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Köhler nahe an der Wahrheit, aber jenseits der Verfassung

Im Wortlaut von Wolfgang Gehrcke,

Selbstverständlich hat der Bundespräsident das Grundgesetz zu achten, einzuhalten und gegen Angriffe zu verteidigen. Mit seinen Reden während des Truppenbesuchs in Afghanistan hat sich Bundespräsident Köhler leider gegenteilig verhalten. Es wäre überhaupt besser gewesen, wenn der Bundespräsident auf demonstrative Truppenbesuche verzichtet hätte. Offensichtlich soll aber alles aufgeboten werden, um den Bundeswehreinsatz in Afghanistan zu legitimieren und der Bevölkerung schmackhaft zu machen. Die Bundesminister geben sich in Afghanistan „die Klinke in die Hand“, die Bundeskanzlerin steht da natürlich nicht zurück. Merkel als Soldatenmutti? Ich kann darauf verzichten! Und nun auch noch der Bundespräsident. Mal eben schnell einen Abstecher nach Afghanistan - und mit beiden Füßen hinein in den Fettnapf. Das Grundgesetz, Artikel 26, verbietet nicht nur die Teilhabe und die Vorbereitung eines Angriffskrieges, sondern stellt eine solche Handlung unter Strafe. Damit beschäftigt sich dann der Paragraph 80 des Strafgesetzbuches. Der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck versuchte, diese Bestimmung zu umgehen, in dem er den Satz prägte „Deutschland wird heute am Hindukusch verteidigt.“ Das war schon damals falsch und verfassungswidrig.

Bundespräsident Köhler sprach nun vor Soldaten in Afghanistan davon, dass „ein Land unserer Größe mit dieser Außenhandelsorientierung und damit auch Außenhandelsabhängigkeit auch wissen muss, dass im Zweifel im Notfall auch militärischer Einsatz notwendig ist, um unsere Interessen zu wahren …“. Bundeswehreinsatz zur Wahrung wirtschaftlicher Interessen ist nun eindeutig nicht vom Grundgesetz gedeckt. Der Bundespräsident konfrontiert Bundeswehrsoldaten in Afghanistan mit einer verfassungswidrigen Realität.

Nachdenken muss man nun darüber, ob der eigentliche Skandal die Rede des Bundespräsidenten oder die verfassungswidrige Realität des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan ist oder, wie ich meine, beides. Für den Bundestag bleibt nur die Alternative: der Bundeswehreinsatz muss beendet werden!

Afghanistan ist ein Land von noch nicht erschlossenen Naturreichtümern. Darum konkurrieren die USA, China, Europa, Indien und andere Staaten. Wer Afghanistan hat oder Afghanistan beeinflusst, hat eine starke Position in Zentralasien. Vielleicht ist es das Problem des Bundespräsidenten, dass er über diese Wahrheiten nicht ganz hinweg gegangen ist. Seine Sorge, dass der Krieg militärisch nicht zu gewinnen ist, konnten ihm die Soldaten, mit denen er sprach, nicht nehmen. Ein US-Presseoffizier musste mit dem Bekenntnis zum Sieg einspringen und jetzt noch der Präsidenten-Fauxpas, es ginge in Afghanistan um Deutschlands Interessen im Außenhandel.

Bundespräsident Köhler hat ausgesprochen, was die CDU und FDP in ihren Koalitionsvertrag geschrieben haben: Deutsche Außenpolitik soll deutsche Wirtschaftsinteressen fördern. Das gilt auch für die deutschen Militäreinsätze. Es geht in Afghanistan weder um Frauenrechte, Demokratie, Modernität, sondern es geht profan um geostrategischen Einfluss und um den Zugriff auf Naturressourcen und Absatzmärkte.

Von Wolfgang Gehrcke

www.linksfraktion.de, 27. Mai 2010