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Jugend am stärksten von Armut bedroht

Im Wortlaut von Yvonne Ploetz,

Auf Ihre Anfrage hat die Bundesregierung bestätigt, dass der Anteil junger Menschen, die zusätzlich zu ihrer  Erwerbsarbeit Hartz IV beantragen müssen, seit 2008 konstant  bei über 16 Prozent liegt. Woran liegt das?

Yvonne Ploetz: Der vielbeschworene Aufschwung kommt bei den meisten Menschen nicht oder nur äußerst schleppend an. Jugendliche sind die hauptsächlichen Verlierer der Wirtschafts- und Finanzkrise. In einigen europäischen Ländern, wie Spanien, ist die Jugendarbeitslosigkeit seit Ausbruch der Krise auf über 20 % gestiegen. Das sind erschreckende Zahlen. Darüber hinaus werden Jugendliche besonders häufig in den Niedriglohnbereich und in den Bereich prekärer Beschäftigung abgedrängt. Deshalb verbessert sich auch im Falle eines Aufschwungs ihre Situation nicht unbedingt.

Praktikaschleifen, unbezahltes Probearbeiten, Befristungen, Leiharbeit und Niedriglöhne sind schon seit längerem eine bittere Realität für viele junge Leute. Sie sind die unfreiwilligen Vorreiter der politisch gewollten Deregulierung des Arbeitsmarktes der letzten Jahre. Die Zahl junger Menschen mit normalen Arbeitsverträgen sank von 1,2 Millionen im Jahr 2009 auf 400 000 im Jahr 2010.

Was bedeutet das für die Perspektiven der jungen Leute?

Prekarität trifft Jugendliche in einer äußerst sensiblen Phase ihrer Entwicklung, nämlich im Übergang von Kindheit ins Erwachsenenalter. Sie sollen ihre eigene Persönlichkeit entwickeln, sich vom Elternhaus lösen, ihre Position in der Gesellschaft finden und gleichermaßen den Schritt in die ökonomische Selbstständigkeit gehen. Versagenserlebnisse, Ausschlussbedrohungen und Armutserfahrungen können diesen Prozess behindern und deshalb Auswirkungen weit über die Jugendphase hinaus haben.

Und leider sind Jugendliche tatsächlich die am stärksten von Armut bedroht Altersgruppe in Deutschland. Jeder fünfte Jugendliche in Deutschland ist arm. Im Osten sogar jeder dritte. Dass durch die Bundesregierung diese Situation nicht ganz massiv angegangen wird ist ein riesiger Skandal!

Können Bereiche identifiziert werden, in denen hauptsächlich aufgestockt werden muss?

Es sind vor allem junge Frauen, die im Niedriglohnsektor arbeiten und aufstocken müssen. Ganz generell sind natürlich die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer betroffen, die in den traditionell schlecht entlohnten Berufen tätig sind, wie zum Beispiel die pflegenden und sozialen Tätigkeiten, Friseur- Service, und Gaststättenkräfte.

Unternimmt die Bundesregierung etwas, um die Zahlen zu senken?

Ich würde mir wünschen, dass ich hier Maßnahmen zur Reduzierung der Aufstocker aufführen könnte, doch es sind mir leider keine bekannt. Jugendliche haben keine politische Lobby. Die schwarz-gelbe Regierung lässt sie mit ihren Problemen im Regen stehen. Ich attestiere ihnen gerne eine ausgeprägte Jugendverdrossenheit.

Was schlägt die Fraktion DIE LINKE vor?

Wir LINKE schlagen ein Bündel an Maßnahmen vor: Mindestlöhne, die mit 10 Euro deutlich über der Armutsgrenze liegen, Ausbildungsvergütungen, die ein armutssicheres und selbstbestimmtes Heranwachsen ermöglichen, faire gesetzliche Rahmenbedingungen für Praktika, "Equal Pay" in der Leiharbeit, ein Ende der Diskriminierung junger Menschen beim Kündigungsschutz, ein Recht auf einen qualitativ hochwertigen und angemessen bezahlten Ausbildungsplatz - möglichst mit anschließender Übernahme in ein ausbildungsgerechtes, wohnortnahes und unbefristetes Arbeitsverhältnis - dies sind nur einige wichtige Stichworte. Aber auch ein Wahlrecht ab 16 ist dringend geboten, da jugendpolitische Interessen erst dann wahrgenommen werden, wenn Jugendliche zu einer wahlrelevanten Gruppe werden.

Was empfehlen Sie jungen Leuten, die aktuell aufstocken müssen? 

Jugendliche dürfen sich mit dieser Situation nicht abfinden. Die soziale Schieflage bei Jugendlichen muss man offensiv ansprechen, in der Öffentlichkeit skandalisieren und die Politik unter Druck setzen. Am besten gemeinsam mit uns! Im Saarland hat sich ein breites soziales Bündnis zusammengefunden, dass genau solche Themen in den Fokus der Öffentlichkeit rücken und verändern will.

Wir klären mit Informationsveranstaltungen auf, organisieren Protestaktionen, vernetzen verschiedene Organisationen, die sich mit der Armutsproblematik und auch der Jugendpolitik beschäftigen. Die Resonanz unserer Bemühungen zeigt, dass es sich hier ein Thema handelt, bei dem wirklich viele Menschen einen Handlungsbedarf sehen und wirkungsvolle Maßnahmen der Politik einfordern.

 

www.linksfraktion.de, 24. Mai 2011