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Mit Mut und Entschlossenheit gegen Armut von Frauen

Interview der Woche von Yvonne Ploetz,

Yvonne Ploetz, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über die zahlreichen Gründe, aus denen Frauen in Deutschland von Armut bedroht sind, die Initiativen, die die Fraktion DIE LINKE dem entgegensetzt, und das Motto "Frauen.Arm?Mut!", unter das die Fraktion den diesjährigen Internationalen Frauentag setzt.

 

Die Fraktion DIE LINKE. im Bundestag hat den diesjährigen Internationalen Frauentag am 8. März unter das Motto "Frauen.Arm?Mut!" gestellt. Was bedeutet das?

Yvonne Ploetz: Wir wollen damit zweierlei bewirken. Zum einen möchten wir das Thema Frauenarmut sichtbar machen, denn dieses wird in Zeiten der Debatten um Sexismus, die Frauenquote und emanzipatorischer Jungen- und Männerpolitik zu oft tabuisiert. Zum anderen wollen wir den Frauen, die von Armut betroffen sind, Mut machen und Hoffnung geben. Armut in so großem Umfang und in solch einem reichen Land wie in Deutschland ist skandalös und nicht hinnehmbar. Anlässlich des Internationalen Frauentags signalisieren wir den Frauen in Deutschland: DIE LINKE steht an Eurer Seite!

Sind Frauen anders von Armut betroffen als ihre Mitmenschen?

Ja, patriarchale Diskriminierungen und stereotype Rollenmuster wirken auch heute noch fort und treffen vor allem Frauen. Die Gründe sind vielfältig und liegen vor allem in einer Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt, aber auch in der weiterhin unbezahlten Pflege- und Sorgearbeit, die nach wie vor vor allem Frauen in den Familien schultern.

Sind es strukturelle Probleme, die Frauen in die Armut treiben? Wie hängen sie zusammen, wie wirken sie sich aus?

Die Gründe sind fast strukturell in unserer Gesellschaftsordnung verankert. Frauen sind weniger erwerbstätig. Bilden sie in einer Branche eine Mehrheit, wird diese fast immer niedriger entlohnt. Zudem arbeiten Frauen öfter in Teilzeit oder in Minijobs. In Deutschland sind allein 65 Prozent der Beschäftigten im Niedriglohnsektor weiblich. Zudem verdienen Frauen fast ein Viertel weniger als ihre männlichen Kollegen. Daher haben wir den bundesdeutschen Equal Pay Day (der die Zeit markiert, die Frauen im Jahr länger arbeiten müssen, um dasselbe wie Männer zu verdienen) in diesem Jahr am 21. März. Da wir keine Gesetze mit Mindestquotierungen haben, kommen Frauen sowohl in der Privatwirtschaft als auch im öffentlichen Sektor nur zu einem sehr geringen Anteil in Führungspositionen. Das alles summiert sich, sodass am Ende eines Erwerbslebens Frauen niedrigere Renten als Männer erreichen und als Rentnerinnen oft arm sind. Aus der Lohnlücke von 22 Prozent wird eine Rentenlücke von 58 Prozent. Dagegen setzt DIE LINKE Forderungen nach einem Entgeltgleichheitsgesetz, nach einem gesetzlich verbindlichen und flächendeckenden Mindestlohn von 10 Euro, nach einem Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft und einem echten Verbandsklagerecht, sodass Frauen ihre Rechte nicht allein einfordern müssen. Auch kämpfen wir für die Aufwertung von Niedriglohnzeiten, Kindererziehung und Pflege sowie eine solidarische Mindestrente, damit Frauen im Alter nicht arm sind.

Entwickelt DIE LINKE diese in zahlreichen dieser Politikfelder Initiativen, etwa zu Rente und Mindestlohn. Geschieht das immer auch mit dem Blick auf Frauen als besonders Betroffene, oder müssen Sie als frauenpolitische Sprecherin öfter mal nachhaken?
 
DIE LINKE braucht wie alle Fraktionen im Bundestag immer wieder ein frauenpolitisches Korrektiv. Feministische und gleichstellungspolitische Positionen sind keine Selbstverständlichkeit, sondern wollen hart erkämpft werden. Allerdings zeichnet sich die Fraktion auch durch eine Besonderheit aus. Wir besitzen ein Frauenplenum, an dem nur die weiblichen Abgeordneten teilnehmen dürfen und welches ein Veto bei Anträgen oder Aktionen erwirken kann. Diese Struktur bleibt wichtig, denn frauenpolitische Querschnittsthemen können im Strudel von Macht und Politik zu Minderheitenpositionen erklärt werden, obwohl sie für die Mehrheit der Gesellschaft eintreten.

Unterstützt die Fraktion auch Initiativen und Bewegungen in der Gesellschaft, die sich gegen Frauenarmut stark machen?
 
Ja, wir halten enge Kontakte und unterstützen alle Bestrebungen und Initiativen, die sich zivilgesellschaftlich für eine emanzipatorische und feministische Gleichstellungspolitik einsetzen. Wir solidarisieren uns mit dem Deutschen Frauenrat in der Forderung nach einem Entgeltgleichheitsgesetz und einer Frauenquote für Führungspositionen, mit dem DGB und den Gewerkschaften im Kampf um einen flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohn und mit NGOs für Alleinerziehende, lesbische und migrierte Frauen, weil diese Frauen am stärksten von Armut betroffen sind.

Sie zählen zu den jüngsten Abgeordneten des Bundestages. Denken Sie öfter mal darüber nach, wie Sie in dreißig Jahren leben werden?

Als Abgeordnete lebe ich natürlich derzeit privilegiert. Wie das in 30 Jahren sein wird, macht mir dennoch heute schon Sorgen. Unruhiger, aber auch wütender werde ich allerdings, wenn ich in mein familiäres Umfeld oder in meinen Freundinnenkreis schaue: Ich kann mir nicht vorstellen, dass die prekären Wissenschaftlerinnen, Friseurinnen oder Altenpflegerinnen, die heute jung sind, später einmal der Altersarmut entgehen können. Daher brauchen wir jetzt Entschlossenheit und Mut, um gegen Alters- und Frauenarmut vorzugehen.

 

linksfraktion.de, 4. März 2013