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Macht der Lobbyisten begrenzen

Interview der Woche von Klaus Ernst,

Foto: Uwe Steinert

 

 


 

Klaus Ernst, Leiter des Arbeitskreises Wirtschaft, Arbeit und Finanzen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag, über Mittel gegen den massiven Einfluss von Lobbyisten, die schwachen Ideen der künftigen Koalitionäre dazu, wirksame Oppositionsrechte und eine kämpferische LINKE


SPD und Unionsparteien haben schier endlos und nächtelang über einen Koalitionsvertrag verhandelt. Das Ergebnis ist – gemessen an den Wahlversprechen der SPD – dürftig. Wie stark war Ihrer Einschätzung nach der Einfluss von Lobbyisten auf die Vertragsgestaltung?

Klaus Ernst: Der Koalitionsvertrag ist das Ergebnis des Einflusses von Kapitalinteressen. Steuergerechtigkeit und eine Bürgerversicherung etwa fielen gänzlich raus. Selbst beim Aushänge-Thema Regulierung von Arbeit ist die SPD vor den Interessen der Wirtschaft eingeknickt. Der neue BDA-Präsident Kramer hat ja ganz offensiv mit Arbeitsplatzverlusten gedroht, schon wenn die absolut unzureichenden Pläne der von Schwarz-Rot bei Arbeitsmarkt- und Sozialpolitik umgesetzt werden sollten.

Der Einfluss von Wirtschaftslobbyisten lässt sich auch beim Thema Energie sehr gut ablesen: Konventionelle Kraftwerksbetreiber haben sich den wirtschaftlichen Betrieb notwendiger Kapazitäten konventioneller und flexibel einsetzbarer Kraftwerke zusichern lassen. Aus einem SPD-Vorschlag von 75 Prozent Erneuerbaren in 2030 wurden 55 bis 60 Prozent im Jahr 2035.

Ist es denn grundsätzlich verwerflich, wenn Interessengruppen versuchen, Einfluss auf politische Entscheidungen zu nehmen?

Dass Interessengruppen ihren Einfluss geltend machen wollen, ist eher normal. Ich hätte mir ja gewünscht, dass auch die Gewerkschaften und Sozialverbände mit ihren Positionen der Offensive der Wirtschaftslobby etwas entgegensetzen.

Demokratiegefährdend und bedenklich wird es dann, wenn eine Minderheit sich gegen die Interessen der Mehrheit durchsetzt, nur weil sie über das größte Lobby- und PR-Budget verfügt. Diese können sich nicht nur die Experten für die Facharbeit leisten, sondern auch die notwendige Vorarbeit für gute Netzwerke, Kontakte oder Kampagnen. Da wird ein früherer Spitzenpolitiker in dem Verband oder Unternehmen beschäftigt, über hoch dotierte Vortragstätigkeiten an sich gebunden oder über großzügige Parteispenden politische Landschaftspflege betrieben. Die fehlende Regulierung macht‘s möglich.

Das Magazin SPIEGEL berichtet, der Energiekonzern RWE habe während der Koalitionsverhandlungen einen "War Room" eingerichtet, in dem wie in einer militärischen Kommandozentrale Informationen aus den Koalitionsverhandlungen analog zu Frontberichten ausgewertet und Strategien entwickelt wurden. Hat sich Lobbyismus in den vergangenen Jahren verändert, militarisiert?

Natürlich wird kein Politiker mit der Waffe gezwungen, bestimmte Passagen in den Koalitionsvertrag einzupflegen. Doch die straffe Organisation erinnert schon an generalstabsmäßige Planung. Dafür ist auch ist die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft ein Paradebeispiel. Ihre Inhalte verbreitet die INSM durch Anzeigen, Bücher und Lehrveranstaltungen und indem sie vermeintliche Experten für Diskussionsrunden, Interviewpartner oder fertige Printbeiträge stellt. Doch was als Wissenschaft daherkommt, wird von Arbeitgeberverbänden finanziert und ist nichts anderes als der Versuch, neoliberale Anschauungen in den Köpfen der Leute zu verankern.

Im Übrigen ist offensichtlich ein Gewöhnungseffekt zu Lobbying festzustellen. Wie kann es sein, dass die eigentlich geheimen Verhandlungspapiere so problemlos auf den Schreibtischen der Konzernzentralen landen? Die Interessen bestimmter Politiker und der Wirtschaftslobbyisten scheinen zunehmend zu verschmelzen.

Wie sähen aus Ihrer Sicht akzeptable Rahmenbedingungen für einen Austausch zwischen Interessenverbänden und Politik aus?

DIE LINKE fordert schon lange ein Lobbyregister beim Deutschen Bundestag und den Ministerien, Karenzzeiten für ausscheidende Politiker, die Offenlegung der Nebentätigkeiten von Abgeordneten, ein Verbot von Unternehmensspenden an Parteien, von so genannten Leihbeamten in Ministerien und des Sponsoring von Veranstaltungen von Parteien und Ministerien. All dies muss dringend umgesetzt werden, um einseitige Einflussnahme zu verhindern.

Die Koalition aber begnügt sich mit einer erhöhten Transparenz beim Einsatz externer Personen in der Verwaltung, einer wie auch immer gearteten Neuregelung der Strafbarkeit der Abgeordnetenbestechung und einer Regelung für Karenzzeiten.

Um nochmals auf den Koalitionsvertrag zurück zu kommen: Lobbyisten-Handschrift im Vertrag und nach und nach bekannt werdende "Geheimabsprachen" der Koalitionäre zeichnen ein nicht sehr transparentes Bild der Bundesregierung in spe, die erdrückende 80 Prozent Parlamentsmehrheit hinter sich weiß. Wie wollen Sie da Ihrer Oppositionsführerrolle gerecht werden und Kontrolle ausüben?

Diese Ausgangslage macht es uns nicht gerade einfach. Das ist wahr. Zum einen sind die derzeitigen Regeln nicht auf so eine kleine Opposition ausgerichtet, zum anderen nutzt die Große Koalition ungeniert ihre Übermacht. Erst letzte Woche gab es im Hauptausschuss einen Eklat: Die Koalition hat sich geweigert, unsere Anträge zu behandeln. Davor wurde schon einfach so die Sitzungswoche im November gestrichen – trotz arbeitsfähigem Bundestag. Und nicht zu vergessen: Union und SPD haben sich mal eben einen Vizepräsidenten mehr gegönnt. Wir werden das weiter skandalisieren und weiter dem Motto folgen: Jetzt erst recht!
Bei den zu ändernden parlamentarischen Regeln, um die Oppositionsrechte ausüben zu können, bin ich zuversichtlich. Hier machen auch die Medien Druck, denn zum Funktionieren unserer Demokratie muss es eine wirksame Opposition geben.

linksfraktion.de, 9. Dezember 2013