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LINKE will Pflege-Bahr stoppen

Im Wortlaut,

Antrag an den Bundestag fordert die Anpassung der Leistungen in der Pflegeversicherung und die Abschaffung der privaten Zusatzpolicen

Über einen Antrag der Bundestagsfraktion der LINKEN zur Abschaffung der staatlich geförderten Pflegezusatzversicherungen debattiert heute der Bundestag.

 

Von Silvia Ottow

Es ist noch kein Jahr her, dass führende Sozialdemokraten auf Wahlveranstaltungen, in Interviews oder auf ihren Seiten im Internet die Abschaffung des sogenannten »Pflege-Bahr« für den Fall ihres Wahlsieges ankündigten. Manuela Schwesig, Peer Steinbrück, die ehemalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt – um nur einige zu nennen.

Zur Erinnerung: Der »Pflege-Bahr« ist ein Gesetz über staatlich geförderte Zusatzversicherungen für den Pflegefall. Es trat am 1. Januar 2013 in Kraft. Die Förderung erfolgt in Form einer Zulage. Die Förderung beträgt fünf Euro im Monat. Seinen Namen hat das Gesetz vom liberalen Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr bekommen, dem man damals vorgeworfen hatte, ein für die Versicherten vollkommen unnützes Gesetz zu machen, von dem nur Versicherungsverkäufer profitierten. Nutzlos, bürokratisch und unsozial fand man es ebenfalls bei den Grünen.

Nach einem Jahr und drei Monaten Pflege-Bahr will ihn die SPD jedenfalls nicht mehr abschaffen. Sie hat schon angekündigt, dem Antrag der LINKEN auf eine Rückabwicklung der ganzen Sache heute nicht zuzustimmen, frei nach dem Motto »Was interessiert mich mein Geschwätz von gestern«, wie Pia Zimmermann von der LINKEN sagt. Wer eine solche Zusatzversicherung abschließe, wisse heute nicht, was die vereinbarten Leistungen zukünftig wert sind und müsse darüber hinaus fünf Jahre warten, ehe er Leistungen erhalte. »Eine Anpassung an die immer teurer werdende Pflege ist nicht vorgesehen. Für akut Pflegebedürftige macht der Pflege-Bahr also genauso wenig Sinn wie für junge Leute«, so die Pflegeexpertin. Das Gesetz sei »unnütz und untermauere das Teilkaskoprinzip dieser Versicherung. Ginge es nach der LINKEN, so würde durch eine solidarische Bürgerinnen- und Bürgerversicherung gute Pflege für alle umfänglich zu finanzieren sein. Das wäre vor weniger als einem Jahr auch die Position der Sozialdemokraten gewesen, die sich als Mitglied einer Großen Koalition von diesem Plan allerdings verabschiedet haben.

Bis zum Oktober 2013 hatten nach den Recherchen der Linksfraktion 332 600 Versicherte einen Pflege-Bahr abgeschlossen, nach Quellen der Sozialverbände sind es bis dato schon doppelt so viele und die Versicherungswirtschaft spricht gar von der Erreichung des einmillionsten Vertrages noch in diesem Jahr. Das Durchschnittsalter derjenigen, die den Tarif abgeschlossen haben, beträgt nach Angaben des Verbandes der Privaten Krankenversicherung 28 Jahre.

Im Antrag der Linksfraktion wird die private Pflegezusatzversicherung als sozialpolitische Fehlanzeige bezeichnet. Die Bezuschussung komme einer Privatisierung des Pflegerisikos gleich und höhle das Solidaritätsprinzip der Sozialen Pflegeversicherung aus. Es sei vollkommen ungewiss, was die heute vereinbarten Pflegeleistungen noch wert seien, wenn sie in ferner Zukunft in Anspruch genommen würden.

Da überwiegend gut Verdienende diese private Zusatzversicherung nachfragen, verschärft der sogenannte Pflege-Bahr nach Meinung der LINKEN die soziale Spaltung in der Gesellschaft. Die Ungleichheit in der pflegerischen Versorgung vergrößert sich, da sich Menschen mit geringem Einkommen und hohen Pflegerisiken eine solche zusätzliche Pflegeversicherung nicht leisten können. Besonders pflegenahe Jahrgänge würden benachteiligt. Aufgrund der altersgerechten Prämien und der fünfjährigen Wartezeit sei ein Anschluss für sie zu teuer oder nicht sinnvoll.

Stiftung Warentest zufolge seien private Pflegeversicherungsverträge ohne staatliche Förderung oft sinnvoller und kostengünstiger als der Pflege-Bahr. Sie deckten oft die vollen Pflegekosten ab und die Beitragszahlungen endeten mit dem Eintritt der Pflegebedürftigkeit. Beim Pflege-Bahr gehen sie weiter. Berater Timo Voß vom Bund der Versicherten sagte dem Nachrichtenportal »Spiegel online«, dass Pflege-Bahr-Verträge nach dem Gießkannenprinzip ohne angemessene Beratung verschickt würden. Das Portal zitiert auch den Pflegeexperten des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Dieter Lang. Er sagt: »Wir sollten den Pflege-Bahr auslaufen lassen.«

neues deutschland, 4. April 2014