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Ein Schlüsselbund auf einem leeren Mietvertragsformular und Euro-Geldscheinen © iStock/filmfoto

Mieten müssen runter

Im Wortlaut von Caren Lay, Das Parlament,

Die wohnungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Caren Lay, spricht sich neben der Wohngeldreform für eine stärkere Mietpreisregulierung und den Rückkauf von bereits privatisierten Wohnungen durch die öffentliche Hand aus. Das Wohngeld sei teuer und werde am Ende an die Aktionäre von Großkonzernen wie Vonovia weitergereicht, betonte Lay im Interview mit der Wochenzeitung „Das Parlament“ (Erscheinungstag 14. November 2022). Es stehe in einem völligen Missverhältnis und es sei haushaltspolitisch nicht nachhaltig, dass der Bund zwei Milliarden Euro im Jahr für den sozialen Wohnungsbau ausgebe, aber 16 Milliarden für Wohngeld und Kosten der Unterkunft bei Hartz IV. Statt dauerhaft Millionen für Transferleistungen auszugeben, müssten die Mieten gedämpft werden. „Die gesamte Welt ist gerade auf Shoppingtour auf dem deutschen Mietwohnungsmarkt, warum machen da nicht auch die eigenen Kommunen mit?“, fragte Lay. Jeder Immobilienkauf sei eine langfristige Investition und könne Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung schützen.

Interview: Johanna Metz

Das Parlament: Frau Lay, ab dem 1. Januar 2023 haben mehr Menschen Anspruch ein viel höheres Wohngeld. Vermieter müssen sich außerdem am Kohlendioxidpreis für das Heizen mit Gas und Öl beteiligen. Sind das die richtigen Maßnahmen zur richtigen Zeit?

Caren Lay: Nicht unbedingt. Eine Reform des Wohngeldes fordern wir als Linke seit langem und es ist gut, dass sie nun kommt. Aber im Einzelnen sehen wir noch Probleme. Dass der Kohlendioxidpreis nicht mehr allein Mietersache ist, ist auch erstmal gut, aber die Abgabe an sich ist angesichts der derzeit hohen Energiepreise völlig verfehlt, weil sie die Mieten noch weiter verteuert. 

Das Parlament: Nach Ihrem Willen sollen allein die Vermieter die CO2-Kosten bezahlen. Aber ein Ziel des Gesetzes ist es, auch für Mieter Anreize zum Energiesparen zu setzen. 

Caren Lay: Sie haben aber keinerlei Einfluss auf die Energiebilanz des Gebäudes. Nur die Vermieter können die Heizung sanieren oder die Wärmedämmung verbessern. Im Moment ist Energie außerdem so teuer, dass die Menschen ohnehin sparen. Die Lenkungswirkung mit Blick auf den Klimaschutz war daher vielleicht vor zwei Jahren gegeben, aber heute nicht mehr. Wir fordern daher die Abschaffung des CO2-Preises. 

Das Parlament: Beim neuen Wohngeld gibt es jetzt Aufschläge für Heizkosten, und eine Klimakomponente soll höhere Mieten bei energetischen Sanierungen kompensieren. Was stört Sie daran?

Caren Lay: Beides ist gut, aber die Klimakomponente sollte zielgerichtet denjenigen zugutekommen, die tatsächlich in einer energetisch sanierten Wohnung leben. Auch eine Dynamisierung der Zuschüsse wäre sinnvoll gewesen, für den Fall, dass die Kosten weiter steigen. Aber eines der größten Probleme sehe ich bei den neuen Mietstufen, mit denen die Mietzuschüsse in den Kommunen berechnet werden. Dieses System führte schon in der Vergangenheit zu vielen Ungerechtigkeiten, aber nun werden 187 Kommunen herabgestuft, was dazu führen könnte, dass die Menschen weniger statt mehr Geld bekommen. 

Das Parlament: Mietervertretungen und auch Sie meinem, dass eine Verdreifachung des Empfängerkreises beim Wohngeld nicht ausreicht. Statt zwei Millionen Haushalte sollten vier Millionen den Zuschuss bekommen. Warum sollte der Staat so viele Mieten subventionieren?

Caren Lay: Das Wohngeld ist natürlich sehr teuer für die öffentlichen Haushalte. Und am Ende freuen sich die Aktionäre von Großkonzernen wie Vonovia, in deren Wohnungen viele Menschen mit kleinem Einkommen leben, die das Geld quasi weiterreichen. Deswegen kann die Reform nur ein Baustein sein. Ein anderer, ganz entscheidender ist die Mietpreisregulierung. 

Das Parlament: Die Linke fordert unter anderem einen Mietenstopp in angespannten Wohnmärkten. Für viele riecht das schwer nach Sozialismus. 

Caren Lay: Ja, das ist interessant. Wenn die CDU eine Deckelung bei den Strom- und Gaspreisen für alle fordert, ist das ok, aber wenn ich einen Mietpreisdeckel fordere, der einkommensschwachen Mietern hilft, ist das sozialistisches Teufelszeug. Fakt ist, der Mietenanstieg ist ein Fass ohne Boden, er muss gedämpft werden. Einige Menschen in den Großstädten geben mittlerweile die Hälfte ihres Einkommens für das Wohnen aus. Dabei galt in der Bundesrepublik lange eine Wohnkostenbelastung von 30 Prozent als absolute Obergrenze. Dass die Bundesregierung sie mit der Wohngeldreform auf 40 Prozent hochgeschraubt hat und damit Zugeständnisse an diese Mietenexplosion macht, bedaure ich sehr. 

Das Parlament: Was ist Ihre Lösung? Neben Mieten stoppen große Immobilienkonzerne enteignen, wie es die Berliner in einem Volksentscheid fordern? 

Caren Lay: Enteignung kann im Extremfall ein Mittel sein. Aber in erster Linie sollten die Städte bereits privatisierte Wohnungen zurückkaufen, was Berlin und andere Städte zum Glück wieder verstärkt tun. Die gesamte Welt ist gerade auf Shoppingtour auf dem deutschen Mietwohnungsmarkt, warum machen da nicht auch die eigenen Kommunen mit? Jeder Immobilienkauf ist eine langfristige Investition und kann Mieterinnen und Mieter vor Verdrängung schützen. 

Das Parlament: Aber warum sollte der Staat der bessere Vermieter sein? Die kommunalen Verwaltungen sind völlig überfordert, gerade schlagen die Wohngeldstellen Alarm, weil sie nicht wissen, wie sie die vielen Neuanträge bearbeiten sollen. 

Caren Lay: Da rächt sich, dass in den vergangenen 20 Jahren schätzungsweise 10.000 Stellen in den kommunalen Wohnungsverwaltungen gestrichen wurden. Das muss sich dringend ändern. Das Mietniveau bei den kommunalen Wohnungsbaugesellschaften ist deutlich niedriger als auf dem freien Markt. Und die Kommunen können politische Vorgaben machen, so wie Berlin es gerade mit dem Kündigungsmoratorium für private und gewerbliche Mieter gemacht hat. 

Das Parlament: In Ihrem gerade erschienenen Buch „Wohnopoly“ machen Sie Finanzinvestoren und börsennotierte Wohnungskonzerne für die Lage verantwortlich. Die meisten Wohnungen in den Großstädten gehören aber privaten Eigentümern, die damit für das Alter vorsorgen wollen. Wie sozial sind mit Blick auf sie die von Ihnen vorgeschlagenen Regulierungen?

Caren Lay: Eine gerechte Mietpreisregulierung kann so ausgestaltet werden, dass sie nicht zulasten von Kleinvermietern geht, zum Beispiel durch die Einführung von Frei- oder Bagatellgrenzen. Man muss auch nicht den ganzen Markt in die Hände des Staates legen, sondern nur das schützende Marktsegment ausweiten. Gerade in Stadtteilen, in denen Menschen mit wenig Einkommen leben, haben große Fonds und Konzerne faktisch eine Monopolstellung gewonnen und fungieren dort als Preistreiber. 

Das Parlament: Diese investieren aber auch in den Neubau. Und„Bauen, Bauen, Bauen“ gilt doch als das Rezept zur Dämpfung der Mietpreise. 

Caren Lay: Ja, aber wir dürfen den privaten Investoren den Neubau nicht überlassen. Sie neigen dazu, vor allem in den hochpreisigen Segmenten zu bauen, weil sie dort größere Gewinne machen können. Aber wir brauchen mehr Wohnungen für Durchschnittsverdienende. Und da sollten die Kommunen, Genossenschaften und Bauherrengruppen, also die lokalen Akteure, Vorrang haben. 

Das Parlament: Die Bundesregierung will jedes Jahr 100.000 neue Sozialwohnungen bauen und unterstützt die Länder dabei mit zwei Milliarden Euro jährlich, doppelt so viel wie bisher. Ein Anfang?

Caren Lay: Die Regierung müsste mindestens zehn Milliarden pro Jahr investieren, um genug Sozialwohnungen bauen zu können. Und die Regelung, wonach eine subventionierte Sozialwohnung nach 15 Jahren wieder normal vermietet werden kann, muss endlich abgeschafft werden. Mit ihr fallen jedes Jahr wieder Sozialwohnungen aus dem geschützten Wohnungsmarkt und der Staat muss wieder neu investieren. Hamburg will jetzt durchsetzen, dass diese Bindungen mindestens hundert Jahre bestehen bleiben. Das ist der Weg: eine neue Gemeinnützigkeit und das Prinzip einmal Sozialwohnung, immer Sozialwohnung.

Das Parlament: Die Vorschläge der Linken würden die öffentliche Hand Milliarden kosten. Dafür gibt es momentan doch kaum Spielräume. 

Caren Lay: Diese Investitionen würden sich aber langfristig auszahlen. Würden mehr Wohnungen den Städten gehören, könnten sie die Mietpreise regulieren und müssten nicht dauerhaft Millionen für Transferleistungen ausgeben. Es steht doch in einem völligen Missverhältnis und ist haushaltspolitisch nicht nachhaltig, wenn der Bund zwei Milliarden Euro im Jahr für den sozialen Wohnungsbau ausgibt und 16 Milliarden für Wohngeld und Kosten der Unterkunft bei Hartz IV. Dieses Geld ist weg! Da scheint mir der Rückkauf von bereits privatisierten Wohnungen auf lange Sicht die günstigere Investition zu sein.

Das Parlament,