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KiK und Co. lassen für 14 Cent pro Stunde schufften

Im Wortlaut von Niema Movassat,

Wer in einer der 2900 KiK-Filialen einkauft, zahlt wenig. Dazu passend lächelt Verona Pooth - natürlich in KiK-Klamotten. Die Discountkette gibt sich gerne schick und modisch und gleichzeitig preiswert. Doch während Frau Pooth fleißig für KiK lächelt und vor kritischen Fragen wegläuft, zahlen Näherinnen in Bangladesch den Preis für das, was wir uns in Deutschland sparen. Das Thema wird nun endlich kritisch in den deutschen Medien aufgegriffen. Entwicklungspolitiker Niema Movassat befasst sich seit längerer Zeit mit der Situation der unterbezahlten Näherinnen. Bereits im April hat er Bangladesch besucht und mit Vertretern der Arbeiterbewegung gesprochen.

Sie schuften sich kaputt zu miesen Arbeitsbedingungen, damit in Deutschland der Preis niedrig ist. 20 bis 35 Euro im Monat, also um die 14 Cent pro Stunde, mehr ist nicht drin. Arbeitszeiten von 12 bis 14 Stunden pro Tag sind keine Seltenheit - und das sieben Tage in der Woche. Reden ist während der Arbeitszeit verboten. Schriftliche Arbeitsverträge gibt es selten, Überstunden werden nicht bezahlt. Wer sich weigert, so viel zu arbeiten, fliegt raus. Bei etwa 40 Prozent Arbeitslosigkeit in Bangladesch gibt es keinen Mangel an Arbeitswilligen, selbst unter diesen sklavenähnlichen Bedingungen.

Indes wächst die Wut in Bangladesch. Seit Wochen finden massive Proteste der Arbeiterbewegung statt. Tausende Menschen, die bisher in den Textilwerken faktisch als Arbeitssklaven gehalten werden, fordern einen angemessenen Lohn ein und streiken dafür. Die Polizei geht brutal gegen sie vor. Es gab mehrere Tote und unzählige Verletzte. Die Nachrichten, die uns aus Bangladesch erreichen, sind erschütternd. Menschen, die 50 Euro im Monat einfordern, also soviel wie das Taschengeld mancher Kinder in Deutschland, werden verprügelt - auch wehrlose Frauen. Dabei wäre die geforderte Lohnsumme erforderlich, um sich selbst und die eigenen Kinder einigermaßen ernähren und versorgen zu können. Doch die sozialdemokratische Regierung in Bangladesch hat wenig Interesse, mit den Arbeiterinnen und Arbeitern zu reden. Sie vertritt die Interessen der Konzerne im Land. Schließlich ist ein großer Teil ihrer eigenen Abgeordneten Besitzer von Textilwerken oder über Familienangehörige indirekt daran beteiligt.

Preisdrücker gibt es viele. Denn viele europäische Unternehmen setzen auf billig, billig und nochmals billig - zulasten der Arbeiterinnen und Arbeiter in den armen und ärmsten Ländern dieser Welt. KiK ist aber ein besonders krasses Beispiel. Denn seit Jahren gibt es hier keine Besserung. Dies bestätigt auch der Arbeitsforscher Khorshed Alam, den ich in Bangladesch getroffen habe und den unsere Bundestagsfraktion eingeladen hatte. KiK weiß seit Jahren von der Kritik, ändert aber nichts in den Zulieferbetrieben. Das Unternehmen setzt weiterhin auf sklavenähnliche Ausbeutung von Menschen und achtet nicht im Geringsten auf soziale Mindeststandards.

KiK - aber auch Konzerne wie Lidl und H&M - schwadronieren gegenüber der deutschen Öffentlichkeit gerne über soziale Verantwortung. Sie sind jedoch mitverantwortlich für die katastrophalen Arbeitsbedingungen in Bangladesch und anderen Ländern. Ohne große finanzielle Verluste wäre es diesen Konzernen möglich, den Arbeiterinnen und Arbeitern in den Textilfabriken Bangladeschs einen grundsichernden Lohn zu bezahlen und die Arbeitsbedingungen menschenwürdig zu gestalten. Denn der Arbeitslohn macht gerade mal 1 Prozent des Preises an der deutschen Ladentheke aus. Doch ein Interesse daran besteht offenkundig nicht.

Zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen müsste die Regierung Bangladeschs endlich das bestehende Gewerkschafts- und Arbeitsrecht durchsetzen sowie eine Sozialversicherung einführen und die Strafverfolgung von Streikenden einstellen. Die Bundesregierung ist aufgefordert, von deutschen Unternehmen die Einhaltung von sozialen Mindeststandards auch im Ausland endlich verbindlich einzufordern. Selbstverpflichtungen der Industrie führen zu keinerlei Fortschritten, das hat die Praxis in den letzten Jahren mehr als ausreichend bewiesen. Und KiK und Co. müssen nach den neusten Vorkommnissen Farbe bekennen. Statt zu versuchen, kritische Fernsehbeiträge mittels Gerichten zu verhindern, wie jetzt geschehen, muss der Konzern seinen sozialen Pflichten nachkommen. Aber ob dies geschieht, steht in den Sternen. Verona Pooth jedenfalls lächelt weiter für KiK. Aber sie muss auch nicht für 20 Euro im Monat für schuften.

Von Niema Movassat

linksfraktion.de, 5. August 2010