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Kredithebel beim EFSF - Fragen und Antworten

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Nach der Abstimmung im Bundestag über die Ausweitung des Euro-Rettungsschirm EFSF Ende September begann unmittelbar die Debatte darüber, ob die zur Verfügung stehenden Mittel mithilfe eines Kredithebels nicht erhöht werden können. Doch was ist ein Kredithebel, wie funktioniert er, welche Vorteile und welche Risiken birgt er?


Kaum ist der EFSF-Rettungsschirm aufgestockt, da wird schon wieder darüber geredet, ob seine Mittel ausreichen. Warum?

Vor der Aufstockung konnte der EFSF-Rettungsschirm lediglich Kredite bis zu einer Gesamtsumme von 250 Milliarden Euro vergeben. Davon waren rund 150 Milliarden durch bestehende Kreditzusagen an Griechenland, Portugal und Irland bereits ausgegeben bzw. reserviert. Da die herrschende Politik sich als unfähig erwiesen hatte, die Krise erfolgreich zu bewältigen, drohte sich die Krise in der Eurozone nun zusätzlich noch auf große Volkswirtschaften wie Italien auszudehnen. Der Rettungsschirm wurde deshalb aufgestockt. Jetzt kann er Kredite im Volumen von 440 Milliarden Euro vergeben. Allerdings wurden nicht nur die Mittel des Rettungsschirms aufgestockt, sondern auch seine Kompetenzen erweitert. Für diese neuen Aufgaben sind zusätzliche erhebliche Mittel erforderlich.   Welche Aufgaben sind das? Der Fond soll zukünftig "bedrohten“ Ländern (z.B. Italien) präventive Kreditlinien einräumen, Kredite zur Rekapitalisierung von Banken vergeben und Anleihen von Krisenländern kaufen, um so deren Zinsen zu drücken. Da der EFSF aufgrund der ausstehenden Zustimmung in den nationalen Parlamenten bislang noch nicht einsatzbereit ist, hat die Europäische Zentralbank zwischenzeitlich die Aufgabe des Aufkaufs von Staatsanleihen übernommen. Sie hat dafür in den letzten zwei Monaten knapp 90 Milliarden Euro eingesetzt. Zwar lässt sich diese Zahl nicht einfach auf das Jahr hochrechnen. Trotzdem macht der Betrag deutlich, dass der EFSF schon allein mit dieser Aufgabe bald überfordert wäre.   Warum sollen gerade Hebelinstrumente die Lösung bringen? Durch sogenannte Hebelinstrumente lässt sich das Volumen der Hilfskredite des Rettungsfonds vergrößern, ohne dass der Garantierahmen (im Fall Deutschlands 211 Milliarden Euro zuzüglich Zinskosten) aufgestockt werden müsste. Dies ist insofern wichtig, als eine nochmalige Aufstockung der Mittel für den Rettungsschirm politisch in vielen Euro-Ländern als nicht mehr durchsetzbar gilt.   Was ist ein Kredithebel? Zur Verfügung stehende Mittel für eine Investition werden durch einen Kredit vergrößert. Wenn die Rendite der Investition höher ist als der Zins für den Kredit, kann so der Profit um ein Vielfaches gesteigert werden. Umgekehrt steigt aber auch der Verlust um ein Vielfaches. Ein Kredithebel ist also kein Dukaten scheißender Goldesel. Der Preis für die höhere Profitmöglichkeit ist ein höheres Verlustrisiko. Nach diesem Prinzip haben Banken und Hedgefonds ihre Bilanzen aufgeblasen und jahrelang ihre Profite gehebelt. Dann kam die Finanzkrise und das Eigenkapital war für die Verluste zu niedrig. Es ist schon bezeichnend, dass jetzt der Ausweg aus einer Krise mit einem Instrument gesucht wird, das in die Krise hineingeführt hat.   Kann man das an einem Beispiel deutlich machen? Nehmen wir im ersten Fall an, jemand investiert 100 Euro eigenes Geld und erzielt damit innerhalb eines Jahres eine zehnprozentige Rendite. Dann bekommt er nach einem Jahr 110 Euro zurück. Nehmen wir im zweiten Fall an, dass jemand seine eigenen 100 Euro und zusätzlich 100 Euro geliehenes Geld – also insgesamt 200 Euro – in die gleiche Anlage investiert hat. Für die 100 Euro geliehenes Geld zahlt er fünf Prozent Zinsen. Nach einem Jahr bekommt er 220 Euro zurück. Damit tilgt er seinen Kredit über 100 Euro und zahlt fünf Euro Zinsen. Nach einem Jahr bleiben im zweiten Fall 115 Euro übrig. Fünf Euro mehr als im ersten Fall – also im Fall der Investition ohne Kredit. Die Eigenkapitalrendite liegt demnach am Ende bei 15 Prozent, anstatt bei zehn ohne Kredithebel.    Welche Hebelinstrumente sind für den EFSF-Rettungsfond im Gespräch? Folgende drei Ideen kursieren: Der EFSF fungiert als Teilkaskoversicherung für Staatsanleihen. In diesem Fall übernimmt er zum Beispiel zu einem Viertel die Verluste eines Investors, wenn beispielsweise Italien zahlungsunfähig wird. Würden auf diese Art genug Investoren für Staatsanleihen angelockt, ergäbe das ein höheres Kreditvolumen.  Zweite Hebelidee: Der EFSF könnte gekaufte Anleihen nach Risikoklassen bündeln und als verbriefte Forderungen weiterverkaufen. Die Anleihen mit dem höchsten Risiko würden beim EFSF verbleiben. Mit den Erlösen dieser Verkäufe könnte der EFSF wieder neue Anleihen erwerben. Die dritte Möglichkeit wäre, dem EFSF eine Banklizenz zu erteilen.   Wie würde der EFSF als Bank funktionieren? Der EFSF kauft mit seinen zur Verfügung stehenden Mitteln Anleihen der Krisenländer. Danach leiht er sich frisches Geld bei der Europäischen Zentralbank (EZB), indem er die gekauften Staatsanleihen dort als Sicherheit hinterlegt. Experten halten so einen Hebel von acht bis zehn für realistisch. Das bedeutet, dass der EFSF mit den noch freien Mitteln von ungefähr 300 Milliarden Euro seine Kapazität auf ungefähr drei Billionen Euro hochhebeln könnte.   Was bedeutet ein Kredithebel für die EZB? Die EZB würde im Ernstfall auf wertlosen Staatsanleihen sitzenbleiben. Sie mutiert also zu einem potentiellen Schrottplatz für Staatsanleihen. Für die Verluste der Zentralbank haften in letzter Instanz die Steuerzahler.   Was ist der Unterschied zu dem Modell, dass sich die Staaten über eine öffentliche Bank bei der EZB zu niedrigen Zinsen finanzieren, so wie es DIE LINKE fordert? Der Kauf von Staatsanleihen durch den EFSF ist an Bedingungen geknüpft. Die hilfsbedürftigen Staaten müssen sich einem Kürzungs- und Privatisierungsdiktat unterwerfen. Je nach Kooperationsbereitschaft könnte der EFSF also entweder Länder finanzieren oder sie den Finanzmärkten zum Fraße vorwerfen. DIE LINKE fordert stattdessen die Finanzierung der Staaten grundsätzlich und ohne Bedingungen von den Finanzmärkten zu befreien: Allen Staaten der Eurozone sollte ein gleichberechtigter Zugang zu billigen Krediten der EZB mithilfe einer öffentlichen Bank und ohne weiteren Umweg über die Finanzmärte eingeräumt werden. Darüber hinaus muss die öffentliche Verschuldung nicht durch unsoziale Kürzungsprogramme, sondern durch eine ausreichende Besteuerung von Millionären und Großkonzernen auf ein tragfähiges Niveau gebracht werden.   Welches Modell wird gegenwärtig für den Euro-Rettungsschirm favorisiert? Die Bundesregierung hat bisher keine eindeutigen Sympathien erkennen lassen. Bundesbankpräsident Weidmann ist gegen eine Banklizenz für den EFSF. Die Finanzmärkte haben eine klare Präferenz für die Banklizenz, weil damit am meisten Geld auf die Märkte gepumpt werden würde.   Muss der Bundestag erneut zustimmen, bevor ein Kredithebel für den Rettungsschirm installiert wird? Das kann mit abschließender Gewissheit erst gesagt werden, wenn das Finanzinstrument feststeht, mit dem die Mittel des EFSF gehebelt werden sollen. Ist zur Umsetzung eine Kompetenzerweiterung des Fonds notwendig, muss das Parlament zustimmen.
linksfraktion.de, 11. Oktober 2011