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EU-Hotspot auf Lesbos

Katastrophale Zustände in den Flüchtlingscamps der EU

Im Wortlaut von Heike Hänsel,

Die Mehrheit der 9.000 Flüchtlinge im EU-Hotspot Moria haust in Zelten rund um Container-Einrichtungen und wird von der griechischen Armee bewacht. Letzte Woche besuchte ich den EU-Hotspot Moria auf Lesbos. Im von der EU für 8 Millionen erbauten Freiluftlager sind fast 9.000 Menschen eingepfercht - Platz wäre für 2.500.

Diese Situation ist eine unvorstellbare Zumutung, sowohl für die Geflüchteten als auch für die griechische Bevölkerung, die weiter unter der EU-Austeritätspolitik leidet. Die sanitären Bedingungen in dem Lager und das Leben in improvisierten Zelten sind menschenunwürdig. Mehr als die Hälfte der Moria-BewohnerInnen sind Familien mit Kindern. Immer wieder kommt es in dem Lager zu gewaltsamen Auseinandersetzungen mit Verletzten, Menschen müssen stundenlang für oftmals unzureichende Mahlzeiten anstehen, die hygienischen Zustände sind katastrophal, ärztliche Versorgung ist kaum gewährleistet, manche Frauen tragen aus Angst vor sexualisierter Gewalt nachts Windeln, um nicht auf dir Toilette gehen zu müssen, und Kinder können nicht zur Schule gehen.

Vor drei Jahren machten die griechischen Inseln nahe der Türkei, allen voran Lesbos, mit Bildern Schlagzeilen, die die zehntausenden Flüchtlinge zeigten, die täglich auf den Inseln mit Schlauchbooten ankamen. Seit 2016 der EU-Türkei-Deal mit Erdogan beschlossen wurde, ist die Zahl der in Lesbos landenden Flüchtlinge zurückgegangen, da die Türkei die Grenzen schärfer kontrolliert sowie Frontex-Schiffe und NATO-Kriegsschiffe in der Ägäis patrouillieren. Dennoch kommen täglich bis zu 100 Menschen auf Lesbos an. Zuletzt hat die griechische Küstenwache diese Woche in der Ägäis 100 Menschen aus Seenot gerettet.

Durch das Erdogan-Abkommen, das Teil der inhumanen EU-Flüchtlingspolitik ist, dürfen die Flüchtlinge die griechischen Inseln nicht mehr verlassen. Sie sollen dort auf ihre Abschiebung zurück in die Türkei oder einen positiven Asylbescheid warten.

Derzeit harren insgesamt mehr als 19.000 Menschen auf den griechischen Inseln unter katastrophalen Bedingungen in überfüllten sogenannten EU-Hotspots und Flüchtlingslagern aus.

Diese Methode der „Auslagerung“ will die EU nun durch weitere Lager in nordafrikanischen Staaten ausweiten. Selbst vor Libyen schrecken die EU-Regierungen nicht zurück. Wer heute auf Lesbos ankommt, erhält ungefähr im September 2019 einen Interviewtermin für sein Asylverfahren, berichtet der griechische Leiter von Moria. 58 Nationalitäten sind in dem Lager vertreten, die meisten kommen aus den Kriegsgebieten Afghanistan, Irak und Syrien. Zunehmend werden jedoch auch türkische und kurdische Flüchtlinge registriert.

Die lokalen Behörden wollen eine Vergrößerung Morias um jeden Preis verhindern und so wird sich die Situation noch weiter verschlechtern, wenn EU und griechische Regierung diese Politik nicht beenden. Die Menschen müssen die griechischen Inseln verlassen können und über Resettlement-Programme innerhalb der EU verteilt werden. Der Erdogan-Deal, durch den das Regime in der Türkei auch noch Milliarden an EU-Geldern erhält und maßgeblich von der Bundesregierung entwickelt wurde, muss beendet werden.

Humanitär arbeitende Nichtregierungsorganisationen versuchen in Moria wenigstens minimal Unterstützung anzubieten. Rund um das Lager haben sich kleine „Oasen der Menschlichkeit“ gebildet, dort bieten griechische und internationale Freiwillige Schulunterricht, Sprachkurse, Essen, Sport- und Musikprogramme an.

Gleichzeitig werden auch auf Lesbos Seenotrettungsinitiativen und FlüchtlingshelferInnen kriminalisiert: Bereits Anfang des Jahres wurden spanische Rettungsschwimmer von Proem-Aid und Flüchtlingshelfer vom Team Humanity von den griechischen Behörden wegen angeblicher Schleusertätigkeit angeklagt. Jetzt wurden Freiwillige der griechischen NGO ERCI (Emergency Response Centre International) verhaftet, darunter zwei FlüchtlingshelferInnen aus Berlin, Sarah Mardini und Sean Binder. ERCI ist bereits seit Ende 2015 auf der Insel aktiv und hat zahlreiche Menschen aus der Ägäis gerettet, immer in enger Abstimmung mit der griechischen Küstenwache. Die Organisation betreibt auch eine Gesundheitsstation in Moria – der einzig verfügbare Arzt im Lager. Inzwischen gibt es eine Solidaritätsaktion zur Freilassung von Sarah und Sean, die immer noch in Untersuchungshaft in Athen und Mytilini sitzen. Solidarische Räume, wie zum Beispiel das autonome, selbstverwaltete Flüchtlingscamp Pikpa auf Lesvos droht die Räumung.

Dem Lager Moria fehlt es nicht an Geld. Es soll als Teil der Politik der Migrationsabwehr der EU ein Ort der Abschreckung sein. Der Hotspot ist ein Schandfleck einer Europäischen Union, die gerne von „europäischen Werten“ spricht, aber in der Realität über Leichen geht. Deshalb gilt es, für ein friedliches und soziales Europa zu streiten - dass das Gegenteil zu dieser neoliberalen, militaristischen und unmenschlichen EU-Politik ist.