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»Merkel hat da viel kaputt gemacht«

Interview der Woche,



Helmuth Markov, Finanzminister von Brandenburg, davor lange Jahre für DIE LINKE Mitglied im Europaparlament, über Steuermoral, den Kampf gegen Steuerhinterziehung und die Anhebung des Spitzensteuersatz


Sie haben kürzlich gesagt, dass der Fall Hoeneß keine negativen Auswirkungen auf die Steuermoral der Brandenburger hat. So ganz sicher sind Sie sich aber wohl nicht. Oder warum plädiert DIE LINKE dafür, die strafbefreiende Selbstanzeige abzuschaffen?

Helmuth Markov: Unsere Forderung geht nicht auf den Fall Hoeneß zurück. Schon vorher habe ich beispielsweise im Bundesrat gefordert, die mildernde Wirkung der Selbstanzeige abzuschaffen. Per Ablasshandel kann sich der Steuerstraftäter freikaufen. Ein Ladendieb oder ein Schwarzfahrer in der Bahn würden so ein Angebot niemals erhalten – zu Recht, wie ich meine. Die Möglichkeit, sich von einer Straftat freizukaufen, verletzt nicht nur die Rechtskultur in unserem Land, sondern wird von einem Großteil der Bevölkerung als Zugeständnis des Staates an besonders einkommensstarke Berufsgruppen verstanden.

Vielleicht liegt Ihr Vertrauen in die brandenburgische Steuermoral ja auch darin begründet, dass das Land viermal so viel Lohnsteuer einnimmt als Einkommensteuer. Und die Lohnsteuer wird jeder und jedem automatisch abgezogen. Beginnt da nicht schon Steuerungerechtigkeit ein Stück weit?

Das Land Brandenburg hat sehr gute Zuwächse bei den Steuereinnahmen, im Jahr 2013 werden wir erstmals die Grenze von 6 Milliarden Euro eigenen Steuereinnahmen überschreiten können. Und das bei einem Haushalt von rund 10 Milliarden. Das liegt sowohl an Zuwächsen bei der Lohn- als auch bei Einkommenssteuer. Aber ohne erfolgreiche Unternehmen in Brandenburg gäbe es diese Entwicklung in beiden Steuerarten nicht. Insofern habe ich kein Grundmisstrauen gegenüber jedwedem Steuerzahler oder jedweder Steuerzahlerin. 


Im Entwurf für das Wahlprogramm zur Bundestagswahl fordert DIE LINKE, den Spitzensteuersatz ab einem zu versteuernden Einkommen von 65.000 Euro pro Jahr wieder auf 53 Prozent zu erhöhen. Als Landesminister stehen Sie ohne Zweifel mit beiden Beinen im wirklichen Leben. Welche Chance hat eine solche Forderung, überhaupt umgesetzt zu werden?

Diese Forderung höre ich inzwischen in politischen Diskussionen bis in die Unternehmerschaft hinein. Dem Bundesratsantrag der Brandenburger rot-roten Landesregierung, den Spitzensteuersatz wenigstens auf 49 Prozent anzuheben, haben SPD-, Grüne- und CDU-Vertreter in der Länderkammer bislang die Zustimmung verweigert. Aber wir werden nicht locker lassen und diese Unehrlichkeit auch anprangern.  


Ein Patentrezept gegen Steuerhinterziehung gibt es wohl nirgends in der Welt? Was müssten Bund und Ländern tun, um in Deutschland die Situation zumindest zu entschärfen?


Ein erster Schritt wäre getan, wenn man Steuerhinterziehung wie jeden anderen Straftatbestand behandeln würde. Ich bemerke, dass dies auch von einer immer breiteren Öffentlichkeit so gesehen wird. Selbst der Bundesrat hat kürzlich mit den Stimmen der SPD-Länder einem diesbezüglichen Antrag Brandenburgs zugestimmt. Bei Straftaten muss das Strafrecht angewendet werden. Straftatbefreiende Selbstanzeigen gehören abgeschafft. Dann kann solch unsolidarisches Verhalten auch mit allen rechtlichen Mitteln verfolgt werden. Vor dem Gesetz sind alle gleich. Das muss auch wieder im Steuerrecht gelten.  

Wie bewerten Sie das Agieren innerhalb der EU gegen grenzüberschreitende Steuerhinterziehung in Europa?

In der Europäischen Union muss eben auch gleiches Recht für alle gelten. Wie will man eine gemeinsame Finanzunion oder gar eine gemeinsame Sozialunion aufbauen, wenn man nicht mal Steueroasen und Steuerflucht überall nach den gleichen Regeln bekämpft?

US-Forscher befragten für eine Studie im März rund 7600 Bürgerinnen und Bürger aus acht EU-Staaten. Im Ergebnis sank die Zustimmung zum Projekt Europäische Union innerhalb eines Jahres von 60 auf 45 Prozent. Ähnliche Umfragen auf nationaler Ebene haben vergleichswerte Ergebnisse. Geht nicht die anfänglich erwähnte Steuermoral in dem gleichen Maße verloren, wie Vertrauen in den Staat verloren geht?

Die Debatte um Uli Hoeneß hat doch Überraschendes gezeigt: Wer hätte denn gedacht, dass Steuermoral noch als so ein hoch angesehenes Gut gilt? Ich meine, dass die Menschen nicht nur viel von ihrem Staat, viel von der Europäischen Union erwarten, sondern auch bereit sind, ihren Anteil beizutragen. Allerdings glaube ich nicht, dass die Begeisterung für das großartige europäische Projekt ausgerechnet wegen eines besseren Steuerrechts wieder wächst. Dafür bedarf es ein Mehr an europäischer Kultur, ein Mehr an sozialer Gerechtigkeit, ein Mehr an europäischer Solidarität. Angela Merkel hat da viel kaputt gemacht.  


Und wie kann dieser Entwicklung entgegen gewirkt werden?

Auch, indem die LINKE  - bei aller notwendigen Kritik an Handlungsmechanismen der EU - diese als ein positives Projekt aufnimmt und sich für sie engagiert.


linksfraktion.de, 21. Mai 2013