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In Portugal gibt es eine linke Mehrheit

Im Wortlaut von Diether Dehm,



Von Diether Dehm

 

14 Prozentpunkte Verlust für das konservative Regierungslager um Passos Coelho und Paulo Portas auf der einen, und das beste Ergebnis, das die Linkspartei Bloco de Esquerda bei portugiesischen Parlamentswahlen je erzielt hat, machten den Sonntagabend zu einem wunderbaren Tag für die portugiesische und die europäische Linke. Meinen herzlichen Glückwunsch an die Genossinnen und Genossen zu diesem Ergebnis!

Bezogen auf die Gesamtwählerschaft hat die Mehrheit der Portugiesinnen und Portugiesen ihre Stimme linken Parteien gegeben – eine weitere Erkenntnis dieses Abends lautet, dass im portugiesischen Parlament eine linke Mehrheit sitzt. Auf der anderen Seite ist dieser Wahlabend mit 57 Prozent Wahlbeteiligung erneut ein Beleg dafür, dass die europäische Demokratie im Zuge der andauernden Krise schweren Schaden genommen hat. 

Niemand rechnete mit diesem Ergebnis

Die Wahlen zum portugiesischen Parlament und die Situation der portugiesischen Linken sind zwischen Griechenlands SYRIZA und Spaniens Podemos etwas aus dem Blick geraten. Dies mag damit zu tun haben, dass Portugal neben Irland zu den vermeintlichen Musterschülern unter den Rettungsschirm-Opfern zählt. Besonders gedämpft wurden die Erwartungen aber vermutlich einerseits durch die starke Zersplitterung der Linken in Portugal und andererseits durch Prognosen vom Jahresbeginn, welche den Bloco bei gerade mal drei Prozent verorteten. Niemand rechnete mit einem solch großartigen Ergebnis. Die erreichten 10,2 Prozent, ein Zuwachs von 5,1 Prozentpunkten und in absoluten Wählerstimmen von 288.923 auf über 545.000, sind das beste Ergebnis der 16 jährigen Parteigeschichte und eine glatte Verdopplung des Ergebnisses gegenüber den vergangenen Parlamentswahlen. 

Dies gelang Bloco mit deutlicher Ablehnung und Abgrenzung gegenüber der alles beherrschenden Austeritätspolitik in Portugal. Zur Wahl standen die "Austeritätsvollstrecker" des amtierenden konservativen Ministerpräsidenten Coelho mit seinem Bündnispartner, der rechtspopulistischen CDS-PP und die Sozialdemokraten (PS), welche einer Austerität „light“ das Wort reden, auf der einen, und mit Bloco und den Kommunisten ein Anti-Austeritätslager auf der anderen Seite. 

Bloco hat in dieser Ausgangslage einen engagierten und zugespitzten Wahlkampf gegen die konservative Regierung um Ministerpräsident Coelho geführt („Eine Regierung die deutscher ist, als die deutsche“). Auch der Umstand, dass sich Bloco von den Sozialdemokraten (PS) deutlich distanzierte, dürfte zu diesem Ergebnis beigetragen haben. Die Sozialdemokraten werden als Oligarchenpartei wahrgenommen und waren zuletzt in Korruptionsskandale verwickelt. Ende vergangenen Jahres wurde der ehemalige Ministerpräsident José Sócrates wegen Korruptionsverdacht verhafte. Auch der Versuch seitens der Konservativen, mit den Vorgängen rund um SYRIZA und die vorgezogenen Neuwahlen in Griechenland die scheinbare Alternativlosigkeit der herrschenden Austeritätspolitik zu behaupten, scheiterte.

Weiterhin schwere Zeiten für Portugal

Denn die Lage in Portugal ist extrem prekär: Jedes dritte portugiesische Kind lebt in Armut, in einem Volk von 10 Millionen ist eine Million Menschen arbeitslos, die junge und gut ausgebildete Generation hat mittlerweile aus Mangel an Perspektive das Land verlassen müssen (ca. 500.000 Menschen), über eine Million Rentner müssen von weniger als 10 Euro am Tag leben (dies schließt die Miete mit ein!) – diese Lage zeigt, dass Bloco und ganz Portugal weiterhin sehr schweren Zeiten entgegen gehen.

Die nun anstehenden Regierungsverhandlungen dürften nicht ganz einfach werden. Möglich ist es, dass die PS als Juniorpartner eine Große Koalition mit dem konservativen Wahlbündnis von Coelho bildet. Doch auch eine Koalition zwischen Sozialdemokraten und Bloco, unter Tolerierung der Kommunistischen Partei (PCP), ist rechnerisch möglich. Hierfür bedürfte es allerdings einer völlig umgekrempelten PS.

linksfraktion.de, 6. Oktober 2015