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Enttäuscht: Mesut Özil

Özils Rücktritt – Worüber wir eigentlich reden müssen

Im Wortlaut von Gökay Akbulut,

Von Gökay Akbulut, integrations- und migrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Das Treffen von Özil und Erdogan und das inszenierte Foto habe ich von Anfang an kritisiert. Wer sich während des türkischen Wahlkampfs gemeinsam mit Erdogan ablichten lässt, muss berechtigterweise mit Kritik rechnen. Özil hätte als Person des öffentlichen Lebens auf einen Auftritt mit solch einer politischen Aussagekraft verzichten sollen. Für tausende Oppositionelle, die unter dem AKP-Regime leiden, ist dieses Verhalten untragbar. 

Rechtspopulistisch eingefärbt: die Frage der Zugehörigkeit

Die Debatte, die hierzulande nach der Rücktrittserklärung Özils geführt wird, ist aber eine heuchlerische, wenn es dabei um Fragen von Integration geht. Denn während die Bundesregierung die Türkei selbstverständlich weiterhin als Partner versteht und Waffenexporte billigt, wird der Fall von einem Fußballspieler, der außer seiner deutschen eben auch eine türkische Identität lebt, instrumentalisiert. Die Frage nach seiner Zugehörigkeit zu Deutschland wird gestellt – und wer darüber entscheiden darf.

Die Moral, mit der hier debattiert wird, ist scheinheilig und gleichermaßen typisch für das, was Özil erlebt hat: Rassismus.

Wir erleben eine rechtspopulistisch gefärbte Debatte und da überraschen Forderungen nicht, die laut werden: Entscheide dich, Özil, bist du türkisch oder deutsch?! Das kennen wir –  Deutsche mit divers-kulturellem Hintergrund erleben das alltäglich. Bei guter Leistung wird die Zugehörigkeit kaum in Frage gestellt, sobald Fehler passieren, wird die Debatte darum aber oft fatal. 

Integration ist keine Einbahnstraße

Deutschland hat in großen Teilen eine kulturell vielfältige Gesellschaft. Warum diese Realität bisher nicht in den Köpfen verwurzelt ist, das ist die Frage, die wir uns stellen müssen. Was als "Integration" beschrieben wird, ist keine Einbahnstraße. Hier müssen sich nicht einige Wenige in eine vermeintlich einheitliche Masse unterordnen. Die gesamte Gesellschaft muss an einem respektvollen Umgang miteinander arbeiten, um sich als Ganzes zu verstehen. Rechtspopulistische Stimmen halten dagegen und spalten. Wenn wir das nicht bekämpfen, wird sich diese Debatte immer wiederholen. Diese Aufgabe ausschließlich auf Menschen mit divers-kulturellem Hintergrund abzuwälzen, ist falsch. 

Özils Rücktritt skizziert ein Paradebeispiel für die Funktion von Rassismus. Was mich an dem Rücktritt von Mesut Özil bewegt, ist der fehlende Respekt. In der Debatte wirft er vor allem dem DFB-Vorsitzenden Grindel vor, ihn unter Druck gesetzt zu haben. Als Fußballspieler hat Özil sportliche Leistungen erbracht, das ist seine Rolle. Der DFB-Vorsitzende Grindel hätte ihn in seiner Funktion vor unangemessener Kritik schützen müssen, statt ihn für seine Agenda zu benutzen. Das hat er aber nicht getan; auch das ist eine Realität, die viele erleben. Aus der Gunst zu fallen, kann schnell bedeuten, nicht mehr selbstverständlich "dazuzugehören". Die Debatte um Identität und Zugehörigkeit muss auf allen Ebenen geführt werden. Denn es stellt sich uns allen die Frage: In welcher Gesellschaft wollen wir miteinander leben?