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Nach zehn Jahren Hartz IV wäre Zeit für Revision

Im Wortlaut von Gesine Lötzsch,

 

Von Gesine Lötzsch, damals allein mit Petra Pau Abgeordnete der PDS im Bundestag

 

Tagesordnungspunkt 7: „Moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt“, besser bekannt als Hartz IV, wurde vor 10 Jahren im Bundestag beschlossen. Eine ganz große Koalition aus SPD, Grünen, CDU und CSU beschloss Hartz IV. Der ganze Vorgang war unspektakulär. Insgesamt gab es an diesem Tag kurz vor Weihnachten 15 namentliche Abstimmungen im Bundestag. Die meisten Abgeordneten waren sich gar nicht über die Tragweite dieser Beschlüsse im Klaren.

Einige Tage vor der Abstimmung hatten PDS-Bundesgeschäftsführer Rolf Kutzmutz,  Petra Pau und ich dem Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages eine Massenpetition mit 20 000 Unterschriften übergeben. Mit der Petition forderten die Unterzeichnerinnen und Unterzeichner die Abgeordneten des Bundestages auf, keine Reformen des Arbeitsmarktes zu beschließen, die zu Lasten der sozial Benachteiligten gehen und weitere Armut hervorrufen. Rolf Kutzmutz sagte damals: „Wir wollen damit gerade in der entscheidenden Verhandlungsphase im Vermittlungsausschuss das Signal an die Mitglieder des Bundestages geben, dass sie nach dem Maßstab der sozialen Gerechtigkeit entscheiden. Gerade die offenkundig zur Verhandlungsmasse gehörende Verschärfung des Zumutbarkeitsprinzips und eine wie auch immer geartete Lockerung des Kündigungsschutzes sind völlig untaugliche Mittel. Deshalb fordern wir die Abgeordneten auf, am 19. Dezember dazu ebenso NEIN zu sagen wie zur Zusammenführung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe auf Sozialhilfeniveau und zu einer erhöhten Anrechnung von Ersparnissen und Partnereinkommen auf das Arbeitslosengeld II.“

Im Bundestag hatte ich immer wieder deutlich gemacht, dass Hartz IV Armut per Gesetz ist. Im Protokoll stand am Ende meiner Reden: (Beifall der Abg. Petra Pau [fraktionslos]). Petras Unterstützung hat mich natürlich gefreut. Ärgerlich waren die Ignoranz und Selbstgefälligkeit der Mehrheit im Parlament gegenüber unserer Kritik.

Nach 10 Jahren Hartz IV wäre es an der Zeit gewesen, eine kritische Bilanz zu ziehen. Doch wer sich den Koalitionsvertrag von CDU/CSU und SPD anschaut, findet dort keine Revision der Arbeitsmarktpolitik. Im Gegenteil, die herrschenden Parteien sind stolz auf ihre Gesetzgebung. Sie versuchen immer wieder, Hartz IV als Erfolgsgeschichte zu verkaufen. Die Regierung Schröder/Fischer hat den größten Niedriglohnsektor in Europa geschaffen und das Land gespalten. Darauf kann man nicht stolz sein.

Die Hartz-IV-Parteien wollen heute den Eindruck vermitteln, dass der wirtschaftliche Aufschwung Ergebnis ihrer Arbeitsmarktreformen ist. Das ist falsch. Während des Aufschwungs 1998-2000 wurden 1,4 Millionen Arbeitsplätze geschaffen, ohne dass es Hartz IV gab.

Unabhängig von Konjunkturverläufen will die LINKE die menschenunwürdigen Gesetze überwinden. Ein erster Schritt muss die Abschaffung der Sanktionen gegen Arbeitslose sein. Das fordert die Petition 46483, die vor wenigen Tagen das notwendige Quorum erreicht hat. Das ist doch ein kleiner Hoffnungsschimmer.

linksfraktion.de, 18. Dezember 2013