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Mit Keynes gegen den Klimawandel

Im Wortlaut von Herbert Schui,

Die Industriestaaten sollten den Entwicklungsländern helfen, alternative Energietechnologien zu produzieren. Das würde allen nutzen.

Der Energiebedarf der Entwicklungs- und Schwellenländer wird im Zuge ihrer Industrialisierung bedeutend ansteigen. Für den Klimaschutz kommt alles darauf an, diesen Energiebedarf mit erneuerbarer Energie zu decken. Dies erfordert Investitionen und Know-how. An beidem fehlt es in den betreffenden Ländern. Die wirtschaftlichen Ressourcen reichen nicht hin, in großem Stil alternative Energieproduktion aus Sonnen-, Wind- oder Gezeitenkraft in Angriff zu nehmen. Lösen lässt sich die Frage durch den Import von entsprechender Ausrüstung aus den Industrieländern.

Freie Kapazitäten für die Herstellung solcher Investitionsgüter sind in den Industriestaaten reichlich vorhanden. Eine schnelle Lösung erfordert es, dass den Entwicklungs- und Schwellenländern Handelsbilanzdefizite ermöglicht werden und die Industrieländer entsprechende Handelsbilanzüberschüsse realisieren (oder ihre Defizite senken).

Beide Ländergruppen ziehen Vorteile aus diesem Arrangement. Für die Industrieländer gibt es mehr Nachfrage und damit mehr Beschäftigung, die Entwicklungs- und Schwellenländer bekommen Realkapital, was nicht nur die Herstellung alternativer Energie ermöglicht und zum Klimaschutz beiträgt: Es hilft auch, weniger Devisen für Energieimporte auszugeben. Damit reduziert sich alles auf die Frage, wie die Defizite finanziert werden. Eine Kreditaufnahme am Kapitalmarkt bringt nichts. Hier fressen die Zinsen und der Schuldendienst allgemein Exporterlöse auf, die dann für den Kauf anderer Waren fehlen.

Keynes hat 1943 bei der Gründung des IWF die entscheidende Idee entwickelt. Sein Vorschlag war für den Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg gedacht, aber er kann ebenso gut der Finanzierung von Energieinvestitionen der Entwicklungsländer dienen. Der Grundgedanke ist einfach: Beim Internationalen Währungsfonds wird eine Clearing Union eingerichtet. Die Zentralbanken überlassen der Clearing Union Devisen, die sie für die Abwicklung ihrer internationalen Zahlungen nicht benötigen. Diese Devisen bilden die Aktivseite des Kontos der Clearing Union. Damit ist die Gegenbuchung und Deckung für die Ausgabe von internationalem Geld geschaffen. Dieses Geld wird den Entwicklungs- und Schwellenländern zugeteilt. Sie bezahlen damit ihre Importe von Anlagen zur Herstellung alternativer Energie.

Das Arrangement ähnelt der nationalen Geldschaffung. Sehr vereinfacht sieht das so aus: Eine nationale Zentralbank bekommt Dollar-Devisen, wenn die Exporteure ihre Dollar-Einnahmen in nationale Währung umtauschen. Als Gegenbuchung für diese Zunahme an Aktiva gibt die nationale Zentralbank Banknoten aus. Diese werden im Austausch gegen Devisen Eigentum der Exporteure. Damit bezahlen die Exporteure Löhne, Vorlieferungen usw. Die nationale Geldmenge steigt. Dasselbe geschieht bei der Clearing Union. Das neue internationale Geld wird zunächst den Entwicklungs- und Schwellenländern zugewiesen. Diese bezahlen hiermit ihre Importe. Im Endergebnis führt die Einrichtung der Clearing Union dazu, dass als Folge von Handelsbilanzungleichgewichten nicht die nationale, sondern die internationale Geldmenge ansteigt.

Diese Clearing Union dient dem besseren Gebrauch der wirtschaftlichen Ressourcen: Die Industrieländer produzieren mehr, die Entwicklungsländer stellen Energie her, die die Umwelt nicht schädigt, und für alle kommt ein wesentlicher Beitrag zur Entschärfung der Klimafrage heraus. Das Wesentliche dabei ist: Die Überschussländer stellen internationale Liquidität bereit, für die sie keine direkte Verwendung haben.

Es lohnt sich, eine alte Debatte wieder aufzugreifen, die die Fachwelt und die Politik seit den 50er-Jahren beschäftigt hat. Die Frage war, wie das internationale Geldwesen einen Beitrag zur Entwicklungsfinanzierung leisten könnte. Die aktuelle Frage allerdings ist spezieller. Es geht nicht allgemein darum, wie der Transfer von realen Produktionsmöglichkeiten von den Industrieländern in die Entwicklungs- und Schwellenländer finanziert werden könnte: Es geht um die Lösung der Klimafrage.

Herbert Schui

Financial Times Deutschland,