Zum Hauptinhalt springen

Jenseits des Mittelmeers: Wie afrikanische Staaten zu Außenposten der Festung Europa gemacht werden

Nachricht von Niema Movassat,

Jenseits des Mittelmeers: Fachgespräch mit Niema Movassat
 

Welche Auswirkungen haben die aktuellen Bestrebungen der EU, die Migrationsabwehr vom Mittelmeer nach Afrika zu verlagern, für die afrikanischen Staaten und die dort lebenden Menschen? Dieser Frage ging ein Fachgespräch der Fraktion DIE LINKE nach, zu dem Niema Movassat, Obmann im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, am Mittwochnachmittag einlud. Im Zuge des sogenannten Rabat- und Khartum-Prozesses versucht die EU derzeit, die Staaten West- und Ostafrikas auf eine Kooperation bei der Flüchtlings- und Migrationsabwehr einzuschwören. Dabei rüstet die EU die innerafrikanischen Grenzen auf, mit Stacheldrahtzäunen, biometrischen Überwachungsapparaten und Internierungslagern. Zudem droht sie Staaten, die bei der Abschiebung von Flüchtlingen nicht kooperieren wollen, mit politischen und wirtschaftlichen Sanktionen.

Niema Movassat betonte in seinem Eingangsstatement, dass es eine wichtige Aufgabe der LINKEN sei, auf die fatalen Konsequenzen dieser Politik hinzuweisen. Anstatt die sogenannte „Migrations- und Flüchtlingsproblematik“ zu lösen, würde sie bestehende Probleme verstärken: Sie stärke autoritäre Regime im Sudan oder Äthiopien, vor denen die Menschen fliehen und trage zu einer wirtschaftlichen Desintegration innerhalb der afrikanischen Länder bei, die neue Fluchtursachen schaffe.

Dr. Stephan Dünnwald vom Bayerischen Flüchtlingsrat kritisierte, dass sich Europa seine Reisefreiheit im Inneren durch das Hochziehen von Grenzbefestigungen jenseits des Mittelmeeres erkaufe. Während Europa die freie Zirkulation von Personen und Waren als Grundvoraussetzung für die eigene Prosperität ansehe, werde die Reisefreiheit zwischen den afrikanischen Staaten immer stärker eingeschränkt. Dies hätte beispielsweise für die westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft ECOWAS katastrophale Folgen. Zudem befeuere es den Rassismus zwischen den Bevölkerungsgruppen in Afrika. Dünnwald berichtete von regelrechten Hetzjagden in Mauretanien und dem Sudan, die in jüngster Zeit gegen ausländische Bevölkerungsgruppen stattgefunden hätten.

Starker Druck seitens der EU

Ousmane Diarra von der Assoziation der Abgeschobenen Malis (AME) berichtete vom dem starken Druck, den die EU auf die afrikanischen Staaten beim Thema Migrationsabwehr aufbauen würden. Eine Folge dieses Drucks sei etwa der Bau eines Abschiebezentrums in Agadez/Niger – einem wichtigen Knotenpunkt auf dem Fluchtweg nach Europa. Solche Zentren sollen nun in mehreren westafrikanischen Staaten errichtet werden, oft gegen deren Willen. Diarra berichtete auch von traumatisierten Afrikanern, die teilweise seit 15 Jahren in Europa gelebt hatten, nun aber im Zuge des Rabat-Prozesses abgeschoben worden seien.

Marina Peter vom Sudan-Südsudan-Forum kritisierte, dass der Artikel 1 des Grundgesetzes „Die Würde des Menschen ist unantastbar“ durch den Rabat- und Khartum-Prozess ausgehebelt werde. Die EU mache sich zu Komplizen autoritärer Regime, die sie im Zuge der Prozesse politisch aufwerte und sogar aufrüste.

Einig waren sich alle RednerInnen darin, dass der Rabat- und Khartum-Prozess und dessen Folgen für die afrikanischen Länder stärker in die öffentliche Debatte eingebracht werden müssten. Denn nur so sei auch Widerstand dagegen zu mobilisieren. Dass dieser durchaus Erfolg haben kann, wusste Ousmane Diarra aus Mali zu berichten. In enger Kooperation zwischen der malischen Zivilgesellschaft und der Community der Exilmalier in Frankreich sei es gelungen, so großen Druck auf die malische Regierung aufzubauen, dass diese bis heute noch kein Rückübernahmeabkommen mit der EU unterzeichnet habe.

linksfraktion.de, 09. Juni 2016