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Jobcenter als Jobkiller

Im Wortlaut,

Bundesrechnungshof: Ein-Euro-Jobs verdrängen reguläre Beschäftigung

Von Fabian Lambeck

Vernichtende Kritik: Ein-Euro-Jobs sind ungeeignet, Langzeitarbeitslose in feste Beschäftigung zu bringen, heißt es in einer am Montag bekannt gewordenen Mitteilung des Bundesrechnungshofes. Insbesondere Kommunen nutzen die Billigarbeiter, um ihre Pflichtaufgaben zu erfüllen. Damit verdrängen die Ein-Euro-Jobber regulär Beschäftigte. Die Bundesagentur für Arbeit kündigte gestern an, die Vergabe dieser Jobs ab 2011 »flächendeckend« kontrollieren zu wollen.

Der Bericht des Bundesrechnungshofes zur staatlichen Beschäftigungsförderung war nicht für die Öffentlichkeit bestimmt. Trotzdem druckte die »Süddeutsche Zeitung« am Montag Details aus dieser internen Mitteilung an das Bundesarbeitsministerium. Demnach verdrängen Ein-Euro-Jobs für Langzeitarbeitslose reguläre Beschäftigung. Zudem sind sie ungeeignet, die Hartz-IV-Betroffenen in richtige Arbeitsverhältnisse zu vermitteln. In mehr als 60 Prozent der geprüften Fälle fehlten die Voraussetzungen für eine staatliche Förderung, so der Bericht. Nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit waren 2009 im Schnitt 320 000 Menschen in geförderten Stellen beschäftigt. Davon waren 280 000 Ein-Euro-Jobs. Die Kosten dafür beliefen sich auf 1,7 Milliarden Euro.

Offiziell heißen die Ein-Euro-Jobs »Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung« und müssen »im öffentlichen Interesse und wettbewerbsneutral sein«, so will es zumindest die Bundesagentur. Außerdem muss die Tätigkeit »zusätzlich« sein. Und dies ist sie nur, wenn sie ohne Förderung nicht oder nicht in dem Umfang durchgeführt werden könnte. Doch die Realität sieht anders aus. Wohlfahrtsverbände, Kommunen und Unternehmen aus der Weiterbildungsbranche lassen anfallende Arbeiten, die eigentlich regulär Beschäftigte verrichten müssten, von Ein-Euro-Jobbern erledigen. Sie sparen so Personalkosten. Die Betroffenen erhalten zusätzlich zu ihrem Hartz-IV-Satz nur eine »Aufwandsentschädigung«. Und die beträgt meistens nicht mehr als einen Euro pro Stunde.

Die arbeitsmarktpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag, Sabine Zimmermann, stimmte der Einschätzung des Bundesrechnungshofes in weiten Teilen zu. Statt einer Ausweitung von Ein-Euro-Jobs plädierte sie dafür, reguläre Arbeitsplätze im »Bereich der sozialen Dienstleistungen« auszubauen und in einigen Fällen ergänzend öffentlich geförderte Beschäftigungsangebote zu schaffen. Der Bedarf an notwendiger und gesellschaftlich sinnvoller Arbeit sei da, er dürfe nur nicht über die Beschäftigung von Ein-Euro-Jobbern gedeckt werden, so Zimmermann weiter. Das sei die richtige Antwort, statt das Kriterium der Zusätzlichkeit aufzugeben, wie es der Bundesrechnungshof fordert. Die LINKE hat einen Antrag für gute öffentlich geförderte Beschäftigung im Bundestag eingebracht. Danach soll die Zusätzlichkeit durch einen regionalen Beirat kontrolliert werden. Damit dürfte die LINKE bei der Bundesagentur für Arbeit offene Türen einrennen. Eine BA-Sprecherin kündigte am Montag an, dass Beiräte ab 2011 bundesweit die Vergabe der Arbeitsgelegenheiten überwachen sollen. Den Prüfbericht des Rechnungshofes bezeichnete die Sprecherin als überholt. Er basiere auf Untersuchungen aus dem Jahr 2008.

Beim eigentlichen Adressaten des Berichtes – dem CDU-geführten Bundesarbeitsministerium – hielt man sich am Montag hingegen bedeckt. Eine Sprecherin betonte lediglich, dass zum Januar 2012 eine Neuordnung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente geplant sei. Die nun kritisierten Arbeitsgelegenheiten seien immer als »Aktivierungsmaßnahmen«, nicht »als Brücke in den ersten Arbeitsmarkt« gedacht gewesen, so die Sprecherin.

Neues Deutschland, 16. November 2010