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Kleine Anfragen der Fraktion zum Krieg in Afghanistan

Nachricht,

Auch in der 17. Wahlperiode hat die Fraktion bei verschiedenen Aspekten des Krieges in Afghanistan durch Kleine Anfragen an die Bundesregierung nachgehakt. In dieser Übersicht geht es u.a. um deutsche Polizei-Ausbildungshilfe, um die Opfer des Krieges, um die Situation der Menschenrechte und der rechsstaatlichen Strukturen, um den Stand des zivilen Wiederaufbaus und um Drogenbekämpfung.

Deutsche Polizei-Ausbildungshilfe in Afghanistan
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 17/432)(PDF) und Antwort der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/586)(PDF)

Paramilitärische Fähigkeiten statt Rechtsstaatsbewusstsein - Die Arbeit deutscher Polizisten in Afghanistan wird immer mehr militarisiert. Faktisch helfen sie weniger beim Aufbau eines Rechtsstaats, sondern bei der militärischen Besetzung des Landes. Das zeigt sich unter anderem darin, dass deutsche Polizisten mittlerweile außerhalb der gesicherten Trainingszentren im Rahmen der Distriktausbildung (FDD) von Feldjägern eskortiert werden. Während NGOs solche militärischen Eskorten in der Regel ablehnen, aus Furcht, dadurch selbst zum Angriffsziel zu werden, verharmlost die Bundesregierung das Risiko und behauptet, die Polizisten unterlägen „keiner erhöhten Gefährdungslage“.

Dass die Polizeiausbildung weniger die Vermittlung eines Rechtsstaatsbewusstseins zum Ziel hat, sondern militärischen Charakter trägt, dürfte auch der federführenden Rolle der NATO bzw. der USA zu schulden sein. Der Lehrplan der Distriktausbildung ist von einer Dependance des US-Verteidigungsministeriums entworfen worden (dem Combined Security Transition Command, CSTC-A). Die Schwerpunkte laut Bundesregierung: „Eigensicherung, Waffenkunde, Erste Hilfe und polizeiliches Handeln.“ Die Regierung selbst forciert quasi-militärische Ausbildungsinhalte und führt aus, die afghanischen Polizisten „werden robust im Sinne der Eigensicherung ausgebildet, um sie in die Lage zu versetzen, sich gegen Angriffe der Aufständischen adäquat zur Wehr setzen zu können.“

Bei all dem fehlen jedoch der Überblick und die Koordination. So gibt es zwar Zahlen, wie viele afghanische Polizisten bereits „deutsche“ Ausbildungsabschnitte durchlaufen haben (ca. 30.000), aber die Gesamtzahl der derzeit im Dienst stehenden Polizisten ist unklar. Den offiziellen afghanischen Angaben (96.000) traut man nicht, die Bundesregierung teilt lapidar mit, sie setze sich für eine „Kopfzählung“ ein.

Darüber, was andere befreunde Staaten wie Australien, Frankreich, Großbritannien usw. in der Polizeiausbildung leisten, gibt es offenbar keine Kommunikation: „Der Bundesregierung liegen keine Angaben zu den seit 2002 von diesen Nationen ausgebildeten Polizisten vor.“ Komplette Fehlanzeige auch, was das Treiben von Söldnerfirmen angeht: „Die Bundesregierung hat keine umfassende Kenntnis davon, wie viele private Sicherheitsdienstleister bei der Polizeiausbildung in Afghanistan aktiv sind.“

Fazit: Schlechte Koordination, militärischer Charakter, Geringschätzung der Gefahr für die Ausbilder und mangelnde Gesamtübersicht. Der Polizeieinsatz ist genauso gescheitert wie der Militäreinsatz - es wird Zeit, ihn zu beenden.





Opfer des Krieges in Afghanistan
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 17/1376)(PDF) und Antwort der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/1813)(PDF)

Opfer des Krieges in Afghanistan werden verschwiegen, verdrängt und nach Gutdünken entschädigt. Bis heute versucht die Bundesregierung die Opfer des Krieges in Afghanistan aus dem öffentlichen Bewusstsein fernzuhalten. Nach dem deutschen Bombardement auf eine Menschenansammlung am Kundus-Fluss, bei dem bis zu 142 Zivilpersonen getötet wurden, versuchte die Regierung zu vertuschen, dass sie den Tot vieler Zivilpersonen verschuldet hatte und blieb lange bei ihrer Darstellung, der Angriff sei angemessen und die Getöteten seien schließlich Taliban gewesen.

In einer Kleinen Anfrage fragte die Fraktion DIE LINKE die Bundesregierung direkt nach den Opfern des Krieges in Afghanistan und wollte wissen, ob, wie oft und nach welchen Kriterien die Bundesregierung bislang Opfer und Hinterbliebene entschädigt hat und wie sie ihrer völkerrechtlichen Verpflichtung nachkommt, die Zivilbevölkerung zu schützen.

Die Antworten der Bundesregierung dokumentieren deren Unwillen, sich mit dem Krieg in Afghanistan und der deutschen Verantwortung für Tod und Leid der afghanischen Bevölkerung auseinanderzusetzen. Die Bundesregierung verschleiert die Wahrheit über das Ausmaß des Krieges und ihrer Beteiligung daran und weigert sich zudem, umfassend darüber zu informieren!

Nach Aussage der Bundesregierung sind seit 2002 unter deutscher Beteiligung bei Unfällen 66 Zivilpersonen verletzt und 6 getötet worden. Bei Kampfhandlungen und Gefechten sollen es 3 Verletzte und 1 Toter sein. Zugleich gibt die Bundesregierung zu, dass sie keine empirische Erfassung von verletzen bzw. getöteten Personen vornimmt. Die Zahlen, die die Bundesregierung dennoch nennt, sind mindestens fragwürdig. So werden u.a. eine Frau und ihre zwei Kinder, die an einem Kontrollposten getötet wurden, als bei Kampfhandlungen und Gefechten Getötete aufgeführt (siehe Antwort auf Frage 2) - dabei hatte die Bundeswehr das zivile Fahrzeug, indem die Frau und ihre Kinder unterwegs waren, unter Beschuss genommen, nur weil das Fahrzeug nach kurzem Halt am Kontrollposten weiterfuhr. Von Kampfhandlung oder Gefecht kann also nicht die Rede sein. Die Opfer von Kundus tauchen in der Tabelle der Bundesregierung gar nicht erst auf. Sieben Monate nach dem Bombenangriff ist in der entsprechenden Spalte nur ein Fragezeichen zu finden. Ein Zeichen, wie wenig sich die Bundesregierung um die Aufklärung der Folgen ihres militärischen Handelns schert. Vorfälle, bei denen Menschen durch deutsche Soldaten getötet oder verletzt werden, werden meist gar nicht untersucht

Zur Frage der Entschädigung von Opfern und Hinterbliebenen heißt es lapidar: „Die Zahlungen erfolgen aus humanitären Gründen“ (siehe die Antworten auf Fragen 12 und 13). Weder beantwortet die Bundesregierung die Frage nach den völker- und verfassungsrechtlichen Grundlagen, noch gibt sie an, anhand welcher Kriterien über Entschädigungen und deren Höhe entschieden wird.

Die Frage nach dem Schutz der Zivilbevölkerung ist der Bundesregierung genau einen Satz Wert: „Die für die deutschen Soldaten bei ISAF geltenden Vorgaben in Mandat, Einsatzregeln und Befehlen stellen sicher, dass die anwendbaren völkerrechtlichen Verpflichtungen eingehalten werden.“ Die Opfer von Kundus und die vielen anderen Opfer, die die Bundesregierung gar nicht erst als solche anerkennt, lassen keine Fragen darüber offen, was diese Vorgaben Wert sind.





Lage der demokratischen und rechtsstaatlichen Strukturen sowie der Menschenrechte in Afghanistan
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 17/1509)(PDF) und Antwort der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/1707)(PDF)

Die Fraktion DIE LINKE fragt nach der Einschätzung der Bundesregierung bezüglich der Lage der Menschenrechte, der demokratischen Grundrechte sowie der Rechtsstaatlichkeit in Afghanistan. Den Hintergrund für unsere Anfrage bieten die grassierende Korruption in Afghanistan, die Durchdringung der Regierung mit (ehemaligen) Warlords, die sich 2005 mit einem Amnestiegesetz jeder Strafverfolgung selbst entzogen haben, und die Änderung des Wahlgesetzes durch den afghanischen Präsidenten Karzai im Februar 2010.

Nachdem die jüngsten Präsidentschaftswahlen von schweren Vorwürfen wegen Wahlfälschung, Manipulationen und Stimmenkauf geprägt waren, beurteilen politische Experten das neue Wahldekret mit großer Sorge, mit dem der afghanische Präsident das Recht erhält, alle relevanten Institutionen wie Wahlkommissionen selbst zu ernennen.

Die Bundesregierung hält dies für eine innerafghanische Angelegenheit und eine Bewertung der Änderungen am Wahlgesetz für nicht möglich. Kritik äußert die Bundesregierung in Bezug auf das Amnestiegesetz und die damit verbundene „Straffreiheit für Kriegsverbrecher“.

Darüber hinaus wollte die Fraktion DIE LINKE wissen, wie die Bundesregierung auf das neue afghanische Ehegesetz reagiert habe, das nach einem Sturm des internationalen Protests mit einigen Änderungen im Jahr 2009 doch verabschiedet wurde. Zum Ehegesetz äußert sich die Bundesregierung nur ganz allgemein, dass ihr die Umsetzung der Frauenrechte ein wichtiges Anliegen sei.

Die Fraktion DIE LINKE fragt gezielt nach der Situation von verfolgten Menschenrechtsverteidigerinnen und -verteidigern, wie dem Journalisten Ibrahim Kambakhsh und der suspendierten Parlamentarierin Malalai Joya, sowie nach den Bemühungen der Bundesregierung, zum Schutz dieser und anderer verfolgter Personen beizutragen. Die Bundesregierung informiert darüber, dass die deutsche Botschaft in Kabul Kontakt zu Malalai Joya aufgenommen hat, gibt aber keine konkrete Auskunft darüber, in welcher Form sie der untergetauchten Parlamentarierin, die bereits fünf Mordanschläge überlebt hat, beisteht bzw. welche Hilfsangebote unterbreitet wurden.





Deutsche Entwicklungszusammenarbeit, ziviler Wiederaufbau und zivil-militärische Zusammenarbeit in Afghanistan
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 17/1513)(PDF) und Antwort der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/1708)(PDF)

Auf der Londoner Afghanistan-Konferenz im Januar 2010 hatte die Bundesregierung zugesagt, die finanziellen Mittel für den zivilen Aufbau in Afghanistan auf jährlich 430 Mio. Euro zu erhöhen. Die Mittel aus dem Etat des Entwicklungsministeriums werden demnach auf 250 Mio. Euro erhöht, was einer Verdoppelung entspricht. Die Fraktion DIE LINKE erkundigt sich in einer Kleinen Anfrage nach der Bilanz der bisher geleisteten deutschen Entwicklungszusammenarbeit und nach den zukünftig geplanten Projekten in Afghanistan.

Die Fraktion DIE LINKE greift in ihrer Anfrage die Kritik von Entwicklungsexperten auf, dass die Entwicklungsfortschritte in Afghanistan gering seien und dass der Umfang der Mittel, die bislang in den zivilen Aufbau geflossen sind, nur ein Bruchteil dessen darstellten, was die Bundesregierung für den militärischen Einsatz ausgegeben hat (bisher im Verhältnis 1:4, mit der angekündigten Erhöhung der zivilen Hilfe im Verhältnis 1:2). In ihrer Antwort auf die Kleine Anfrage geht die Bundesregierung auf diese Kritik jedoch nicht ein, sondern bilanziert Fortschritte in Afghanistan in den Bereichen Bildung, Wasser und Rechtsstaatlichkeit. Daten für diese positive Bilanz bleibt sie allerdings schuldig.

Die Fraktion DIE LINKE kritisiert seit langem die Unterordnung des zivilen Aufbaus unter militärische Strategien im Rahmen der sogenannten zivil-militärischen Zusammenarbeit (CIMIC) und warnt vor den Gefahren, die sich für die zivilen Aufbauhelfer durch die Nähe von Hilfsprojekten zur Bundeswehr ergeben. Auch viele Hilfsorganisationen sehen in der zivil-militärischen Zusammenarbeit ein Risiko für ihre Mitarbeiter und verweisen auf die hohe Zahl von Übergriffen, davon einige mit tödlichem Ausgang. Die Bundesregierung geht auf diesen Sachverhalt nicht ein und streitet ein höheres Risiko für Entwicklungshelfer durch die Nähe zum Militär ab.

Die Fraktion DIE LINKE fragt kritisch nach CIMIC-Projekten der Bundeswehr, insbesondere nach dem Aufbau von militärischen Außenposten durch afghanische Tagelöhner, die für ihren Einsatz 10 Euro am Tag verdienen und ein erhöhtes Risiko eingehen, von Taliban angegriffen zu werden. Die Bundesregierung streitet auch diese Gefahr ab und beruft sich darauf, dass CIMIC lediglich „eine Nebenfähigkeit“ darstelle, um ein sicheres Umfeld herzustellen.





Die Drogenbekämpfung in Afghanistan und die Auswirkungen auf die Bevölkerung des Landes
Kleine Anfrage der Fraktion DIE LINKE (BT-Drucksache 17/2001)(PDF) und Antwort der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/2288)(PDF)

Die Fraktion DIE LINKE befragt die Bundesregierung zur Drogenbekämpfungsstrategie in Afghanistan. Sie erkundigt sich nach der Rolle und dem Umfang wirtschaftlicher Alternativen und nach dem Problem der Korruption auf verschiedenen Ebenen der afghanischen Gesellschaft. Sie kritisiert die militärische und polizeiliche Drogenbekämpfung, da sie den vom Anbau abhängigen Menschen schadet, während sie die Profiteure weitgehend unbehelligt lässt.

Die Fraktion DIE LINKE fragt die Bundesregierung nach der Strategie der Drogenbekämpfung. Afghanistan bleibt der weltweit größte Produzent von Opium und Heroin. Nach einem Produktionsrückgang in den letzten Jahren könnte der gestiegene Preis zu einem erneuten Anstieg der Produktion im Jahr 2011 führen. Wirtschaftliche Alternativen sind laut Bundesregierung eine notwendige, jedoch keine hinreichenden Bedingung für die Reduktion der Drogenproduktion. Auch eine bessere Land- und Wasserverfügbarkeit könne Beiträge zur Reduktion des Schlafmohnanbaus leisten. Sie müsse jedoch durch repressive Elemente (Strafverfolgung, Bekämpfung des Drogenhandels, Verbesserung der Sicherheitslage) ergänzt werden. Ein bis 2012 geplantes Projekt wirtschaftlicher Alternativen wurde „aufgrund der schlechten Sicherheitslage“ ausgesetzt.

Die Fraktion DIE LINKE greift die Kritik an der weit verbreiteten Korruption in Afghanistan auf und fragt insbesondere nach der Korruption auf hoher und höchster Ebene der afghanischen Gesellschaft. Bei der Korruptionsbekämpfung setzt die Bundesregierung keine Schwerpunkte - es müsse auf allen Ebenen angesetzt werden. Dabei unternimmt sie keine Maßnahmen, die speziell auf hochrangige Staatsbeamte zielen. Der Bundesregierung sind Nachrichten und Berichte bekannt, nach denen afghanischen Provinzgouverneure, ehemalige und derzeitige Minister der Regierung Karzai sowie dessen Familie an Drogenproduktion und -handel beteiligt sind - sie verfüge aber über keine gesicherten Erkenntnisse. Ebenso habe sie keine gesicherten Erkenntnisse über die Unterschlagung von Hilfsgeldern, sowie über die Verwendung von CIA Geldern durch afghanischen Kommandanten für Kredite für Mohnbauern.

Die Fragen der Fraktion DIE LINKE zur militärischen und polizeilichen Drogenbekämpfung wurden von der Bundesregierung nur teilweise beantwortet, da zu Fragen nach Verletzten und Todesopfern sowie nach Unterstützung oder Durchführung von Drogenbekämpfungseinsätzen keine Erkenntnisse vorlägen. Interessanterweise kann die Bundesregierung einen Missbrauch der afghanischen Drogenbekämpfungsorgane „in Einzelfällen“ nicht ausschließen, so dass beispielsweise der Verrat von Konkurrenten dazu dienen könnte, den Drogenmarkt in den Händen weniger zu konsolidieren.