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Kurze Flüge auf die Züge

Im Wortlaut von Jörg Cezanne,

Von Jörg Cezanne, Sprecher für Luftverkehr und Schiffahrt der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Ungefähr 30 Mal im Jahr trete ich die Reise von Frankfurt nach Berlin an und ich würde nicht im Traum darauf kommen, dies mit dem Flugzeug zu tun. Mit der Bahn bin ich bequemer unterwegs, kann in Ruhe arbeiten oder die Landschaft genießen. Von Haustür zu Haustür bin ich sogar schneller. Daher ist die aktuelle Debatte über Sinn und Unsinn von Kurzstreckenflügen eine Scheindebatte: Kurzstreckenflüge sind weder sozial- noch klimagerecht und daher ein Auslaufmodell.

Flugverkehr als Klimakiller

Fünf Prozent der menschengemachten Klimawirkung geht inzwischen auf das Konto des Luftverkehrs, jährliches Wachstum fast fünf Prozent. Wenn keine Maßnahmen ergriffen werden, wird die Pandemie diesen desaströsen Trend nur unterbrechen, aber nicht aufhalten. Allein die deutschen Inlandsflüge produzierten im Jahr 2019 gut 2,5 Millionen Tonnen CO2. Die Klimawirkung des Fliegens ist durch die Bildung von Wolken bis zu drei Mal höher. Inlandsflüge können bereits heute fast ausnahmslos auf die Bahn verlagert werden – allein am Frankfurter Flughafen waren es 2019 mehr als 60.000 verlagerbare Inlandsflugbewegungen. Und das Verlagerungspotenzial von Kurzstreckenflügen ins Ausland war mit gut 77.000 Flugbewegungen sogar noch höher, sodass insgesamt ein Drittel aller Flüge vom und zum Frankfurter Flughafen durch klimaneutrale Bahnfahrten ersetzt werden können. (Als Kurzstreckenflüge bezeichnet man Flüge zu Zielen, die in vier bis sechs Stunden mit der Bahn zu erreichen sind oder rund 500 km entfernt sind.) Das Bundesverfassungsgericht hat jüngst festgestellt, dass das Tempo beim Klimaschutz deutlich erhöht werden muss. Und die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn ist eine wirksame und vor allem recht schnell umzusetzende Klimaschutzmaßnahme. Wie viel CO2 dadurch genau gespart werden kann, ist noch unklar. Die Fraktion DIE LINKE hat daher die Große Anfrage „Verlagerungspotenzial von Flügen auf die Bahn in Deutschland“ eingereicht, welche hier Licht ins Dunkel bringen dürfte.

Fliegen als soziale Frage

Warum ist ein Inlandsflug oft billiger als eine Bahnfahrt? Weil Dumpingpreise im Luftverkehr nur zulasten der Beschäftigten angeboten werden können! Eine von mir in Auftrag gegebene Studie hat am Beispiel von Beschäftigten am Frankfurter Flughafen gezeigt, dass sich die Beschäftigungsbedingungen im Luftverkehr in den letzten 25 Jahren radikal verschlechtert haben. Sei es im Cockpit, der Kabine, bei den Bodenverkehrsdiensten oder der Luftsicherheit – überall wurde das Lohnniveau gedrückt, während die Arbeitsbelastung erhöht wurde. Billigfliegerei ist daher sozial höchst ungerecht. Zudem leiden arme Länder des globalen Südens viel stärker unter den Auswirkungen des Klimawandels, zu dem sie selbst am wenigsten beitragen. Und Wohnraum in verlärmten und damit gesundheitsgefährdenden Quartieren wird überwiegend von Menschen mit geringem Einkommen genutzt. Um die vielfältigen Belastungen des Luftverkehrs zu reduzieren, muss er zugunsten der Bahn reduziert werden. Den prekär Beschäftigten des Luftverkehrssektors könnte die Bahn eine sichere Perspektive bieten. Schallschutzmaßnahmen sorgten für eine geräuscharme Bahn. Und nicht zuletzt beförderte es den globalen Klimaschutz.

Was ist zu tun?

Die Verlagerung von Kurzstreckenflügen auf die Bahn erfordert zweierlei. Um kurzfristig das bestehende Potenzial besser auszuschöpfen, müssen klimaschädliche Vergünstigungen beendet werden. ÖPNV und Bahn zahlen Energiesteuer wie jede Autofahrerin – der Luftverkehr nicht. Die Fraktion DIE LINKE fordert daher die Einführung einer Kerosinsteuer, am besten europaweit. Dadurch würde der Anreiz geschaffen, bereits bestehende Kooperationen zwischen Bahn uerkländ Luftverkehrsbranche zu verstärken, weil etwas Zubringerflüge zu Langstreckenverbindungen völlig unrentabel würden. Um das Verlagerungspotenzial mittel- bis langfristig noch deutlich zu erhöhen, muss zudem viel mehr als bisher in den Ausbau der Bahn investiert werden. Wir fordern zwei Milliarden Euro zusätzlich pro Jahr für leistungsfähigere Trassen und den besseren Bahnanschluss von Flughäfen wie zum Beispiel dem Flughafen München, was durch eine Kerosinsteuer (jährlich bis zu acht Milliarden Einnahmen!) spielend finanziert werden kann. So kann es gelingen, bis 2030 Kurzstreckenflüge weitgehend überflüssig zu machen. Es fehlt nicht Konzepten, sondern bisher schlicht am politischen Willen.