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Nicht immer im Gleichklang

Kolumne von Jutta Krellmann,

Foto: Christian Heyse

 

 

Von Jutta Krellmann, gewerkschaftspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

Die SPD hat derzeit viel Lob übrig. Vor allem für sich selbst. Als "Motoren dieser Bundesregierung" bezeichnete Sigmar Gabriel die SPD-Ministerinnen und Minister auf dem Berliner Parteitag. Und: Seine Partei hätte ihre Kernforderungen in den Koalitionsverhandlungen durchsetzen können. Selbstzufriedenheit hat derzeit ein Gesicht, das Gesicht des SPD-Vorsitzenden Gabriel.

Wer sich jedoch den 185 Seiten dicken Koalitionsvertrag ansieht und vor allem die Passagen, welche die Interessen der abhängig Beschäftigten betreffen, wird schnell zu dem Ergebnis kommen, dass es für die SPD eigentlich keinen Grund gibt, sich so demonstrativ auf die eigenen Schultern zu klopfen – zumindest wenn sie sich noch an ihre Wahlkampf-Slogans aus dem letzten Jahr erinnert. Die Experten streiten derzeit darüber, wie viele Millionen Niedriglohnbeschäftigte bei dem mit 8,50 Euro ohnehin zu niedrig angesetzten Mindestlohn leer ausgehen und wie viele auf ihn bis zum Jahr 2017 warten müssen. Das Rentenpaket der Bundesregierung kommt nur einer Gruppe von langjährig Beschäftigten zugute, wobei selbst hier die Ansprüche für die jüngeren Jahrgänge sinken. Das Kernproblem der drohenden Altersarmut wird nicht angegangen. Die groß angekündigte Regulierung von Leiharbeit und Werkverträgen ist ein Papiertiger – unwirksam für das Gros der Leiharbeitsbeschäftigten und ohnehin zahnlos, weil keine Sanktionen bei Verstößen durch die Arbeitgeber vorgesehen sind. Stärkung der Mitbestimmung bei den Werkverträgen – Fehlanzeige! Steuergerechtigkeit? Auch hier wird nicht geliefert und weiter von oben nach unten umverteilt. Deutschland wird durch diese Große Koalition kein gerechteres Land, Verbesserungen gibt es für nur wenige Gruppen und die Wohlhabenden werden weiter geschont.

Die Gewerkschaftsführungen haben den Koalitionsvertrag durchweg begrüßt. Pragmatisch waren die Begründungen, angefangen von dem abgewendeten größeren Übel einer absoluten Unionsmehrheit bis zu dem Hinweis, dass immerhin die Reformrichtung stimme und es jetzt einen Einstieg in den Mindestlohn gebe. Auch wenn viele Gewerkschaftsmitglieder das kritischer sehen. Die LINKE steht in dieser Gemengelage vor neuen Herausforderungen in ihrer Gewerkschafts- und Arbeitspolitik. Gewerkschaften und LINKE werden unterschiedliche Rollen in den nächsten Jahren ausfüllen müssen. Wir dürfen dabei nicht in unseren Bemühungen nachlassen, als LINKE in der Gewerkschaftsbasis präsent zu sein. Es zählt zu unseren Aufgaben, den bestehenden Unmut gegen die Koalitionspolitik aufzugreifen und vor Ort für die Mobilisierung zu nutzen. Erfolgreich Druck auf die Regierung und auf die SPD können wir nur ausüben, wenn dieser von relevanten Gewerkschaftsteilen unterstützt wird. Gleichzeitig aber werden wir nicht immer im Gleichklang mit den Gewerkschaftsspitzen sprechen, das gehört zur Natur der Sache und ist auch gut so – die Unabhängigkeit der Gewerkschaften war und ist ein wichtiger Fortschritt. Michael Sommer hat kürzlich in einem Interview mit dem ZDF darauf hingewiesen, dass es durchaus noch einen „Beziehungsstörung“ zwischen der SPD und den Gewerkschaften gebe. Der DGB begreife sich seit dem Bruch der Agenda 2010 zudem stärker als Einheitsgewerkschaft. Diese Aussagen nehmen wir sehr ernst.

Wir verstehen DIE LINKE als soziale Opposition im Bundestag. Unsere Verantwortung ist es, jetzt die Kräfte für die notwendigen Reformen für die Humanisierung der Arbeitswelt und den Wiederaufbau des Sozialstaates zu stärken und mit zu organisieren. Dabei wird es vor allem um jene Fragen gehen, die Große Koalition abermals ignoriert – die Umverteilung von oben nach unten und die konsequente soziale Regulierung des Arbeitsmarktes. Die SPD behauptet, der Motor in der Bundesregierung zu sein. DIE LINKE aber wird weiterhin der Motor der sozialen Veränderung in diesem Land sein.