft wird daran zerbrechen. Arbeitnehmer, Rentner, Arbeitslose auch. Die Medizin, die man aufzwingt, vergiftet den Patienten. Gegen alle ernsthaften Wirtschaftstheorien halten Merkel, Schäuble und die Institutionen am desaströsen Kurs fest. Niemals hat man versucht, Griechenland zu helfen. Griechenland, wie auch Spanien, Portugal und andere, wurden ausschließlich erpresst, das absolut Falsche zu machen, um die Banken und Gläubiger zu befriedigen. Dieses Szenario wurde zum Machtkampf hoch stilisiert. Unterwerfen sie sich oder widersetzen sie sich? Wollen die Bürschelchen aus Athen sich ernsthaft Frau Merkel, Junker und Madame Lagarde in den Weg stellen? Ja, wollen sie und haben sie, zusammen mit ihren Bürgerinnen und Bürgern! Sie haben Recht und sie sind im Recht! Und andere können folgen. Spanien kann die nächste Hürde sein, an der die alte falsche Hierarchie zerbricht.

War es ein ideologischer Kampf, ein politisches Widersetzen, wie hier der Vorwurf aus der etablierten Politik lautete? Ideologisch war er nicht - von griechischer Seite. Tsipras hat sachlich einfach Recht. Politisch war er allemal. Denn es geht um den Widerstand gegen eine politische Hegemonie, die sachlich im Unrecht ist.

Erschreckend war, wie der Machtkampf zwischen David und Goliath ausgetragen wurde. Es gab keine Objektivität, keine Sachorientierung in der Politik und fast auch nicht in der Berichterstattung. Selten wurde so viel gelogen von den Machthabern auf höchster Ebene und ihren Speichelleckern. Ob Junker, Schulz, Gabriel oder andere: Sie haben gelogen. Entgegen ihrer Behauptungen gab es von der Troika die Forderung nach Kürzung der Renten und Anhebung der Mehrwertsteuer. Und es gab keine Offerte auf zusätzliche 35 Milliarden neuer Gelder. Die Forderungen der Institutionen waren unannehmbar.

Das Votum Griechenlands akzeptieren

Man weiß nicht, ob sich die Herrscher Europas einer demokratischen Abstimmung beugen werden und nun endlich mit der griechischen Regierung nach Maßnahmen suchen, die ökonomische Perspektiven eröffnet und einer Verarmung der Bevölkerung vorbeugt. Man weiß nicht, ob die Tonangeber der europäischen Politik überhaupt das kleine Einmaleins der Ökonomie kennen. Bisher hatte man nicht den Eindruck. Bei jedem kleinen Insolvenzverwalter kann man das to do erfragen: ganz normaler Insolvenzplan ist angesagt. Teilweise Schuldenschnitt, Umschuldung mit langen Laufzeiten, preiswerte Kreditzufuhr, neues Wachstum für Konsolidierung und Aufbau. Und wenn man wirklich helfen will, gibt man Geld für Investitionen.

Griechenland braucht sofort Liquidität. Die Menschen brauchen Geld, um zu leben. Die Gefahr ist sehr groß, dass trotz der Abstimmung der Griechen gegen die Troika-Auflagen, die Erpressung weitergeht. Wird man versuchen, sie auszuhungern, damit sie den Euro verlassen? Man muss für alles gewappnet sein. Der Gegner ist entschlossen und offensichtlich auch brutal.

Es ist unsere Aufgabe, hier in Deutschland Druck zu machen, dass unsere Regierung das Votum der Griechen akzeptiert. Griechenland will im Euro bleiben und muss sofortige Finanzmittel erhalten. Alles andere wäre eine Katastrophe - für Griechenland und die europäische Idee. Und Merkel? Sie wäre Hauptverantwortliche für das Auseinanderbrechen Europas.


linksfraktion.de, 6. Juli 2015