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Heute steht viel auf dem Spiel

Nachricht von Werner Dreibus,

Werner Dreibus zum heute erwarteten „Chemnitzer Urteil“ im Lokführerstreik

Wenn heute das Arbeitsgericht in Chemnitz über die Zulässigkeit von Streiks der Lokführer im Güter- und Fernverkehr entscheidet, steht nicht weniger als die verfassungsrechtliche Streikgarantie auf dem Spiel. Bekräftigen die Richter die erste Entscheidung, wonach die Gewerkschaft der Lokführer (GdL) nur „eingeschränkt“ streiken darf, würden sie die willkürliche Behinderung eines Streiks fortsetzen und festschreiben. Der ver.di-Chef Frank Bsirske hat recht, wenn er diese Art von „Rechtssprechung“ als eine „Sorte von Klassenjustiz“ brandmarkt, die geächtet gehört. So gesehen gebietet es sich von selbst, mit den Lokführern solidarisch zu sein.

Ganz egal, wie jemand im Einzelnen zu den Akteuren dieser Tarifauseinandersetzung steht, festzuhalten bleibt: die Gewerkschaft ist das Stärkste, was die Schwachen haben. Und der Streik ist ein legitimes und vom Grundgesetz geschütztes Mittel, um ein „tariflich regelbares Ziel“ zu erreichen, wie es in vielen Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts heißt. Einkommensverbesserungen und eigenständige Regelungen für die Lokführer sind etwas Selbstverständliches und nicht verwerflich - vom Vorstand der Bahn AG wird das bisher verwehrt. Da ist es geradezu aberwitzig, wenn der Bahn-Vorstand jetzt argumentiert, die Lokführer müssten die „Verhältnismäßigkeit der Mittel“ wahren und Arbeitsgerichte auch noch dieser Argumentation folgen. Ein Streik muss darauf ausgerichtet sein, dem bestreikten Unternehmen Schaden zuzufügen. Das Gemeinwohl wird dadurch noch lange nicht beschädigt. Bürgerinnen und Bürgern ist es zumutbar, mit Einschränkungen zu leben.

Trotzdem ist es bedauerlich, dass die GdL aus der Tarifgemeinschaft mit Transnet und GDBA ausgeschert ist. Ein einheitlicher Tarifvertrag für alle Bahn-Beschäftigten ist allemal die bessere Lösung. Einheitlicher Tarifvertrag heißt jedoch nicht, dass alles „einheitlich“ über einen Kamm gezogen werden muss. Ein Blick in diverse Tarifverträge macht deutlich, dass viele Beschäftigungsmerkmale sehr unterschiedlich und differenziert geregelt sind. Offensichtlich ist es den Akteuren der zerbrochenen Tarifgemeinschaft nicht gelungen, eine für die Lokführer befriedigende Lösung zu finden. Die GdL ist weit davon entfernt, eine typische Standesorganisation oder gar „gelbe Gewerkschaft“ zu sein. Es scheint so, dass die GdL ihre Stärke aus der Schwäche von Transnet und GDBA zieht - auch mit Blick auf die Haltung zur Bahnprivatisierung. Das mag gerade für überzeugte Einheitsgewerkschafter ärgerlich sein - doch nur der selbstkritische Blick in die eigenen Reihen hilft langfristig, der dauerhaften Aufspaltung der Gewerkschaftsbewegung Einhalt zu gebieten.