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Krippengipfel lärmt ohne Ergebnis

Im Wortlaut von Diana Golze,

»Einigung« auf Angebot für jedes dritte Kleinkind / Folgekonferenz soll Finanzierung klären

Beim Krippengipfel in Berlin haben sich die Familienminister von Bund und Ländern sowie Vertreter der Kommunen lediglich auf das grundsätzliche Ziel verständigt, bis 2013 jedem dritten Kind unter drei Jahren einen Betreuungsplatz anzubieten. Die heftig umstrittenen Fragen nach der Finanzierung und dem genauen Bedarf soll eine Arbeitsgruppe klären.

Berlin (ND). »Wir haben uns geeinigt, dass wir ein Angebot schaffen wollen«, sagte Bundesfamilienministerin Ursula von der Leyen am Montag nach dem Krippen-Gipfel. Das Ergebnis der Runde geht nicht über das schon zuvor von der CDU-Politikerin ausgegebene Ziel hinaus, die Quote der Betreuungsplätze auf 35 Prozent zu erhöhen. Die Zahl der Krippenplätze soll dazu von bundesweit 250 000 auf rund 750 000 im Jahr 2013 steigen.
Dafür müssten vor allem im Westen die Einrichtungen zur Kleinkinderbetreuung stark ausgebaut werden. Wie viele Plätze wo genau nötig sind und wer für die Kosten aufkommen soll, bleibt weiter ungeklärt. Die rheinland-pfälzische Jugendministerin Doris Ahnen (SPD) sagte, sie gehe »davon aus, dass sich der Bund maßgeblich am Ausbau der Kinderbetreuung beteiligen wird«. Konkrete Absprachen wurden allerdings nicht getroffen. Auch auf einen Rechtsanspruch auf einen Krippenplatz konnten sich die Gipfel-Teilnehmer nicht einigen. Hier sei »viel Lärm um nichts gemacht« worden, sagte die kinderpolitische Sprecherin der Linksfraktion, Diana Golze.

Im Vorfeld des Treffens hatten vor allem die Vertreter der Kommunen versucht, dem Bund ein stärkeres Engagement beim Ausbau der Krippenplätze abzuringen. Der Präsident des Städtetages, der Münchner SPD-Oberbürgermeister Christian Ude, bezifferte die zusätzlichen Investitionskosten auf elf Milliarden Euro, hinzu kämen jährliche Betriebskosten von etwa sechs Milliarden Euro. Nach Angaben des Hauptgeschäftsführers des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, haben die Kommunen in den letzen Jahren bereits 85 000 Krippenplätze neu geschaffen. Mehr sei nicht bezahlbar.

Streit um die Finanzierung gibt es auch zwischen den Ländern. Nordrhein-Westfalens Familienminister Armin Laschet forderte gestern, angesichts des größeren Nachholbedarfs vor allem den Ausbau der Kinderbetreuung in den Westländern zu fördern. Dagegen kritisierte Linksfraktionsvize Klaus Ernst, der Osten dürfe jetzt nicht »für eine Politik des Weitblicks« bestraft werden. Die neuen Länder hätten mit dem recht weitgehenden Erhalt der Betreuungsinfrastruktur aus DDR-Zeiten einen »Kraftakt« vollbracht, so Ernst.
Nach Ansicht des Berliner Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie ist auch ein selbsttragender Ausbau der Kinderbetreuung möglich. Entstehende Kosten würden schon bei moderaten Beschäftigungseffekten durch höhere Steuer- und Sozialversicherungseinnahmen gedeckt, so das Ergebnis einer Studie. Rechne man noch demografisch bedingte Minderausgaben beim Kindergeld dazu, sei sogar eine vollständige Refinanzierung möglich.

Aus der Unionsfraktion kamen gestern Stimmen, die den Bund von einer Finanzierung des Ausbaus der Krippenplätze befreit sehen. Die Zuständigkeit für die Kinderbetreuung sei mit der Föderalismusreform auf die Länder übergegangen, so der haushaltspolitische Sprecher, Steffen Kampeter. Außerdem hätten Länder und Gemeinden bisher noch keine Rechenschaft für die jährlich 1,5 Milliarden Euro abgegeben, die sie bereits seit 2003 vom Bund beziehen. Vor Ende des Gipfels in Berlin hatte der CDU-Politiker zudem erklärt, seine Fraktion fühle sich an mögliche »Beschlüsse eines Krippengipfels nicht gebunden«.

Unterschiede bei Krippen in Ost und West

In Deutschland sollen in den kommenden Jahren mehr Betreuungsangebote für Kleinkinder entstehen. Wie viele zusätzliche Plätze in Kinderkrippen oder bei Tagesmüttern gebraucht werden, ist umstritten - und in Ost und West höchst unterschiedlich.
Im vergangenen Jahr wurden nach Angaben des Statistischen Bundesamtes rund 285 000 Kinder unter drei Jahren in Kindertageseinrichtungen oder von Tagesmüttern betreut. Dies entsprach bundesweit einem Anteil von 13,5 Prozent. Dabei gab es aber gravierende Unterschiede zwischen Ost und West: Während die Quote in den neuen Ländern bei 39,8 Prozent lag, belief sie sich im Westen nur auf 7,8 Prozent.

An der Spitze stehen bei der Kleinkinderbetreuung ausschließlich ostdeutsche Länder: Die höchste Besuchsquote in der Tagesbetreuung weist Sachsen-Anhalt mit 50,2 Prozent auf, gefolgt von Mecklenburg-Vorpommern mit 43,1 Prozent und Brandenburg mit 40,6 Prozent. Hohe Quoten haben auch Thüringen (37,9 Prozent), Berlin (37,7 Prozent) und Sachsen (33,5 Prozent). Im Westen lag der Stadtstaat Hamburg mit 21,1 Prozent vorn, unter den westdeutschen Flächenstaaten das Saarland mit 10,2 Prozent.
In allen anderen Westländern lag die Quote unter zehn Prozent: Rheinland-Pfalz kam dabei auf 9,4 Prozent, Hessen auf 9,3 Prozent, Bremen auf 9,2 Prozent, Baden-Württemberg auf 8,8 Prozent und Schleswig-Holstein auf 7,6 Prozent. Die Schlusslichter waren Bayern (6,9 Prozent), Nordrhein-Westfalen (6,6 Prozent) und Niedersachsen (5,1 Prozent). AFP

Neues Deutschland, 3. April 2007