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Hunger auf der Welt: Erfolgsmeldungen sind leider reine Propaganda!

Im Wortlaut von Niema Movassat,

Von Niema Movassat
 




Anlässlich des Welternährungstages am 16. Oktober verbreiten derzeit Medien und Politik bis hin zur UN-Organisation für Ernährung und Landwirtschaft (FAO) eine gravierende Falschmeldung: "Der Hunger nimmt ab", sagen sie. Die Zahl der chronisch Unterernährten sei in den letzten zwei Jahren um 26 Millionen Menschen oder drei Prozent auf 842 Millionen gesunken. Sie ziehen die  Schlussfolgerung:  "Wir sind auf einem guten Weg, wir müssen nur so weitermachen wie bisher."
 
Diese Erfolgsmeldungen sind nichts anderes als Propaganda. Die Realität ist eine völlig andere: Eine neue Methodik der FAO zur Ermittlung der Hungerzahlen erst hat den positiven Trend möglich gemacht. Basis für die Berechnungen sind absurde Annahmen. So geht die FAO beim täglichen Kalorienbedarf von einem "bewegungsarmen Lebensstil" der Betroffenen aus – dabei müssen vor allem die Ärmsten der Armen meist schwerste körperliche Tätigkeiten verrichten, um zu überleben.
 
Beruhigung des schlechten Gewissens

Alleine dieser statistische Kunstgriff hat enorme Auswirkungen auf die Zahlen. Legt man den der Lebensrealität der Menschen in Entwicklungsländern angemessenen Kalorienbedarf eines "moderaten Lebensstils" zugrunde, ergibt sich eine Zahl von 1,3 Milliarden Hungernden weltweit. Die angeblichen Erfolge verkehren sich so ins krasse Gegenteil.
 
Die unbestrittenen Fortschritte in einzelnen Regionen gehen selbst auf Basis der FAO-Berechnungen zu 80 Prozent auf das Konto Chinas und Vietnams – und basieren hauptsächlich auf Eigenleistung und nicht auf der westlichen Entwicklungszusammenarbeit. In den 45 am wenigsten entwickelten Staaten hungern heute sogar 50 Millionen Menschen mehr als noch 2011/2012. Das entspricht einer Zunahme um 25 Prozent. Das ist die wahre Bilanz auch der westlichen Entwicklungszusammenarbeit.
 
Die derzeitigen "Erfolgsmeldungen" dienen der Beruhigung des schlechten Gewissens in den Industrieländern und sollen vor allem einen Politikwechsel unnötig erscheinen lassen. Weder wird die "westliche Wertegemeinschaft" ihr jahrzehntealtes Versprechen einer Entwicklungshilfequote von 0,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts bis 2015 erfüllen noch wird sie das Millenniumsziel der Halbierung des Hungers bis 2015 erreichen. Doch hat man offensichtlich beschlossen, das totale Versagen mit Hilfe von Taschenspielertricks noch schnell in eine Erfolgsstory umzuschreiben. Diese Strategie ist durchschaubar, aber die meisten Medien machen sich nicht die Mühe, sie zu hinterfragen.

Zeugnisse eines menschenfeindlichen Wirtschaftssystems
 
Etwa alle fünf Sekunden verhungert ein Kind auf der Welt. Selbst in Europa, der reichsten Region der Welt, können sich laut Rotem Kreuz 43 Millionen Menschen nicht mehr genug Essen leisten. Es sind Zeugnisse eines menschenfeindlichen Wirtschaftssystems. Ein Richtungswechsel wäre nur möglich, wenn die Politik das Menschenrecht auf Nahrung endlich an der Seite der Hungernden gegen die Interessen der Konzerne durchsetzen würde. Stattdessen beugt sie sich den Lobbyinteressen der Agrar- und Lebensmittelriesen und vergrößert das weltweite Elend weiter. Profitmaximierung hat so immer noch Vorrang vor Menschenleben.
 
Was könnte die EU konkret und sofort tun, um den Hunger in der Welt zu bekämpfen? Es gibt genug Möglichkeiten: Den Import von Nahrungsmitteln für die Herstellung von Agrosprit verbieten; Agrarexportsubventionen abschaffen; konsequent gegen Nahrungsmittelspekulation vorgehen; großflächige Landnahmen durch europäische Konzerne in den Ländern des Südens verhindern; die kleinbäuerlichen Strukturen in Afrika, Asien und Lateinamerika unterstützen. Alleine der politische Wille existiert nicht.
 
Umfassende Forderungen für eine solidarische und sozial gerechte Welt hat DIE LINKE. in ihren entwicklungspolitischen Leitlinien formuliert.

linksfraktion.de, 15. Oktober 2013