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Kuba und das Dilemma des Westens

Im Wortlaut von Heike Hänsel,



 

Von Heike Hänsel, stellvertretende Vorsitzende der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag


Der Besuch von US-Präsident Obama auf Kuba darf durchaus als historisch bezeichnet werden. Zehn US-Präsidenten wollten das sozialistische Kuba zerstören, der elfte von ihnen besucht nun den Inselstaat. Die Annäherung zwischen den USA und Kuba geht auf den ersten Blick in Riesenschritten voran, mit Auswirkungen weit über die Grenzen der beiden Staaten hinaus. Erst vor gut 15 Monaten sahen wir Barack Obama und Raúl Castro, die zeitgleich die Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen verkündeten. Nun flimmern Bilder von Obama über die Bildschirme, wie er samt Familie in Havanna aus der Air Force One herabsteigt. Vor zwei Jahren wäre das noch eine Science-Fiction-Szene gewesen.

Der Besuch des US-Präsidenten zeigt damit in erster Linie, dass die völkerrechtlich fragwürdige und inhumane Blockade der USA gegen Kuba gescheitert ist. Obama hat das inzwischen mehrfach eingestanden. Von dem inhumanen Charakter der Blockade, die in Kuba vorsätzlich menschliches Leid schaffen und das sozialistische System dadurch destabilisieren sollte, hat er sich aber bis heute nicht distanziert. Ob sich die Kuba-Politik der USA grundlegend ändert oder nur die Strategie der Destabilisierung, wird sich erst noch erweisen. Zumal die US-Politik gegenüber den übrigen Mitte-links-Regierungen in Lateinamerika – etwa in Venezuela, Bolivien oder Brasilien – weiterhin gezielt auf Destabilisierung setzt.

Westen auf dem rechten Auge blind?

In der immer wieder aufkommenden Menschenrechtsfrage im Umgang westlicher Staaten mit Kuba können Washington und seine politischen Bündnispartner ein Dilemma nicht überwinden: Während die Menschenrechtslage gegenüber Kuba immer wieder als Druckmittel benutzt wird, übergeht der Westen schulterzuckend schwerste Menschenrechtsverletzungen in Staaten wie Kolumbien, Honduras oder Mexiko. So gibt es, im Gegensatz zum jetzigen Kuba-Besuch, in diesen Staaten keine Treffen mit Menschenrechtsaktivisten.

Ja, auch Kuba will über politische Neuerungen sprechen. Aber liegt es an den USA mit dem menschenverachtenden Gefangenenlager im besetzten Guantánamo darüber zu richten? Liegt es an der EU mit tausenden Toten an seinen Außengrenzen hier Maßstäbe festzulegen? Kuba hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten zu Recht auf dem amerikanischen Kontinent und in den Staaten des Trikont große Achtung verschafft, weil es trotz aller im Revolutionsjahr 1959 geerbten Armut und Ungleichheit nachhaltige Sozialsysteme geschaffen hat. Auf diese gegen die USA erkämpften und verteidigten Menschenrechten hatte man in Lateinamerika und der Karibik zuletzt immer vehementer verwiesen. Diese Haltung der Staaten Amerikas mussten nun auch die USA akzeptieren.

Kubanische Souveränität verteidigen

Die Bundesregierung und die Europäische Union geben indes ein trauriges Bild ab. Erst nach der Wiederaufnahme der diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und Kuba reisten Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (beide SPD) eilig nach Kuba, um den Weg für Geschäfte zu ebnen.

Währenddessen ist der politische Einfluss Kubas stetig gewachsen. Das zeigen die kolumbianischen Friedensverhandlungen in Havanna, die vor dem Abschluss stehen, das zeigt der Papst-Besuch und das Treffen mit dem russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill auf Kuba. Die Regierung und die Bevölkerungsmehrheit in dem Land haben bewiesen, dass das politische und ökonomische Schicksal im Land selbst entscheiden wird. Die kubanische Souveränität und das Selbstbestimmungsrecht zu verteidigen, ist auch eine Aufgabe der LINKEN und der Solidaritätsbewegung. Vor dem Besuch Obamas – und vor allem auch danach.

linksfraktion.de, 23. März 2016