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Lafontaine: »Wir nennen das Französisch Lernen«

Im Wortlaut,

Menschen vor Profite - Prominente Gäste auf alternativer Anhörung der Linkspartei zum Gipfel in Bad Doberan

Es könnte sein, dass die kommende Linkspartei schon ihr erstes ausländisches Mitglied hat. Und dieser erste ausländische Genosse ist der Träger des Alternativen Nobelpreises Walden Bello. Der Soziologie-Professor von den Philippinen war einer der Experten, die die Bundestagsfraktion der Linken zu einer dreitägigen Öffentlichen Anhörung zum Thema »Menschen vor Profite« nach Bad Doberan eingeladen hatte.

Hintergrund der Veranstaltung war die Idee, in relativer Nähe zum Tagungsort des G8-Gipfels einen anderen Blick auf dessen Teilnehmer zu werfen und konkret über die Folgen der neoliberalen Globalisierung zu diskutieren. Der Theologe Eugen Drewermann hielt aus christlicher Sicht ein emotionales Plädoyer für den Frieden und eine wirkliche Globalisierung im Sinne einer Humanisierung in internationaler Solidarität. Die ehemalige PDS-Vorsitzende und heutige EU-Abgeordnete Gabi Zimmer verlangte eine Kurskorrektur in der Entwicklung der EU und ihrer Lissabon-Strategie. Politikwissenschaftler Elmar Altvater machte auf die quasi religiösen Metaphern für die »Sachzwänge« aufmerksam, denen die Menschen ausgesetzt sind, und setzte sich für eine »solidarische Ökonomie« ein.

In einer begeistert aufgenommenen Rede verlangte Oskar Lafontaine über die Gewalt des Kapitalismus zu reden, der nach einem Zitat des französischen Sozialisten Jean Jaurès den Krieg in sich trage wie die Wolke den Regen. »Über diesen Satz müssen wir nachdenken.« Um »dem Riesen Kapitalismus Fesseln anzulegen«, forderte der Fraktionschef der Linksfraktion im Bundestag die Vergesellschaftung und demokratische Kontrolle von Schlüsselbereichen der Wirtschaft wie der Waffenindustrie, aber auch der Finanz- und Energiewirtschaft sowie die Demokratisierung der Medien. Außerdem rief er die alte sozialistische Forderung nach weltweiter Abrüstung in Erinnerung und verlangte die Renaissance einer linken Kampfform - des politischen Streiks: »Wir nennen das Französisch Lernen«.

Afrika darf kein Versuchslabor sein

Am Montag und Dienstag setzte sich das Tribunal in vier Anhörungen mit »Alternativen zur herrschenden Weltwirtschaftspolitik« sowie mit »globalen sozialen Rechten« auseinander. Parallel zum Gipfel, in dem es ja auch besonders um die Situation auf dem afrikanischen Kontinent gehen soll, diskutierte eine Expertenrunde mit Jane Nalunga aus Uganda, Francis Atwoli aus Kenia sowie Ike Okorie aus Nigeria sowie mit Armin Paasch, Agrarreferent bei »Foodfirst Information and Action Network« (FIAN), über Perspektiven für eine eigenständige Entwicklung auf dem schwarzen Kontinent.

Auch diese Runde kam zu dem eindeutigen Schluss, dass G8, Weltbank und Internationaler Währungsfonds eben jene Probleme erst geschaffen haben, die sie angeblich mit so viel Engagement bekämpfen wollen. Wie Jane Nalunga sagte, würden Entwicklungen nicht gefördert, sondern zerstört. So liege die einst blühende Textilindustrie Ugandas am Boden, da sie nicht mit europäischen Produkten konkurrieren konnte. Sehr kritisch setzte sich Nalunga mit den von der EU angestrebten Entwicklungspartnerschaften mit der Mehrheit der afrikanischen Länder auseinander. Afrika müsse eigene Alternativen entwickeln und dürfe nicht länger eine Art Versuchslabor für neoliberale Experimente sein.

Im Sinne des »Menschenrechts auf Ernährung« erläuterte Paasch die Mechanismen, die in vielen afrikanischen Ländern zu Armut und Unterernährung führen. Im Gegensatz zu landläufigen Erklärungen durch Naturkatastrophen und Kriege machte er dafür die Kommerzialisierung von Land, Wasser und Saatgut, die unfaire Handelspolitik und aggressive »Importfluten« aus Europa und den USA verantwortlich, die vor allem die Kleinbauern in den Ruin trieben. Insgesamt wurde auch bei diesem Thema eine Bemerkung von Christine Buchholz (WASG) bestätigt, die zu den Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei in Rostock hinzugefügt hatte, dass die »größte Gewalt« von den G8 selber ausgehe.

Immer ein Beitrittsformular in der Tasche

Christine Buchholz war es übrigens auch, die Prof. Bello zu Beginn seines Vortrages eine Mitgliedschaft in der neuen Linken in Aussicht stellte. Auf seine Bemerkung, er könne sich vorstellen, das erste ausländische Mitglied der neuen deutschen Linkspartei zu sein, reagierte sie blitzschnell. Sie habe immer ein Beitrittsformular in ihrer Tasche: »Wir können das gleich regeln.«

Von Jürgen Seidel, Bad Doberan

Neues Deutschland, 6. Juni 2007