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"Nur Distanz zu den USA sichert Deutschlands Gewicht"

Im Wortlaut von Norman Paech,

Norman Paech, Außenexperte der Linken, wehrt sich gegen den Vorwurf, seine Partei sei realitätsfern

Die neue Partei Die Linke sieht sich immer härteren Vorwürfen aus anderen Parteien ausgesetzt, sie verfolge eine realitätsfremde Politik - insbesondere auf außenpolitischen Gebiet. Norman Paech, Außenexperte der Linksfraktion im Bundestag, setzt sich mit diesen Angriffen auseinander.

Herr Paech, trifft Sie der jüngste Vorwurf des Bundesaußenministers, Ihre Partei tendiere außenpolitisch zum Nationalismus?

Der Minister hat offensichtlich keine Ahnung, was die Linke will. Unser außenpolitisches Konzept umfasst drei Säulen. Erstens absolute Geltung des Völkerrechts, wovon sich die Bundesregierungen in den letzten Jahren leider immer mehr entfernt haben - siehe Jugoslawienkrieg, Gewährung von logistischer Unterstützung bei der Irak-Invasion der USA, Antiterrorkrieg in Afghanistan. Wir lehnen zweitens die zu beobachtende Militarisierung der deutschen Außenpolitik ab, derzeit gibt es bereits über zehn Auslandseinsätze der Bundeswehr. Und drittens sind wir gegen eine Politik der Sanktionen, wie sie etwa gegenüber dem Iran oder den Palästinensern praktiziert wird. Was hat das mit Nationalismus zu tun?

Aber wofür ist die Linke denn? Aus der Regierungskoalition heißt es, Ihre Partei predige - im Gegensatz zur Internationalismus-Tradition der Linken - Isolationismus und Rückzug auf eine Insel der Seligen.

Nein, auch das ist falsch. Wir plädieren zwar für einen Rückzug im militärischen Sinne, aber wir treten gleichzeitig dafür ein, das enorme politische und ökonomische Potenzial Deutschlands viel mehr friedens- und entwicklungspolitisch einzusetzen. Die Bundeswehreinsätze konterkarieren doch die bisherigen Anstrengungen in dieser Richtung. Wir sind der Überzeugung, dass nur eine größere Distanz zu den Methoden der USA das deutsche Gewicht in der internationalen Arena erhalten kann.

Sind nicht Konstellationen denkbar, in denen nur ein bewaffnetes Eingreifen von außen ein Massensterben verhindern kann?

Ja, die Völkermorde in Kampuchea und Ruanda waren dafür Beispiele. Es darf aber nicht sein, dass einzelne Staaten für sich entscheiden, wann und wo sie militärisch eingreifen. So etwas darf nur im Rahmen der Uno gemacht werden. Wir stehen hinter dem Gewaltmonopol der Uno, wie es deren Charta festlegt.

Gegenüber bewaffneten UN-Missionen gibt es doch aber auch Vorbehalte in Ihrer Partei.

Man kann nicht die Augen davor verschließen, dass der UN-Sicherheitsrat in manchen Fragen instrumentalisiert wird. Es gibt Einsatzforderungen für Regionen - nehmen wir Sudan oder Somalia - in denen die geostrategischen Interessen der Fordernden offensichtlich sind. Die USA haben sich in ihrer Energieversorgung wesentlich auf Afrika orientiert, jetzt wird auch ein neues US-Militärkommando für Afrika eingerichtet. Wenn sich der UN-Sicherheitsrat - etwa auch im Fall Iran - solchen Interessen unterordnet, dann sind wir dagegen.

Stichwort Afghanistan: Würde die Lage nach einem Abzug der ausländischen Truppen denn besser?

Mehr Gemetzel und Unsicherheit würde es wohl kaum geben. Und die Linke fordert ja nicht, dass Deutschland sich dort aus dem Felde stiehlt. Wir wollen, dass die Gelder, die militärisch verpulvert werden, sinnvoll in politische und wirtschaftliche Initiativen für Afghanistan gesteckt werden. Was wir nicht wollen, ist noch so ein scheinsouveränes Protektorat wie im Irak.

Die Linkspartei.PDS trat unter anderem für die Auflösung der Nato ein, was Kritiker nicht nur als Verrat an der westlichen Solidarität bezeichneten, sondern auch als extrem realitätsfern. Bleibt die neugegründete Linke bei dieser Position?

Ja. Wir meinen, dass die Nato nach der Auflösung des Warschauer Paktes als Verteidigungsbündnis nicht mehr notwendig ist. Und die zu beobachtende Umfunktionierung der Allianz in ein geostrategisches Eingreifinstrument im Schlepptau der USA dient dem Frieden eben gerade nicht.

Das Gespräch führte Roland Heine.

Berliner Zeitung, 27. Juli 2007