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Kolonialpakt gegen Flüchtlinge

Im Wortlaut von Sevim Dagdelen,

 

Von Sevim Dagdelen, migrations- und integrationspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

 

Brüssels Flüchtlingsdeal mit der Türkei soll Schule machen: Die EU will mit mehreren Ländern in Afrika und im Nahen Osten Abkommen abschließen zur Abwehr unerwünschter Migranten. Hochqualifizierte Fachkräfte sind der Europäischen Union dagegen willkommen. Sie werden gezielt mit „Blue Card“-Angeboten angeworben – mit verheerenden Folgen für ihre Heimatländer, denen am Ende die Ingenieure, Informatiker und Ärzte fehlen. Statt Fluchtursachen effektiv zu bekämpfen, werden mit diesen Maßnahmen weitere Fluchtgründe geschaffen.
Was für ein Hohn! Bürgerkriegsländer wie Libyen, bei der NATO-Intervention im Jahr 2011 zerstört, oder Mali, wo die Bundeswehr heute noch im bewaffneten Einsatz für „Stabilität“ sorgen soll, aber auch Tunesien, Niger, Äthiopien, Senegal und Nigeria bekommen von der EU das Etikett sicherer Herkunftsstaat aufgeklebt und schon können geflüchtete Bürger dorthin abgeschoben werden. Ebenso werden Abkommen mit Jordanien und dem Libanon angestrebt, die Millionen Flüchtlinge aus Syrien beherbergen.

Die Länder Afrikas und des Nahen Ostens sollen „überzeugt“ werden, dass sie „illegale Migranten“ wieder „zurücknehmen“. Ziel sei „ein Rückgang der irregulären Migration nach Europa“. Die Sprache der EU-Bürokraten ist verräterisch. Geflüchtete sind nicht mehr als Stückgut, das hin und her verfrachtet werden kann, frei nach dem Motto: Nimmst Du Flüchtlinge zurück bzw. lässt Du sie erst gar nicht außer Landes reisen, bekommst Du Hilfsgelder.

Bei EU-Innenkommissar Dimitris Avramopoulos klingt die Selektion in unerwünschte und erwünschte Migranten so: „Wir können denjenigen Ländern, die sich kooperativ zeigen, zusätzlich zu den bisherigen Hilfsgeldern eine weitere substanzielle Unterstützung oder etwa den Ausbau von Handelsbeziehungen zusagen. Wer sich nicht an die Vereinbarungen hält, dem können allerdings auch Einschränkungen zukommen.“ Wer nicht spurt, wird sanktioniert. Unverhohlen droht die EU ihren „Partnerstaaten“ mit der Knute: Mangelnde Kooperation zieht negative Konsequenzen nach sich, beispielsweise die Kürzung der Entwicklungshilfe. Das ist Politik in alter Kolonialherrenmanier.

Die Bekämpfung der Flüchtlinge lässt sich die EU etwas kosten: In den kommenden vier Jahren sollen acht Milliarden Euro für die Finanzierung von „Migrationspartnerschaften“ bereitgestellt werden. Vorbild ist auch hier wieder der Deal mit Erdogans Türkei.

Wer Fluchtursachen tatsächlich und effektiv bekämpfen will, muss die ungerechten kapitalistischen Wirtschaftsbeziehungen überwinden, die Millionen Menschen erst zu Flüchtlingen machen. Das geht nicht von heute auf morgen, ist aber die einzige menschenfreundliche Perspektive. Die Kungelei mit lupenreinen Despoten darf keine politische Alternative sein.

linksfraktion.de, 9. Juni 2016