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»Ich habe mich entschieden - für den Frieden«

Nachricht von Wolfgang Gehrcke,

Welche Ziele verfolgen wir langfristig? Welche Aufgaben müssen wir umgehend anpacken? Zu Beginn einer jeden Woche umreißt ein Mitglied der Fraktion in einer Kolumne Schwerpunkte für DIE LINKE.

Wolfgang Gehrckke, außenpolitischer Sprecher der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag

27. Mai 2010 - ein Schiffskonvoi für Gaza sticht in See. Friedensaktivistinnen und -aktivisten wollen Hilfsgüter bringen und so den Druck auf Israel erhöhen, endlich die Blockade des Gaza-Streifens aufzuheben. Aufhebung der Blockade fordern auch die Vereinten Nationen. Die „Blockadebrecher“ handeln im Einklang mit dem Völkerrecht, den Vereinten Nationen. Ich hoffe, dieses mutige Engagement wird seine Wirkung in Israel nicht verfehlen. Mit dabei sind auch unsere Kolleginnen und Kollegen Annette Groth, Inge Höge und Norman Paech. Gute Wünsche aus vielen Ländern begleiten die Schiffe.

Schon am Freitag, dem 28. Mai, waren von der israelischen Regierung unhaltbare Vorwürfe und Drohungen verbreitet worden - eine wilde, menschenverachtende Sprache. Alle, die helfen wollen, werden zu Terroristen gestempelt, mindestens zu Terrorhelfern. Der israelischen Regierung traue ich gewaltsames Vorgehen zu, deshalb schreibe ich einen Brief an den deutschen Außenminister und bitte ihn, in Israel zu intervenieren. ‚Keine Gewalt‘, diese Losung ist aktueller denn je.

Ich denke zurück an meine Erfahrungen während des Libanonkrieges 2006, an die Wohnviertel in Beirut, die von Raketen in Schutt und Asche gelegt wurden. Inzwischen habe ich auf vielen Kundgebungen gegen Krieg und Gewalt gesprochen. Mit Erschütterung habe ich den Goldstone-Report gelesen, der die Menschenrechtsverletzungen während des Gaza-Krieges anprangert. Auch hier wieder die gleichen Bilder: Tote und Verletzte, zerstörte Wohnhäuser, Gewalt.

Der Gaza-Streifen ist mit 1,5 Millionen Einwohnern eine der am dichtesten besiedelten Regionen der Welt. Dieses schmale Stückchen Land am Mittelmeer wurde aus der Luft, von See und von Land aus bombardiert. Keiner konnte fliehen. Kein Krankenhaus, kein Kindergarten, keine Schule war sicher. Auch UN-Einrichtungen wurden nicht geschont. Die Wut, die Verzweiflung und Hoffnungslosigkeit der Menschen sind gut zu verstehen. Unter weltweitem Druck kam ein Waffenstillstand zustande. Brüchig, umstritten, aber immerhin, für einen kurzen Zeitraum gab es keine Raketen auf Israel und keine Angriffe auf Gaza. Es keimte die Hoffnung auf mehr, auf Wiederaufbau. Jedoch, Israel behindert die Lieferung notwendiger Güter, versperrt den Menschen die Ein- und Ausreise. Der Begriff „Freiluft-Gefängnis“ trifft zu.

Am Montag, dem 31. Mai, entsetzliche Nachrichten: israelische Soldaten stürmen die Schiffe des Hilfskonvois, in internationalen Gewässern - 72 Seemeilen vor der Grenze, der Blockade-Linie, die Israel willkürlich gezogen hat. Tote und Verletzte, die Schiffe werden gekapert, die Helferinnen und Helfer verschleppt. Ich frage mich: Wie nennt man das Kapern von Schiffen? Doch wohl Piraterie! Was ist die Verschleppung von Personen ohne Rechtsgrundlage? Freiheitsberaubung! Eine Welle von Protesten entfaltet sich weltweit. Der Weltsicherheitsrat und viele Regierungen verurteilen die Aktion und fordern Aufklärung.

Professor Jeff Halper, 2009 mit dem Kant-Weltbürger-Preis geehrt, dankte mit den Worten: „Im vergangenen August habe ich mein Leben riskiert, weil ich ein altes Fischerboot an israelischen Kriegsschiffen vorbei von Zypern nach Gaza bringen wollte, um die grausame, völkerrechtswidrige Blockade zu durchbrechen, die zwei Jahre zuvor über eine bereits verarmte und traumatisierte Zivilbevölkerung verhängt worden war. Ich musste es tun, weil Regierungen, deren Aufgabe es ist, das Völkerrecht zu wahren und für eine internationale Friedensordnung zu sorgen, sich um ihre Verantwortung gedrückt haben.“

Dem ist nichts hinzuzufügen, außer: Der Bundestag muss endlich seiner Verantwortung gerecht werden und die Aufhebung der Blockade des Gaza-Streifens fordern. Meine Kolleginnen und Kollegen Annette Groth, Inge Höger und Norman Paech sind unversehrt zurückgekommen. Die erschütternden Erlebnisse müssen noch verarbeitet werden. Doch höre ich hierzulande schon wieder, ich müsse mich entscheiden, Israel oder Palästina.

Ich habe mich entschieden - für den Frieden, für die Menschen in Palästina und in Israel.