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LINKE Strategien gegen die Eurokrise

Im Wortlaut,


Veranstaltungszelt der Konferenz »Blockupy Frankfurt - LINKE Strategien gegen die Eurokrise« am 19./20. Oktober auf dem Roßmarkt in Frankfurt/Main


Von Effi Böhlke, Lucia Schnell, Björn Aust


Unter diesem Motto fand am  Abend des 19. Oktober im DGB-Haus in Frankfurt am Main eine Fraktion vor Ort-Veranstaltung statt. Gut 80 Personen waren gekommen, um den Schilderungen der Gäste aus Griechenland, Spanien und Frankreich über die Situation in ihren Ländern zuzuhören und über Auswege aus der Krise zu diskutieren, die ganz Europa betrifft. Begrüßt wurden sie von Ulrich Wilken (MdL Hessen), der die Veranstaltung als Auftakt zu dem vom Blockupy-Bündnis initiierten Aktionswochenende vom 19. bis 21. Oktober bezeichnete.

Erste Rednerin war Elisabeth Gauthier (transform! Paris). In Frankreich sei Präsident Hollande dabei, sich selbst zu entzaubern. Sein Wahlversprechen, den Fiskalpakt neu zu verhandeln, habe er nicht gehalten. Ganz im Gegenteil: Dieser ist nun ratifiziert und werde umgesetzt, mit den Folgen von Massenentlassungen, Lohnsenkungen, Kürzungen im Sozialbereich. Gegen diese mit autoritären Mitteln durchgesetzte Austeritätspolitik und die Gefahren eines Umkippens der enttäuschten Hoffnungen in Passivität einerseits, einen verstärkten Zulauf der Rechten andererseits, müsse die Linke konstruktive Alternativen internationalistischen Zuschnitts setzen: Es gehe darum, Allianzen neuen Charakters zu bilden, in welchen sich linke Parteien, Gewerkschaften und soziale Bewegungen zusammenfinden, und zwar über die Ländergrenzen hinweg. So soll es am 14. November einen länderübergreifenden Streik geben, und im Frühjahr 2013 ein alternatives Gipfeltreffen in Athen.

Daran knüpfte Yannis Bournous (Syriza, Athen) an: Ein erster internationaler Streik in Portugal, Griechenland und Spanien sowie ein linkes Gipfeltreffen wären die beste Antwort auf den Terror der neoliberalen Politik. In jedem Fall habe sich gezeigt: Die neoliberale Politik ist kein Mittel zur Lösung der Krise, sondern eine Methode der Umverteilung des Reichtums zugunsten des Großkapitals. Auf politischer Ebene führt sie zur Zerstörung demokratischer Strukturen. Syriza nun sei das erste real existierende gegenhegemoniale Projekt in Europa: Im Rahmen von lokalen Solidaritätsnetzwerken werden effektive Alternativen zur Marktwirtschaft erprobt, etwa Formen des geldlosen Austausches von Dienstleistungen (Beispiel: kostenloser Unterricht gegen kostenlosen Friseurtermin). Darüber hinaus wird vermittels der Netzwerke versucht, politisches Bewusstsein zu schaffen, Engagement zu fördern und neue Denk- und Verhaltensstile zu kreieren.

Nach Christine Buchholz (MdB) verfolgen die herrschenden Klassen derzeit zwei Ziele: Die Bankenrettung im Namen der Eurorettung, und die Zerschlagung des Sozialstaatsmodells. Gegen die Taktik des Gegeneinanderausspielens der nationalen Bewegungen müsse die europäische Linke, und innerhalb derselben DIE LINKE in Deutschland, die internationale Solidarität verstärken. Sie müsse aufzeigen, dass es sich hier nicht um einen Konflikt zwischen europäischen Völkern, zwischen Nord- und Südeuropa, handelt, sondern um einen Konflikt zwischen oben und unten, zwischen Krisenprofiteuren und -verlierern. Dem von den Medien vermittelten Bild von den „fleißigen Deutschen“ und den „faulen Griechen“ müssten überzeugende und erlebbare Darstellungen der tatsächlichen Realitäten entgegengesetzt werden.

Aitor Girona (Movimiento 15 M, Madrid) analysierte die Krise in Spanien und ihre Ursachen. Die neoliberale Politik, in den 70er Jahren in Lateinamerika erprobt, in den 90er Jahren in Asien, gehe zur Attacke auf die letzte Bastion des Sozialstaats über – in Europa. Statt um eine reine Finanzkrise handele es sich derzeit um eine präzedenzlose Zerstörung der öffentlichen Güter. Die Umverteilung zugunsten der Banken habe drei Folgen: Die Aushöhlung des (spanischen) Staates, ein extremes Auseinanderdriften von arm und reich (dabei steht Spanien europaweit an der Spitze), und eine auseinanderklaffende Schere zwischen der Situation in den europäischen Gläubiger- und Schuldnerstaaten, was zu einer neuen Zentrum-Peripherie-Konstellation in Europa führt. Die so genannten „Rettungspakete“ seien keine Lösung – von den 100 Milliarden Euro aus dem aktuellen Bankenpaket gehen null Euro an die spanische Bevölkerung. Durch die an sie geknüpften Spardiktate, die zu weiterem Sozialabbau führen, verschärfen die „Rettungspakete“ vielmehr die Widersprüche.

Wir brauchen, so Girona, keine „Rettungspakete“, sondern eine neue europäische Verfassung – und die müssen wir selbst machen!

linksfraktion.de, 21. Oktober 2012