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Leiharbeitsurteile gehen an der Lebensrealität vorbei

Im Wortlaut von Klaus Ernst,

Von Klaus Ernst
 

 

 

 

Wir erinnern uns: Im Dezember 2010 erklärte das höchste Deutsche Arbeitsgericht die Tarifgemeinschaft Christlicher Gewerkschaften für Zeitarbeit und Personalservice-Agenturen, kurz CGZP, für tarifunfähig. Sie hatte seit 2003 Dumpingtarifverträge mit bundesweit über 1000, meist kleineren Personaldienstleistern geschlossen. Daraufhin hatten tausende Leiharbeitsbeschäftigte auf Zahlung der Lohndifferenz zu dem Stammbelegschaften der Betriebe, in denen sie beschäftigt waren, geklagt.

Teilweise betrugen die Lohnunterschiede bis zu 50 Prozent. Dabei hatten sich die Arbeitgeber mit Vertragstricks ein Hintertürchen offengelassen: Mit sogenannten Ausschlussfristen in den Arbeitsverträgen versuchten sie sich von vornherein, gegen mögliche Lohnnachforderungen abzusichern. Gleichzeitig besteht eine gesetzliche Verjährungsfrist von drei Jahren für den Anspruch auf gleiche Bezahlung. Beide Fristen wurden jetzt vor Gericht von mehreren betroffenen angezweifelt.

Und das Bundesarbetisgericht? Ja, aber, urteilte es am vergangenen Mittwoch. Denn nach Auffassung des Gerichts sind sowohl die vertraglichen Ausschlussgründe als auch die gesetzlichen Verjährungsfristen nicht zu beanstanden. Nur wenn keine Ausschlussfristen bestehen, haben Leiharbeitsbeschäftigte, die bisher noch nicht geklagt haben, Ansprüche auf höhere Lohnansprüche und hier nur noch für die Jahre ab 2010. Die davor liegenden Jahre sind unwiderruflich verloren. Tausende Leiharbeitsbeschäftigte gucken nun in die Röhre. Ihnen hat das Gericht den Anspruch auf vorenthaltenen Lohn endgültig verbaut. Sie gehen leer aus.

Die Folge: Nur ein sehr kleiner Teil der Betroffenen mit CGZP-Tarifen werden jetzt überhaupt ihre Ansprüche durchsetzten können. Die Frage, wie allerdings Leiharbeitsbeschäftigte schon vor der Entscheidung des BAG zur Tarifunfähigkeit der CGZP im Jahr 2010 ihre Ansprüche hätten sichern sollen, von deren Existenz sie ja gar nichts wissen konnten, ja, als noch nicht mal Arbeitsrechtsprofessoren abschätzen konnten, ob die Tarifverträge der CGZP ihre Gültigkeit haben, diese Frage blieb das BAG schuldig. Gleichzeitig verkennt Justitia, dass die Leiharbeitsbeschäftigten in einem Abhängigkeitsverhältnis zu ihren Arbeitgeber stehen, die ihnen systematisch windige Arbeitsverträge unterjubelten, die dem einzigen Zweck dienten: Den Equal Pay-Grundsatz zu unterlaufen. Die Urteile des BAG gehen deshalb an der Lebens- und Arbeitswirklichkeit der Betroffenen vorbei.

Aus Sicht der LINKEN kann es für die Zukunft nur eine Konsequenz geben: Wir brauchen im Arbeitnehmerüberlassungsgesetz endlich eine Klarstellung, dass Leiharbeitsbeschäftigte grundsätzlich vom ersten Tag an einen Anspruch auf gleiche Bezahlung wie die Stammbeschäftigten im Entleihbetrieb haben. Gleichzeitig brauchen wir längere Verjährungsfristen und ein Verbandsklagerecht für die Gewerkschaften. Sie könnten dann für die Betroffenen die Klageverfahren führen, ohne dass wertvolle Zeit ins Land zieht.

linksfraktion.de, 15. März 2013