Von Niema Movassat, drogenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag
Die Corona-Pandemie hat die Versorgung suchtkranker Menschen zeitweise sehr verschlechtert. Suchthilfeeinrichtungen mussten ihr Angebot schließen oder einschränken. Zudem zählen viele der Konsument*innen durch gesundheitliche Vorbelastungen zur COVID-19-Risikogruppe. In Deutschland sind über 160.000 Menschen opioidabhängig, etwa die Hälfte von ihnen wird substituiert. Schätzungsweise etwa 40.000 Menschen sind kokainabhängig und 300.000 cannabisabhängig. Bei den legalen Drogen weisen über 3 Millionen Erwachsene eine alkoholbezogene Störung auf (DHS Jahrbuch Sucht 2020).
Auf die Versorgung von Substitutionspatient*innen hat die Bundesregierung zu Beginn der Corona-Pandemie schnell reagiert und mit einer Rechtsverordnung die Verschreibung von Substitutionspräparaten vereinfacht. Das ist zwar eher ein kleiner Schritt, aber zumindest geht er in die richtige Richtung. DIE LINKE. im Bundestag hat die Bundesregierung in einer kleinen Anfrage gefragt, wie sie darüber hinaus die gesundheitliche Versorgung von suchtkranken Menschen sichern möchte.
Grundsätzlich gibt sich die Bundesregierung in ihren Antworten besorgt um die Situation suchtkranker Menschen. Auf die Frage allerdings, wie die gesundheitliche Versorgung der über 80.000 opioidkonsumierenden Menschen, die bislang nicht substituiert werden, sichergestellt wird, vor allem wenn die illegalen Substanzen nicht mehr auf dem Schwarzmarkt erhältlich sind, antwortet die Bundesregierung zynisch: Ihr würden keine Informationen vorliegen, dass sich an der Verfügbarkeit von illegalen Substanzen in Deutschland seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie grundlegend etwas verändert habe.
Bundesregierung macht es sich zu einfach
Damit macht es sich die Bundesregierung zu einfach, denn es gibt nicht nur vereinzelte Berichte, dass sich die Coronakrise auf den illegalen Drogenmarkt auswirkt. Das European Monitoring Centre for Drugs and Drug Addiction (EMCDDA) veröffentlichte kürzlich einen Report, in dem steigende Preise, lokale Engpässe und teilweise verringerte Reinheit der Substanzen auf dem europäischen Drogenmarkt festgestellt wurden. Darauf zu setzen, dass der illegale Drogenmarkt weiterhin zehntausende suchtkranke Menschen versorgt, ist fahrlässig. Die während der Pandemie neu aufgenommenen Substitutionspatient*innen bleiben ein Tropfen auf den heißen Stein. Es fehlt schlichtweg an Kapazitäten. Zur Substitution, zum Beispiel bei einer Kokainabhängigkeit, sieht die Bundesregierung keine rechtliche Grundlage.
Bereits im letzten Jahr ist die Zahl der Drogentoten im Vergleich zum Vorjahr um fast zehn Prozent gestiegen. Es bleibt zu befürchten, dass die Zahl für das aktuelle Jahr nochmals ansteigt, da die gesundheitlichen Risiken durch gesteckte Substanzen, Überdosen, kalte Entzüge oder Rückfälle et cetera zunehmen. Hier bedarf es einer grundlegenderen Stärkung des Suchthilfe – durch den Ausbau der Substitutionsmedizin beispielsweise auch durch Substitution von anderen Stoffklassen, Take-Home-Lösungen auch in der diamorphingestützten Behandlung, der Einführung von drug-checking und dem Ausbau von Drogenkonsumräumen. Die Coronakrise hat hier nochmals besonders die Defizite der deutschen Suchtpolitik offenbart, die es nun schnellstens zu beheben gilt.