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Nötig wäre ein Gipfel unter UN-Dach

Im Wortlaut von Ulla Lötzer,

Ulla Lötzer (LINKE): G20-Treffen wird nur warme Worte über mehr Transparenz liefern

Was ist realistischerweise vom Weltfinanzgipfel zu erwarten?

Ich finde es sehr gefährlich, wenn jetzt wie in Briefen von Leuten wie Josef Ackermann vor Überregulierung der Finanzmärkte gewarnt wird. Das lässt Schlimmes erahnen für diese Konferenz. Wir haben den Eindruck, dass außer ein paar warmen Worten über mehr Transparenz dort nichts eingebracht wird. Die Bundesregierung hat auch weitergehende Forderungen der französischen Ratspräsidentschaft gestoppt. Wir sehen keine Vorschläge, wie die Umverteilung, die ja Grundlage der Instabilität der Finanzmärkte ist, zurückgeführt oder wie das Währungssystem und die Weltwirtschaft stabilisiert werden sollen.

Weil die Politiker als Krisenmanager auftreten, die die Probleme mitverschuldet haben?

Das ist das große Problem, da wird der Bock zum Gärtner gemacht. Die G8 haben maßgeblich die Liberalisierung der Finanzmärkte politisch betrieben. Zwar werden einige Schwellenländer einbezogen, aber die Entwicklungsländer können keinen Einfluss nehmen, was angesichts der Situation, dass nicht nur der Finanzmarkt, sondern auch die Weltwirtschaft massiv in einer Krise ist, dringend notwendig wäre.

Immerhin liegen einige konkrete Vorschläge über schärfere Regeln für den Bankensektor vor, von schärferen Eigenkapitalvorschriften bis hin zu einer besseren Kontrolle von Rating-Agenturen.

Wir werden sehen, was davon übrig bleibt. Aber im Wesentlichen geht es um Vorschläge zu Transparenz und Verhaltenskodizes. Mehr Licht im Kasino reicht nicht - das Kasino muss geschlossen werden. Wir brauchen einen Finanz-TÜV, der Finanzprodukte auf Gefährlichkeit überprüft und verbieten kann, und Maßnahmen zur Entschleunigung der Finanzmärkte wie eine Transaktionssteuer. Und wir brauchen auch wieder eine Koordination von Währungspolitik mit Zielzonen zwischen den großen Weltwährungen und regionalen Kooperationen sowie Schritte gegen die Offshore-Zentren, um Kapitalflucht und Steuervermeidung zu stoppen. Darüberhinaus bräuchten wir Maßnahmen zur Koordination der Weltwirtschaftspolitik gegen die drohende Rezession. Sonst droht ein Subventionswettlauf der Regierungen etwa für die Autoindustrie, den die Steuerzahler dann auch noch bezahlen sollen.

Was wäre die Alternative - ein globales Konjunkturprogramm?

Zusätzlich zur Koordination der nationalen Programme greifen wir Nicolas Sarkozys Vorschlag für ein internationales Konjunkturprogramm auf, um den ökologischen Umbau in Entwicklungsländern voranzubringen. Dies sollte man um Investitionen in die öffentliche Infrastruktur ergänzen, die infolge der Krise nicht mehr finanziert werden. Durch ein solches Programm könnte man auch den Ärmsten der Armen helfen und einer Weltrezession entgegenwirken.

Die Industrieländer freilich wollen sich nur mit den Problemen ihrer Banken beschäftigen und die alten Strukturen stärken, etwa durch Aufwertung des Internationalen Währungsfonds.

Dies würde eine Lösung praktisch unmöglich machen, weil weder die Schwellen- noch die Entwicklungsländer bereit sind, diese Strukturen weiter zu akzeptieren. Das sieht auch Barack Obama so. Der IWF ist dominiert von den Industrieländern und hat mit Strukturanpassungsprogrammen gegenüber diesen Ländern bisher die Rolle gespielt, die neoliberale Politik durchzusetzen. Der Prozess müsste dringend in UN-Strukturen integriert werden, zum Beispiel in den Wirtschafts- und Sozialrat der UN, wie es eine von Joseph Stiglitz geleitete UN-Task-Force fordert.

Was wären die zentralen Punkte für ein Bretton Woods II?

Ein Bretton Woods II müsste die Finanzmärkte wie auch die Güter- und Dienstleistungsmärkte regulieren sowie demokratische Strukturen schaffen, die an der UNO angelehnt sind. Die Finanzmärkte haben massiv Sozialstaatlichkeit, demokratische Entscheidungen und ökologische Nachhaltigkeit angegriffen. Daher braucht man Schritte, die Weltwirtschaft in diesem Sinne zu regulieren - wir fordern dringend, bald eine Weltwirtschaftskonferenz unter dem Dach der UN einzuberufen.

Fragen: Kurt Stenger

Neues Deutschland, 15. November 2008