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Konversion geht, wenn man will – Wir wollen!

Im Wortlaut von Katrin Kunert,

 

Von Katrin Kunert, Mitglied im Verteidigungsausschuss des Bundestags


Ab und zu scheint sich Wirtschaftsminister Gabriel zum "Friedensengel" entwickeln zu wollen. Angekündigt hat er viel in Sachen Abrüstung, getan hat er bisher wenig. Vor kurzem hat er den weiteren Export einer Kriegsübungsstadt gestoppt, die eigentlich fast fertig war und nun spricht er über Verbote von Rüstungsexporten...

Dass der Abgeordnete Pfeiffer meint, "...Gabriel gefährde die nationale Sicherheit", ist alte Außenpolitikrhetorik der Koalition. Aber die Reaktionen von Gewerkschaftsfunktionären zeigen ihr Dilemma, welches auch das gesellschaftliche Dilemma ist.

Der Wegfall von Arbeitsplätzen und die wirtschaftliche Situation der wehrtechnischen Industrie werden von (fast) allen Seiten als Risiken definiert und beschworen. Niemand außer der LINKEN im Bundestag und Vertretern der Friedensbewegung sehen und benennen die Chancen beim Umbau von Rüstungsindustrie hin zu zivilen Produktionslinien.

Um aber seriös über konkrete Schritte der Konversion debattieren zu können, bedarf es einer transparenten Darstellung der derzeitigen Lage in der Rüstungsindustrie in Deutschland.

Nur gut 17.000 Beschäftigte im Kernbereich

Rüstungsexporte machen heute nach Angaben der AG Friedensforschung circa 70 Prozent des Umsatzes der wehrtechnischen Industrie in Deutschland aus. Konversion muss die Antwort auf eine vermeintliche Krise in der Rüstungsindustrie sein. Es wird nicht reichen, den Rüstungshaushalt zu kürzen und die frei werdenden Mittel für zivile und soziale Zwecke zu fordern. Es müssen Wege aufgezeigt werden, wie ein Übergang von einer Militär- zu einer Friedenswirtschaft möglich ist.

Beispiele für erfolgreiche Konversion gibt es in Ost und West, sie belegen das Mögliche!

Die Rüstungsproduktion ist alles andere als arbeitsplatzintensiv, der Bundesverband der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) beziffert in einer Studie Ende 2012, dass 2011 im Kernbereich der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie gerade mal 17.260 Menschen beschäftigt waren. Als Kernbereich gelten Waffensysteme, Waffen und Munition, Panzer und Kriegsschiffe. Die Zahl von 80.000 Beschäftigten, die derzeit wieder genannt wird, ist total überzogen!

Reine Waffenschmieden gibt es kaum noch

Für die Mehrzahl der Unternehmen, die Rüstungsgüter produzieren, ist Rüstungsproduktion nicht das Kerngeschäft. Seit langer Zeit ist bekannt, dass es reine "Waffenschmieden" in Deutschland kaum noch gibt. Also wäre d i e Wirtschaft bei einem Verbot von Rüstungsexporten, wie sie DIE LINKE fordert, nicht wirklich gefährdet!

Zudem schreiben die meisten Rüstungsbetriebe schwarze Zahlen, das heißt, sie könnten mit Gewinnanteilen Rücklagen bilden, die dann bei Konversionsprozessen für Umschulungen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, für Entwicklung und Umbau der Produktionslinien und vieles mehr eingesetzt werden.

Hinzu kommt: Rüstungsindustrie ist mit Nichten ein Motor für Innovationen, denn Automatisierungen, Miniaturisierungen, Lasertechnologien, Nutzung neuer Werkstoffe und Materialien werden eher in der Rüstungsindustrie benutzt, als dass innovative Momente aus ihr entstehen. Was bedeutet: Auch ohne Rüstungsindustrie könnte Deutschland in Zukunft ein wichtiger Innovationsstandort bleiben! Zu diesem Schluss kam bereits mein früherer Kollege, Paul Schäfer.

Gewerkschaften lassen sich auf Logik der Rüstungsindustrie ein

Also warum halten sich die Gewerkschaften in Fragen der Konversion so zurück? Die Gewerkschaften (außer die IG Metall) mahnen derzeit ein rasches Konzept für mehr Aufträge von der Bundeswehr an die deutsche Rüstungsindustrie an. Das bedeutet, sie lassen sich auf die Logik der Rüstungsindustrie ein.

Arbeitsplätze erhalten ja, aber um jeden Preis? Sicher ist an dieser Stelle keinesfalls angebracht, die moralische Keule zu schwingen, schließlich können Waffen zur Verteidigung dienen, aber vielmehr sollte es uns darum gehen, künftig mit den Gewerkschaften, den Friedensbewegten und den Beschäftigten, Ideen in den Unternehmen zu entwickeln, wie eine nachhaltige Konversion stattfinden kann. Und hier sind die Gewerkschaften ein wichtiger Partner für die Beschäftigten gegenüber den Unternehmensführungen, deshalb ist mir die derzeitige Forderung der Gewerkschaften zu angepasst!

Bisher fand Rüstungskonversion wie in den 1990er Jahren nicht als nationale und friedenspolitisch ausgerichtete Aufgabe statt, sondern vielmehr als Strukturpolitik und auch nur durch EU-Mittel finanziert. Und deshalb gibt es kaum durchgängige, in der Gesellschaft stark kommunizierte Konversionsbeispiele.

In Bremer Rüstungsunternehmen konnten in den Jahren von 1992 bis 2001 über 60 betriebliche Umstrukturierungsprojekte gezählt werden, fast 15 Prozent aller rüstungsabhängigen  Arbeitsplätze wurden konvertiert. Erfolge wurden damals nur punktuell erzielt, weil die Produkte nach Umstellung kaum Chancen auf dem Markt hatten.

Man könnte Beispiele fortführen, bei denen es gute Anfänge von Umstrukturierungsprozessen in der Rüstungsindustrie gegeben hat, die in der Konsequenz allerdings dann doch marktpolitischen Interessen zum Opfer gefallen sind.

Insgesamt sollten Unternehmen und Politik in Deutschland schon in der Lage sein, bei einem gesetzlich verhängten Verbot von Rüstungsexporten, die circa 18.000 Arbeitsplätze zu konvertieren!

Wie es gehen kann

Schließlich belegen die Beispiele von Konversion militärischer Liegenschaften, wie es gehen kann. Allerdings stehen hier keine Marktinteressen dem Willen von Bürgerinnen und Bürgern oder Kommunen entgegen.

Auf ehemaligen Militärliegenschaften entstehen beziehungsweise entstanden Universitäten, Innovations- und Gründer-Zentren, Behörden, zivile Heilstätten oder Natur- und Landschaftsschutzgebiete, Flächen für die Stromgewinnung, Wohngebiete...und alles verbunden mit der Schaffung von neuen Arbeitsplätzen!

Also bleiben wir als LINKE bei unserer Forderung nach einem Verbot von Waffenexporten und entwickeln mit der Friedensbewegung, mit Bürgerinnen und Bürgern und den Beschäftigten ein nachhaltiges Konzept zur Konversion der wehrtechnischen Produktion in zivile Produktionslinien!

 

linksfraktion.de, 21. August 2014