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Investitionen statt Schuldenbremse

Nachricht von Fabio De Masi,

Die spezifische rechtliche Ausgestaltung der Schuldenbremse auf Landesebene ist von den Bundesländern selber vorzunehmen. Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags (PDF) im Auftrag der Fraktion DIE LINKE. zeigt die Handlungsspielräume auf, welche den Ländern trotz der grundsätzlich verbindlichen Regeln aus dem Grundgesetz verbleiben.

  • So steht den Ländern frei, ob sie die Schuldenbremse in ihrer Landesverfassung verankern oder einfachgesetzlich – etwa in der jeweiligen Landeshaushaltsordnung – umsetzen. Eine spätere Reform oder Abschaffung der Schuldenbremse kann entsprechend mit einfacher Parlamentsmehrheit bzw. einem höheren Quorum (in Hessen durch Volksabstimmung) zur Verfassungsänderung erfolgen. Nach aktuellem Stand verzichten nur Baden-Württemberg, Berlin, Nordrhein-Westfalen, dem Saarland, Sachsen-Anhalt und Thüringen auf eine Umsetzung per Landesverfassung.
  • Zudem ist die Einbeziehung von sogenannten Extrahaushalten – beispielsweise öffentlichen Unternehmen im Besitz der Länder – ebenso wie Finanztransaktionen, also der Kauf oder Verkauf von Anteilen an Unternehmen oder anderen finanziellen Vermögenswerten, durch die Länder zu regeln. Sind etwa Finanztransaktionen von der Schuldenbremse ausgeklammert, kann das Kapital öffentlicher Förderbanken aufgestockt werden, ohne die Schuldenquote zu erhöhen. Diese können dann in Teilen die politisch beschränkte Investitionstätigkeit des Staats auffangen. Bei Ausnahmen für öffentliche Unternehmen hingegen könnten etwa kommunale Verkehrsbetriebe oder Wohnungsgesell­schaften weiter kreditfinanziert in die Infrastruktur investieren. Die meisten Bundesländer – und der Bund – erlauben weiterhin Finanztransaktionen. Ausnahmen sind bisher Bayern, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen. Die Einbeziehung von Extrahaushalten ist in etwa der Hälfte der Länder geplant. Bei der Nutzung von Extrahaushalten ist neben fiskalischer Flexibilität auch die Beschränkung demokratischer Kontrolle zu bedenken, da Entscheidungsstrukturen aus der parlamentarisch überwachten Exekutive in Unternehmen verlagert werden, die bei Privatrechtsformen wie GmbH und AG vorrangig gewinnorientiert wirtschaften und für die Parlamente und die Öffentlichkeit oftmals kaum transparent sind.
  • Überdies ist nicht grundgesetzlich vorgegeben, in welcher Form die Länder die Regeln der Schuldenbremse dem Konjunkturzyklus anpassen. So besteht im Grundsatz die Möglichkeit, im Abschwung die Kreditaufnahme auszuweiten, um ökonomisch stabilisierend einzugreifen. Zur Bestimmung des unter der Schuldenbremse zulässigen Umfangs der Kreditaufnahme stehen allerdings verschieden Messverfahren (Produktionslücke, Steuerlücke und Steuerniveau) zur Verfügung, welche teils deutlich unterschiedliche Ergebnisse erzeugen. Alle drei Verfahren wurden von einzelnen Ländern vorgesehen. Einzig Bayern hat die Kreditaufnahme zur Konjunkturstabilisierung gänzlich ausgeschlossen.

Schließlich bestehen weitere Spielräume in Bezug auf die genauen Modalitäten – etwa erforderliche Mehrheiten in den Landesparlamenten – um die Schuldenbremse in Notsituationen wie Naturkatastrophen temporär auszusetzen oder auch hinsichtlich der Sanktionen (Rückzahlungspflichten) im Fall einer ungeplanten Abweichung von den Schuldenregeln. Etliche Details sind in unterschiedlichen Bundesländern noch nicht final politisch entschieden bzw. befinden sich zurzeit im Gesetzgebungsverfahren.

In der Summe besteht somit eine gewisse Flexibilität der Schuldenbremse auf Landesebene, ohne allerdings deren grundlegendes Korsett zu sprengen: Staatliche Handlungsfähigkeit wird durch die grundsätzlich verbotene strukturelle Neuverschuldung massiv eingeschränkt. Aus diesem Grund wird die Schuldenbremse mittlerweile auch von konservativen Ökonomen kritisiert und eine Reform gefordert, welche die Modernisierung der öffentlichen Infrastruktur etwa in Bildung, Verkehr und Digitalisierung über kreditfinanzierte Investitionen ermöglicht.

DIE LINKE fordert eine Abschaffung der Schuldenbremse. Der Investitionsstau in Deutschland ist offensichtlich, allein bei den Kommunen beträgt er laut Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) trotz Rekordsteuereinnahmen noch immer 138 Mrd. Euro. Bund und Länder können sich vielfach zu Negativzinsen finanzieren. Trotzdem hat der Staat insgesamt in Summe seit Beginn des Jahrtausends nicht investiert, die klammen Kommunen mussten gar von der Substanz leben. Kurzfristig kann die Schuldenbremse durch die (Wieder)Einführung der goldenen Regel der Fiskalpolitik reformiert werden, welche – wie bis ins Jahr 2009 – öffentliche Netto-Investitionen durch Kreditfinanzierung erlaubt.

Fabio De Masi, finanzpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE im Bundestag, kommentiert: „Die Schuldenbremse für Bund und Länder ist eine gefährliche ökonomische Dummheit, für die Deutschland in die Geschichtsbücher eingehen wird. Angesichts der drohenden Rezession sind öffentliche Investitionen in Deutschland dringend notwendig um die Binnenkonjunktur anzukurbeln. Auf Landesebene müssen die Extrahaushalte und somit die Landesbeteiligungen von den Schuldenbremsen ausgenommen werden, um begrenzte Investitionsspielräume zu erhalten.“