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Linke einig über EU-Verfassung?

Im Wortlaut von Oskar Lafontaine,

Oskar Lafontaine über Initiativen für alternativen Verfassungsprozess

Der Fraktionschef der LINKEN. ist Mit-Autor des Memorandums für eine alternative EU-Verfassung.

Morgen lädt die Bundestagsfraktion DIE LINKE. nach Berlin zu einer internationalen Konferenz zur EU-Verfassung. Wie wahrscheinlich ist es, dass der Verfassungsprozess neu belebt wird?

Oskar Lafontaine: Bundeskanzlerin Angela Merkel will im Zusammenwirken mit anderen Regierungen den Verfassungsprozess neu beleben - aber ohne Einbeziehung der Bevölkerung. Damit ist der Versuch von vornherein zum Scheitern verurteilt. Eine europäische Verfassung kann es nur geben, wenn die Völker Europas darüber abstimmen.

Das heißt, keine Verfassung ohne Volksabstimmung?

Unsere Kritik richtet sich gegen die Teile des Verfassungsvertrages, die den Neoliberalismus festschreiben wollen. Wer will, dass die Völker Europas zustimmen, muss Vorschläge machen, wie der Wettbewerb um die niedrigsten Löhne, die niedrigsten Steuern, die niedrigsten sozialen Leistungen umgewandelt wird in einen Wettbewerb um bessere Lebensbedingungen für die Europäerinnen und Europäer.

Hätte es das Projekt nie gegeben: Braucht Europa eine Verfassung?

Europa muss sich auf Grundsätze des staatlichen Zusammenlebens verständigen. Ich klebe nicht an dem Wort Verfassung, auf jeden Fall muss der Text die Billigung der Bürgerinnen und Bürger haben.

Sie haben im Januar gemeinsam mit Gregor Gysi Ecksteine für eine demokratische und soziale EU-Verfassung zur Diskussion gestellt. Werden sie in der Linksfraktion und den beiden Parteien geteilt?

Die Diskussion ist ohne Widerspruch verlaufen. Unsere Forderung, zum Beispiel den vergessenen Grundgesetzartikel »Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.« in die europäische Charta aufzunehmen, findet breite Zustimmung.

Und auch in der Europäischen Linken - keinerlei Dissens?

Die politischen Inhalte finden Zustimmung bei allen europäischen Mitgliedsparteien. Es gibt Diskussionen über den Weg. Die einen bevorzugen eine Verfassung, die anderen einen Vertrag. Entscheidend ist, dass wir in den Zielen übereinstimmen. Dazu gehört auch die Volksabstimmung.

Ist von der morgigen Konferenz ein greifbares Ergebnis zu erwarten?

Wir werden auch über die Airbus-Problematik sprechen und deutlich machen, dass die politische Linke in Europa den vorgesehenen Personalabbau auch aus wirtschaftlichen Gründen nicht für notwendig hält. Zudem werden wir dafür werben, dass Belegschaften nicht gegeneinander ausgespielt werden und sich auch nicht gegeneinander ausspielen lassen. Wir führen während der Konferenz Gespräche mit Belegschaftsvertretern aus Frankreich und Deutschland.

Was hat das konkret mit dem Verfassungsthema zu tun?

Das gehört dazu, weil es die betroffenen Arbeitnehmer beschäftigt. Konkret auf den Verfassungstext bezogen: Der Grundwert der Solidarität muss den Geist der europäischen Verfassung prägen.

Teilen Sie die Klage, dass das Thema Europa in der deutschen Linken unterbelichtet sei?

Nein, das sehe ich nicht. Stichwort Bolkestein: Hier war es die politische Linke, die zusammen mit den Gewerkschaften und anderen den Kampf gegen die Richtlinie aufgenommen hat. Leider ist der gewünschte Erfolg ausgeblieben. Daher werden wir auch weiter gegen Lohndumping in Europa kämpfen.

Fragen: Ines Wallrodt

Neues Deutschland, 8. März 2007