Von Gisela Zimmer
Castrop-Rauxel, eine mittelgroße Stadt im Rhein-Ruhr-Gebiet. Charlotte Mourner lebt hier. Sie kam aus beruflichen und privaten Gründen aus Dresden über Premnitz im Land Brandenburg bis tief in den Westen. Verabredet sind wir am Jobcenter von Castrop-Rauxel. Untergebracht ist es im Rathaus, einem wuchtig abweisenden Gebäude, das sich endlos lang an der Straße hinzieht, mit dunklen Klinkersteinen ummantelt ist und nur schmale Schlitze als Fenster besitzt. Sie gehe nicht gern hierher, sagt Charlotte Mourner. Zu lange musste sie es tun, etwa zehneinhalb Jahre lang, neun davon trotz Arbeit als sogenannte Aufstockerin.
Charlotte Mourner gehörte zu den Ersten, die im Jahr 2005 – als die Hartz-IV-Gesetze das bis dahin geltende System des Arbeitslosengelds, der Arbeitslosenhilfe und der Sozialhilfe ablösten – auf das offiziell so genannte Arbeitslosengeld II abrutschte. Immer sei sie mit einem »mulmigen« Gefühl hingegangen. Rückblickend weiß sie auch: Sie und alle anderen »Hartz-IV-Anfänger« mussten sämtliche »Kinderkrankheiten« der neuen Mammutbehörde aushalten. Immer fühlte sie sich als Bittstellerin, nur selten erhielt sie eine ihr zustehende Leistung umgehend, zu oft musste alles per Widerspruch oder sogar durch das Gericht eingeklagt werden.
Die Klagewelle
Klagen, davon kann Udo Geiger ein Lied singen. Seit 1992 ist er Sozialrichter in Berlin. Hartz-IV-Prozesse, das war auch Neuland für die Gerichte. Es gab Zeiten, da musste er als Richter zwei, drei Urteile pro Tag fällen und schreiben. Häufig waren es Eilentscheidungen.