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Miteinander statt übereinander reden

Im Wortlaut von Werner Dreibus,

Werner Dreibus ist gewerkschaftspolitischer Sprecher der Linksfraktion im Bundestag. Kürzlich trafen der Partei- und Fraktionsvorstand der LINKEN und der Vorstand der IG Metall erstmals zusammen, um sich über aktuelle Themen auszutauschen. Über die Ergebnisse dieses Spitzentreffens sprach mit dem Politiker ND-Mitarbeiter Günter Frech.

Herr Dreibus, warum fand dieses Gespräch statt und was wurde besprochen?

Es war das erste Gespräch dieser Art. Von der Stimmung, dem Inhalt und vom Ablauf her war es ein sehr fruchtbares Gespräch. Da saßen Menschen zusammen, die in der Sache viele deckungsgleiche Positionen vertreten. Neben der Einschätzung der derzeitigen wirtschaftlichen Lage haben wir uns über die aktuelle Tarifbewegung der IG Metall unterhalten. Zudem fand ein Austausch über die bald beginnende Mitbestimmungsinitiative unserer Fraktion im Bundestag statt.

Vor dem Gespräch war zu hören, es gebe einige Gräben zuzuschütten - ist das gelungen?

Da gab es nicht viel zuzuschütten. Die eine oder andere öffentliche Äußerung hat wechselseitig zu Irritationen geführt, es hat sich wieder mal bestätigt, besser miteinander statt übereinander zu reden. Jetzt reden wir direkt und nicht über die Medien und das ist gut so.

Wie steht nun die IG Metall zu ihrer Partei und Fraktion?

Mit diesem Gespräch ist jetzt ein gutes Klima geschaffen. Berthold Huber, der Vorsitzende der IG Metall, hat angeregt, die Gespräche künftig zu vertiefen. Weiter hat er versichert, dass seine Gewerkschaft wie mit allen demokratischen Parteien auch mit der Linkspartei parlamentarisch und außerparlamentarisch da zusammenarbeiten wird, wo es politische Schnittmengen gibt. Die IG Metall sieht in der Partei DIE LINKE keine Eintagsfliege und geht von einem auf Dauer angelegten Fünf-Parteien-System aus. Weiter ist die IG Metall der Auffassung, dass rechnerisch vorhandene Mehrheiten auch politisch umgesetzt werden müssen.

Je nachdem, wen man fragt, heißt es aus der Linkspartei, die Gewerkschaften sind entweder zu sehr oder zu wenig auf Distanz zu ihrer Partei - wo liegt denn die Wahrheit?

Diese Positionen gibt es, doch sie haben bei dem Gespräch keine Rolle gespielt. Die parteipolitische Unabhängigkeit der Gewerkschaften wird von der Fraktions- und Parteispitze uneingeschränkt hervorgehoben. Innerparteilich wird das auch so kommuniziert. Parteimitgliedern, die die Gewerkschaften aus schierer Liebe erdrücken möchten, rate ich ebenso zu mehr Augenmaß wie denjenigen, die in den Gewerkschaften eine Plage sehen. Richtig ist, dass DIE LINKE den Gewerkschaften bei der Durchsetzung ihrer Ziele - was in der Regel gemeinsame Ziele sind - sehr behilflich ist. Das gilt vor allem für die Arbeitsmarkt-, Sozial-, Wirtschafts- und Finanzpolitik. Hier gibt es große Übereinstimmungen.

Sie erwähnten die Mitbestimmung - einst ein Thema, mit dem die Gewerkschaften das Arbeitsleben demokratisieren wollten ...

... und das auch weiterhin tun müssen. Da ist noch nicht viel erledigt! Die Spitze der IG Metall hat es begrüßt, dass die Linksfraktion im Bundestag eine mitbestimmungspolitische Offensive plant. Hier sind wir sehr nahe beieinander. Das Thema Mitbestimmung wird demnächst auf die politische Tagesordnung gesetzt. Zudem hat die IG Metall deutlich gemacht, dass für sie Mitbestimmung mehr ist als nur Unternehmensmitbestimmung - also der Ausbau der Mitbestimmung in Aufsichtsräten. Die IG Metall fordert eine umfassende Demokratisierung auf allen Ebenen der Betriebe ein, und das hat auch für den Rest der Gesellschaft seine Richtigkeit. Im kommenden Wahljahr wird die IG Metall das Thema Demokratie und Mitbestimmung zum Kern der politischen Auseinandersetzung machen. Aus einem unterschiedlichen Selbstverständnis heraus und mit unterschiedlicher Aufgabenstellung werden wir hier in die gleiche Richtung laufen.

Seit 2004 nimmt Leiharbeit dramatisch zu und rund um diese moderne Sklaverei wurden inzwischen erschütternde Zustände öffentlich. Wie kann DIE LINKE hier den Gewerkschaften helfen?

Die IG Metall fordert, dass Leiharbeit wieder auf ihren ursprünglichen Kern zurückgefahren wird: Produktionsspitzen abzufedern. Vor allem aber muss der unsäglichen Ungleichbehandlung in der Entlohnung entgegengetreten werden. Hier hat die IG Metall unsere Unterstützung.

Herr Dreibus, Sie waren neulich auch auf dem Kongress der Gewerkschaft NGG. Dort sagte eine Delegierte, sie könne den Begriff Einheitsgewerkschaft nicht mehr hören - in der DDR gab es zu viel Einheit. Liegt hier ein Missverständnis vor?

Ein ganz großes sogar! Nach Faschismus und Krieg ist die Einheitsgewerkschaft eine große Errungenschaft gewesen und sie ist es noch. Die deutsche Gewerkschaftsbewegung hat ihren Ursprung im Schwur von Buchenwald. Einheitsgewerkschaft heißt, im Betrieb gibt es eine Gewerkschaft für alle Beschäftigten fern ihren sonstigen parteipolitischen Präferenzen. Bei Einheit denken manche Menschen im Osten eher an Partei und FDGB und die Gewerkschaften in der DDR hatten ja auch eine andere Rolle. Es ist also eher eine begriffliche Verwirrung, aber kein inhaltliches Problem.

Interview: Günter Frech

Neues Deutschland, 7. November 2008