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LINKE will ausgeglichenen und gerechten Haushalt

Interview der Woche von Roland Claus, Gesine Lötzsch,



Gesine Lötzsch, Vorsitzende des Haushaltsausschusses der Bundestags, und Roland Claus, haushaltspolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE, über den Bundeshaushalt 2014, die schwarze Null, Schulden sowie willkürliche Kürzungen, den Griff in die Sozialkassen und eine Regierung, der Mut fehlt

Die schwarze Null ist der Traum eines jeden Finanzministers. Erstmals ein Haushalt ohne neue Schulden – den hat Finanzminister Schäuble nun für 2015 angekündigt und freut sich. Freuen Sie sich mit ihm?

Gesine Lötzsch: Der Finanzminister hat einen Verschiebebahnhof organisiert. Er greift in die Sozialkassen, um sein Ziel zu erreichen. Damit ist keinem geholfen. Im Gegenteil. Es besteht die reale Gefahr, dass die Krankenkassen ihre Beiträge erhöhen müssen, weil der Finanzminister den Bundeszuschuss für den Gesundheitsfonds kürzt. Das ist wirklich kein Grund zur Freude.

Vor dem angepeilten Etat-Ausgleich schlagen in diesem Jahr nochmals neue Kredite in Höhe 6,5 Milliarden Euro zu Buche. Das sind etwa 300 Millionen Euro mehr, als von der vorherigen Regierung angekündigt. Woran liegt das?

Roland Claus: Es fehlt dem Haushalt an Philosophie. Die viel beschworene schwarze Null kommt im Lebensalltag der allermeisten Menschen nicht an. In diesem Haushalt wird mal hier, mal da willkürlich gekürzt und dann braucht man plötzlich doch wieder neue Kredite. Weil das Entscheidende nicht gewagt wird: die großen Vermögen stärker zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen.

Aber die Steuereinnahmen sprudelten doch in den vergangenen Jahren?

Roland Claus: Sie stiegen, aber sie stiegen im Gleichklang mit dem Bruttoinlandsprodukt (BIP), und das reicht angesichts eines steigenden öffentlichen Bedarfs nicht aus. Die Steuerquote beträgt in Deutschland seit vielen Jahren immer rund 23,5 Prozent des BIP. 2010 und 2011 war sie mal auf 22,3 oder 23,0 Prozent gesenkt worden. EU-Durchschnitt sind aber 26,8 Prozent. Auch die Staatsquote ist in Deutschland mit 44,7 Prozent des BIP niedriger als im EU-Durchschnitt mit 49,1 Prozent.

Wie steht es eigentlich um den Schuldenberg von inzwischen mehr als 1300 Milliarden Euro, den Deutschland aufgetürmt hat?

Gesine Lötzsch: Der Finanzminister redet ja gern über den notwendigen Schuldenabbau in anderen Ländern. Er vergisst dabei immer zu erwähnen, dass unter den Merkel-Regierungen die Verschuldung des gesamten Staates von 1,5 Billionen Euro im Jahr 2005 auf 2,1 Billionen Euro im Jahr 2013 angestiegen ist. Ein wirklicher Schuldenabbau ist nur möglich, wenn wir in Deutschland Steuergerechtigkeit herstellen. Doch das ist im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Selbst den Abbau von unsinnigen Subventionen betrachtet Herr Seehofer als Steuererhöhung. Ich denke zum Beispiel an die Subventionierung von Flugbenzin.

Seit der Eurokrise vermitteln viele Medien und konservative Regierungen den Eindruck, dass Sparen wegen überbordender Staatsschulden das Gebot der Stunde ist. Was stimmt denn daran nicht?

Roland Claus: Es stimmt daran nicht, dass das Sparen vor die Steuergerechtigkeit gesetzt wird. Wir von der LINKEN haben ein Steuerkonzept auf den Tisch gelegt, mit dem wir jährlich 180 Milliarden Euro Mehreinnahmen erzielen könnten: 80 Milliarden aus der Millionärsteuer, die den Ländern zugute käme; 30 Milliarden aus der Transaktionssteuer für den Bund; je 17,5 Milliarden für Bund und Länder durch gerechtere Unternehmensbesteuerung; 21 Milliarden für die Gemeinden über Ersatz der Gewerbesteuer durch eine Gemeindewirtschaftsteuer mit größerer Bemessungsgrundlage.

Strukturell ausgeglichen sei der Haushalt schon 2014, verkündet die Bundesregierung. Ist also alles im Lot?

Gesine Lötzsch: Nochmals: Ein ausgeglichener Haushalt ist nicht automatisch ein gerechter Haushalt. Schauen wir uns doch mal die Zahlen genauer an. Die Körperschaftsteuer, die auf den Gewinn zu zahlen ist, fiel unter der SPD-Grünen-Regierung von 45 beziehungsweise 30 Prozent zunächst auf 25 und dann auf 15 Prozent. In der Summe von Körperschaftsteuer, Gewerbesteuer und Solidaritätsabgabe entrichten Kapitalgesellschaften heute nur noch etwa 30 Prozent Steuern auf ihre Gewinne. Betrug der Anteil der Gewinnsteuern am Gesamtsteueraufkommen 1960 noch 35 Prozent, ist er 2006 auf 20 Prozent gesunken. Das ist eine Schieflage, die wir nicht akzeptieren können.

Was kritisieren Sie am Haushaltsentwurf der Großen Koalition für 2014?

Roland Claus: Dass er die Umverteilung von unten nach oben nicht stoppt, sondern fortführt. Dass damit die Kluft zwischen Arm und Reich nicht kleiner, sondern größer wird. Die Armen werden ärmer, die Reichen zahlreicher: Das ist der Weg, der auch mit diesem Haushalt wieder zementiert wird. Die Privatvermögen insbesondere der oberen Zehnprozent steigen, der öffentlichen Hand hingegen geht immer öfter das Geld aus.

Die Bundesregierung verteidigt sich gegen den Vorwurf, sie greife in die Sozialkassen. Langfristig steige der Anteil der Sozialausgaben an den gesamten Bundesausgaben von knapp 50 Prozent in diesem Jahr auf 52 Prozent 2018...

Gesine Lötzsch: ...das ändert doch nichts daran, dass das Rentenpaket im Wesentlichen aus der Rentenkasse bezahlt wird. Doch politische Korrekturen bei der Rente müssen aus Steuermitteln finanziert werden. Wer bestellt, muss auch zahlen. So sind eigentlich die Regeln. Tatsache ist doch auch, dass weitere Kostensteigerungen im Gesundheitswesen ausschließlich auf die Versicherten abgewälzt werden. Der Arbeitgeberanteil wurde eingefroren. Das ist doch eine Politik der gezielten Entsolidarisierung von Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Viele Kommunen sind klamm bei Kasse – in Ost und West. Tut die Große Koalition etwas dagegen?

Roland Claus: Wie gesagt: Es fehlt ihr der Mut, dagegen etwas zu tun. Wenn wir Umverteilung von oben nach unten fordern, dann nicht nur bei den Einkommen, sondern eben auch bei den öffentlichen Mitteln. Die müssen von oben, vom Bund, nach unten, in die Kommunen, umverteilt werden. Das Geld muss dorthin, wo die Menschen sind.

Wie würde denn – in groben Zügen – eine solide, auf die Zukunft gerichtete, LINKE Haushaltspolitik in der derzeitigen Situation aussehen?

Gesine Lötzsch: Wenn die LINKE die Finanzministerin stellen würde, dann wäre für uns wichtig, dass alle Steuerpflichtigen nach ihren wirtschaftlichen Möglichkeiten Steuern zahlen müssten. Wir wollen nicht nur einen ausgeglichenen Haushalt, sondern auch einen gerechten Haushalt. Davon sind wir leider weit entfernt. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag die Herstellung von Steuergerechtigkeit explizit ausgeschlossen. Wir sehen große Einsparmöglichkeiten im Rüstungsetat. Wir sind auch der Überzeugung, dass viel Geld für den Bereich Arbeit und Soziales kein Ausdruck von guter Sozialpolitik ist. Nur ein Beispiel: Wir zahlen alle 10 Milliarden Euro jährlich für sogenannte Aufstocker. Das sind Menschen, die von ihrem Arbeitgeber so wenig bekommen, dass sie von ihrer Arbeit nicht leben können. Deshalb sind sie auf  staatliche Unterstützung angewiesen. Doch von Arbeit muss man leben können. Schon jetzt ist klar, dass auch ein Mindestlohn von 8,50 Euro nicht ausreichen wird, um ein würdiges Leben ohne Unterstützung des Staates zu ermöglichen. Deshalb haben wir einen Mindestlohn von 10 Euro gefordert. Es kann nicht sein, dass die Steuerzahler Unternehmen subventionieren, die keinen gerechten Lohn zahlen. Diesen Zustand wollen wir beenden.

Allerdings bin ich auch der festen Überzeugung, dass es ein Irrglaube ist, wenn Politiker meinen, eine Milliarde Euro mehr Ausgaben bringt eine Millionen mehr Stimmen bei der nächsten Wahl.


linksfraktion.de, 7. April 2014